Wie lernt mein Hund Frust auszuhalten??

  • Hallo,


    ich würde gerne noch mal auf etwas eingehen, was mir beim lesen des Eingangsposts aufgefallen ist:


    "Bin also an die Seite gegangen, hab Foxi sitzen lassen und hab ihn am Geschirr festgehalten. "


    Damit erhöhst du den Stress, den dein Hund hat, beträchtlich. Bewegung ist immer besser als Stehenbleiben. Und die Bewegungsfreiheit einzuschränken bzw. den Hund anfassen, erhöht zusätzlich den Stress. Das gleiche gilt für Reden, Schreien, Hektik.
    Obendrein hast du dich wahrscheinlich zum fremden Hund hin ausgerichtet und diesen angeschaut, sprich, du hast den anderen ebenso "fixiert" wie dein Hund - und damit bestätigst du deinen Hund in seinem Verhalten.


    Ich finde es besser, einfach geradeaus weiterzugehen, den anderen keines Blickes zu würdigen und so wenig wie möglich überhaupt auf die Situation einzugehen. Jedes bisschen Aufregung deinerseits und jedes Beachten der vermeintlichen Gefahr verstärkt das Verhalten deines Hundes.


    So seh ich das.... nur mal als Denkanstoss. Ich bin ja nun kein Hundetrainer, aber ich habe es schon öfter beobachten können, dass es so (besser) klappt.

  • "Zu Deiner Frage: Nun, ist es tatsächlich Frust, was er da aushält?... Wenn ein Hund nett und positiv das "Warten" gelernt hat, dann hat er ja in diesem Moment keinen Frust. Es stellt sich also eher die Frage: Wie wurde dies geübt? WAS genau hat der Hund gelernt/verknüpft?... Ekard Lind beispielsweise baut solche Übungen auf als "Lauern dürfen" und nicht "warten müssen"... "



    fräuleinwolle,


    DAS wäre eine wirklich spannende Frage, gerade auch in Bezug auf Foxi: Wo fängt eigentlich der Frust an?


    In meinem Fall hatte der Hund eigentlich nur das "Sitz" gelernt, als generelle Bremse. Bot sich an, weil sie das immer von sich aus angeboten hat: wenn's unübersichtlich/stressig wurde, saß sie oft schon als Welpe von sich aus, um die Lage kurz zu sondieren - brauchte man also nur noch zu bestärken und später zu verlängern & abzuforden.


    "Wir warten auf den Paketboten" haben wir dagegen nie geübt, solche Abliegen & Verzichten-Spielchen kennt nur von der Reizangel. Und ja: ich denke, daß sie mit ihrem explosiven Temperament in dem Moment auch sehr stark Frust geschoben hat, weil sie diese Begrüßungs-Situation zu gerne "gehabt" hätte. Das war schon für ihre Verhältnisse ein richtig tolles Stück Selbstkontrolle und Frustbewältigung - das hätte sie vor einem Jahr noch nicht geschafft. Insofern glaube ich eben schon, daß normaler Alltagsgehorsam sehr zum Frustbewältigenlernen beiträgt - jedenfalls bei den eher "leichten Fällen". Und ich glaube eher nicht, daß Foxi da ein knallharter Brocken ist.


    Woran wir aber auch wieder sehen, wie hundeabhängig das alles ist: Eine ihrer Vorgängerinnen, die Perfekte, hätte sowas schon mit drei Monaten locker hingekriegt, ohne dabei überhaupt Frust zu schieben. Die war generell einfach viel zu vernünftig, um sich irgendwas aus albernen Spielchen zu machen, liebte es aber, "zusammenzuarbeiten", und hätte die Möglichkeit zum Absitzen begeistert genutzt.


    bylla,
    Dasselbe gilt, glaube ich, auch für Hundebegegnungen: die Reaktionen sind verschieden. Alle meine Hunde vorher gingen tatsächlich viel besser zügig an so einer Situation vorbei, dann schaukelte sich auch nichts hoch. An meiner jetzigen Hündin habe ich gelernt, daß das eben doch kein Patentrezept ist: Die kann inzwischen in unmittelbarer Nähe ihrer tobenden, kläffenden Erzfeindin ruhig absitzen, an loser Leine und ohne Probleme. Aber sobald wir uns in Bewegung treffen, hängt sie sofort wieder in der Leine. Immerhin ruhig, aber ganz zügeln kann sie sich da noch nicht. Sie tickt da wie überall völlig nach dem stop & go-Prinzip: Stop, also Sitz ist Ruhe. Das fällt ihr leicht und klappt sogar vor abspringenden Rehen. Aber Bewegung ist für sie immer gleichbedeutend mit VORWÄRTS- und Bewegung und Ruhe zu vereinbaren, fällt ihr immer noch am schwersten. Ist zwar deutlich besser geworden, aber daran werden wir wohl noch lange arbeiten.

  • Den Thread hier finde ich mal wirklich cool. :D


    Genau so ist es nämlich: Es hängt total vom Hund ab. Ich habe hier ja auch 2 total unterschiedliche Exemplare sitzen. Bluey, der Streber, der Denker, der Abwägende, der immer gefallen will.
    Jabba, der Reagierende, der "Klotzkopf", der Stürmer, der einfach tut und dann mal guckt, was passiert... :roll:


    Auch Bluey hat seine Situationen, wo es ihm schwer fällt ruhig zu bleiben. Und Bluey hilft dann ein Kommando schon sehr, denn dann hat er eine Aufgabe, das ist für ihn positiv belegt, deswegen nicht wirklich Frust, sondern eben ne "Mission"... *ggg*


    Bei Jabba haben Kommandos/Gehorsam nicht geholfen. Für ihn wurde die Spannung/Erregung dadurch nur größer. Ja, der Gehorsam wurde besser durch das Üben. Aber zumindest bei Jabba wurde die Selbstkontrolle nicht besser. Bei Jabba haben diese Übungen nur in den entsprechend geübten Situationen ne "Verbesserung" in Richtung Frustrationstoleranz gebracht. Und da stellt sich eben die Frage: Wenn ich das positiv belegt übe, bleibt dann überhaupt noch Frust übrig? Oder wird die Motivation es richtig zu machen größer als die Motivation "das andere" zu machen?.... :???:
    Jedenfalls war bei Jabba der Durchbruch dadurch, daß ER selber eben denken muß, um eine Aufgabe zu lösen. Keine Vorgabe von mir durch Kommando. (Natürlich ist dennoch ein gewisser Gehorsam unabdingbar, aber es macht im Alltag einfach nen riesengroßen Unterschied, ob ich nen Hund habe, der bei gewissen Reizen einfach nur reagiert und dann unter Umständen tillt. Oder ob ich nen Hund habe, der erstmal überlegt/nachdenkt und ich somit viel mehr Zeit habe zu reagieren, was dann immer seltener notwendig wird....)



    Achso: zu dem "vor den Hund hinhocken und festhalten"... Das habe ich auch einige Zeit so gemacht und oft war Jabba ruhig, ab und an ist er dann auch abgedreht. An sich dachte ich aber, das würde klappen und wäre ok so. Man wird manchmal halt auch betriebsblind, vorallem in "Problem-"Situationen. Dann hat mal jemand drauf geguckt, von dessen Meinung ich verdammt viel halte und hat gesagt: DAS ist voll scheiße. Dein Hund hat den MEGA-Streß....

  • Ja, ich find's auch sehr spannend, was hier noch kommt, und vor allem die Frage dahinter: Wieweit ist eigentlich jede Alltagserziehung ein Training im Frustaushalten?


    Hängt wohl wirklich total vom Hundetyp ab - und ich muß gerade sehr grinsen, weil deine Jungs so sehr klingen wie meine beiden Hündinnen-Gegenparts: Der Streber wie meine vierpfotige Minerva McGonagall, ein absoluter no-nonsense-Typ, für die jedes gemeinsame Aufgaben-Lösen eine Belohnung war, eine Herausforderung, die mit Ernst, Konzentration und "Verantwortungsbewußtsein" erledigt wurde. Und Jabba hört sich eher nach den hitzköpfigen, blitzschnell aufdrehenden Russells an, die von einer gewissen Betriebstemperatur an gern erstmal handeln und dann überlegen.


    Er klingt allerdings eine deutliche Nummer härter: Bei Russells ist sehr vieles gezielt eingesetzte Show, mit der sie eben auch gern mal ihre Besitzer beeindrucken. Sie sind ja, als einzige Terrier, darauf gezogen, möglichst NICHT zu töten, sondern mit sehr wohl überlegten Scheinattacken zu arbeiten. Eine Menge Krach, Drohung und Geschnappe, aber strategisch benutzt. Die behalten also im Idealfall ihr Gehirn auch noch in einer sehr hohen Aggressionsstufe in Betrieb. Sonst laufen so kleine Hunde mit einem so gefährlichen Job ja auch Gefahr, als kleine breiige Fetzchen zu enden. Ein Russell kann also scheinbar wie ein Irrer toben, dabei aber durchaus noch denken. Wäre in Foxis Fall: Unterscheiden, was er fassen darf und was lieber nicht.


    Moreover: Ihre Jagd ist ja sehr viel dichter an innerartlicher Aggression als die eines Hundes, der Beute wie etwa einen Hasen verfolgt. Russells sollten gegen einen anderen Caniden gehen, der ihnen erstmal "nichts getan hat" und keine Beute, sodern ein ähnlich reagierender Gegner ist. Sie setzen also tatsächlich innerartliche Aggression zum Jagen ein. Was man im Zivilleben sehr gut daran sieht, daß so viele von ihnen eben auch ein entsprechend schwieriges Sozialverhalten haben.


    Insofern: Wenn Foxi jetzt einen guten Trainer erwischt - was ich euch sehr, sehr wünsche! - wäre es sicher sinnvoll, rauszukriegen, wie weit er noch "denkt", wenn er reagiert - wie weit ihr ihm also zumuten könnt, sein Verhalten auch zu steuern. Eigentlich müßte er das rassetypisch sehr lange können - aber das kann man aus der Ferne wirklich ebensowenig beurteilen wie seine Vorschäden.

  • Zitat

    Zeigen und Benennen: Lies Dir doch mal den GANZEN Thread durch. Dort werden Deine Ängste und Fragen mehrmals ausführlich behandelt und beantwortet.


    Das hab ich tatsächlich noch nicht geschafft :ops: Werd ich noch machen :smile:

  • Bei Foxi gibt es drei Arten wie er auf Hundebegegnungen reagiert:
    1. Er bleibt ganz cool. Das passiert in der Regel bei Hunden seiner Größe oder kleiner. Die werden selten angepöbelt.
    2. Er pöbelt, reagiert aber auf mich. Läss auf "Aus" die Leine los. Nicht immer beim ersten mal, aber er ist ansprechbar.
    3. Er rastet völlig aus. Und in dieser Situation ist er dann meiner Meinung nach auch nicht ansprechbar. Das ist natürlich jetzt sehr subjektiv und ich kann nicht ausschließen, dass er mich bewusst ignoriert. Ich habe aber immer das Gefühl, dass er seine Umgebung gar nicht mehr wahrnimmt. Das wird dann wohl der Trainer rausfinden müssen. Der soll ja auch noch was zu tun haben ;)


    Vielleicht noch mal ein Beispiel zu diesem Ausrasten. Im Tierheim ist Foxi an einem Drahtseil, was man im Baumarkt kaufen kann, gelaufen. An diesem Drahtseil war vorn eine Schlaufe, irgendwie mit Metall befestigt und in der Schlaufe war ein dicker Karabinerhaken dran. Diesen Karabinerhaken hatte er immer im Maul und war nur am an der Leine zerren und schütteln. Beim schütteln hat er sich immer das Metall (was an dem Drahtseil dran war um die Schlaufe zu machen, wenn ihr versteht was ich meine :???: ) auf den Kopf gehauen. Das tat mir schon vom zusehen weh, aber er hat das gar nicht so richtig gemerkt. Da dachte ich zum ersten mal, dass er in Stresssituationen (damals war alles Stress für ihn) in seiner eigenen kleinen Welt verschwindet und nix mehr wahrnimmt. Auch keinen Schmerz. Er hat sich mit einer Ausdauer und Intensität dieses Metall vor den Kopf gehauen, das war schon schlimm anzusehen.


  • In Zukunft werd ich das auch lassen :smile: Es sind ja doch alle der Meinung, dass das nicht die beste Idee ist. Weitergehen war anfangs tatsächlich nicht so leicht. Man kann sich einfach nicht vorstellen, was für ein Theater er an der Leine gemacht hat. Da hielt ich hinsetzen und mit ihm reden für eine gute Idee. Einfach um Ruhe in die Situation zu bringen. Erstaunlicherweise bleibe ich in solchen Situationen ziemlich ruhig. Soll heißen, ich gerate nich in Panik sobald ich nen anderen Hund sehe. Ich suche nicht hektisch nach dem Busch, in dem wir uns verstecken können. Ich versuche so zu tun als sei gar nix los. Und wenn er ausrastet, dann rastet er halt aus. Anfangs war mir das noch peinlich. Mittlerweile nicht mehr. Ich hab so viele blöse Blicke abbekommen, wurde als Tierquäler beschimpft etc. Darüber bin einfach hinweg, deswegen bleibe ich mittlerweile echt total gelassen. Das allein hilft ihm auch schon sehr.

  • Ich fürchte, das siehst du richtig: Er hat - mit der terrier(jagdhunde?)typischen Schmerzunempfindlichkeit unter Streß - einfach auf traurige Weise gelernt, sich, wenn er nicht mehr kann, ohne Rücksicht auf Verluste abzureagieren. Hauptsache, irgendein Ventil, egal, wie weh das tut. Das hat er unter dem Leidensdruck wohl wirklich nicht mehr gespürt.


    Gemessen an einer so elenden Verbindung von Rasseeigenschaften und Vorgeschichte habt ihr aber andererseits in kurzer Zeit ganz enorme Fortschritte gemacht. Heißt also, daß Foxi immer noch sehr flexibel und lernfähig ist, insofern kann ich mir gut vorstellen, daß der Rest auch noch zu schaffen ist. Zumindest soweit, daß er sich zum Abreagieren was anderes schnappt als dich - einen anzupöbelnden Erzfeind braucht, glaube ich, jeder Rüde, der auf sich hält...*g*

  • Zitat

    Ich fürchte, das siehst du richtig: Er hat - mit der terrier(jagdhunde?)typischen Schmerzunempfindlichkeit unter Streß - einfach auf traurige Weise gelernt, sich, wenn er nicht mehr kann, ohne Rücksicht auf Verluste abzureagieren. Hauptsache, irgendein Ventil, egal, wie weh das tut. Das hat er unter dem Leidensdruck wohl wirklich nicht mehr gespürt.


    Gemessen an einer so elenden Verbindung von Rasseeigenschaften und Vorgeschichte habt ihr aber andererseits in kurzer Zeit ganz enorme Fortschritte gemacht. Heißt also, daß Foxi immer noch sehr flexibel und lernfähig ist, insofern kann ich mir gut vorstellen, daß der Rest auch noch zu schaffen ist. Zumindest soweit, daß er sich zum Abreagieren was anderes schnappt als dich - einen anzupöbelnden Erzfeind braucht, glaube ich, jeder Rüde, der auf sich hält...*g*


    Enorme Fortschritte hat Foxi wirklich gemacht. Deshalb schaffen wir das jetzt auch noch. Er darf seinen Erzfeind auch gerne behalten :smile: Und er darf auch ruhig mal in die Leine beißen, wenn ihn was stresst. Aber er muss ansprechbar bleiben, darf nicht völlig die Kontrolle verlieren. Und vorallem darf das natürlich nicht gegen mich gehen.


    Wenn ich ihm was weg nehme, dann schnappt er gerne nach, in der Hoffnung er kommt doch noch dran. In dem Moment schnappt er mir auch in die Hand. Nicht gezielt in die Hand, er will dann einfach nur HABEN HABEN HABEN ohne nachzudenken. Dieses schnappen tut auch nicht weh, es ist eher so ein Hand ins Maul nehmen als wirkliches schnappen. Aber in dem Moment ist er dann einfach rücksichtlos. Wobei ich in diesen Situationen nicht wirklich ein Problem sehen, sowas lässt sich ja gut üben. Aber es zeigt halt einfach, wie er tickt. Er ist situationsbedingt sehr impulsiv und stürmisch.

  • Bei uns liegt das Problem meiner Einschätzung nach in einer schlechten Prägephase, die Titus recht unsicher im Umgang mit anderen Hunden gemacht hat, zudem ist er auf der Hundewiese (wo wir mittlerweile gar nicht mehr hingehen, weil er dort selbst auch "ausfällig" gegenüber anderen Rüden wurde, ich schätze es ist einfach zu stressig für ihn gewesen) öfter bedrängt worden, wir konnten ihn dabei schlecht beschützen: zum einen suchte er dabei nicht unsere Nähe, zum anderen sind die anderen HuHa ihren eigenen Hunden einfach nicht hinterher gekommen bzw. lassen die einfach machen - und meine "Wegschickversuche" waren nicht so von Erfolg geprägt. Nun hat er schon mal so das Verhalten "Angriff ist die beste Verteidigung", besonders bei kleineren Rüden.... Daran arbeiten wir ja dann mit der Trainerin - wie sollen wir uns verhalten, wie lernt der Titzimann, dass wir entscheiden, mit welchem Hund er Kontakt aufnehmen kann., etc.pp.
    Dazu kommt, dass er sich bei Hundesichtungen oft hinlegt oder -setzt und keinen Millimeter mehr zu bewegen ist. Dabei fixiert er nicht grundsätzlich den anderen Hund (manchmal schon), aber das Problem ist, dass ich ihn ja nicht einfach hinter mir herschleifen kann, oder???? Ich versuche, falls er fixiert, mich vor ihn zu stellen und ihn vom Fixieren abzuhalten. Generell wäre es mir aber total lieb, wenn er einen sichereren Umgang mit anderen Hunden erlernen könnte. Er flüchtet sich übrigens nach dem Abchecken durch andere Hunde oft in Spielaufforderungen als Übersprungshandlung... aber auch darauf stehen nicht alle, weil er dabei halt dann Labbi-mäßig "rumspackt" :roll:
    Ich bin gespannt, ob und wenn ja, wie uns die Trainerin dabei helfen kann.


    Viele Grüße,
    Annika

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