
Gedanken zu den Grenzen der Erziehung
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Gast27456 -
18. April 2010 um 08:40
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Durch meine zeitweise verquerte Ansicht und meine überhöhten Ansprüche an mich und meinen Hund, sind mir folgende Gedanken durch den Kopf gegangen:
Wer kennt das nicht? Der Wunsch nach einem Hund ist da, die zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten zur Hundehaltung sind auch vorhanden. Im Vorfeld macht man sich Gedanken über die Rasse bzw den Mix den man gerne haben möchte, was man von seinem Hund erwartet und man denkt darüber nach, was man mit dem Hund zusammen gerne machen möchte. So war es auch bei mir. Ich bin ein großer Aussie Fan und wollte gerne mit meinem zukünftigen Hund dogfrisbee spielen, ich wollte einen Hund, den ich möglichst viel ohne Leine laufen lassen kann, den ich quasi überall mit hin nehmen kann, der freundlich ist und sich ohne große Auffälligkeiten verhält.
Doch schon nach einigen Monaten (da war er so 8-9 Monate) stellte sich heraus: Ich hatte doch tatsächliche einen Aussie, der alles mitbekommen hat, was einen „richtigen“ Aussie ausmacht: Er hat einen ausgeprägten Schutztrieb, Fremden (Menschen und Hunden) stand er sehr misstrauisch gegenüber, Aggressionspotential war durch aus vorhanden und auch den Hütetrieb, der sich bei ihm darin äußert, dass er auf so ziemlich jede Bewegung reagiert, lässt sich nicht verleugnen. Diese Eigenschaften, gepaart mit einer gehörigen Portion Unsicherheit, machten diesen Hund für mich zu einem Fass Dynamit an der Leine.
Nach dem Wechsel zu einer anderen Hundeschule, in der ich zunächst lernte, meinen Hund besser zu verstehen und ihm auch durchaus mal Grenzen zu setzen, wurde in den letzten 6 Monaten einiges sehr viel besser: Er pöbelt nur noch an schlechten Tagen, verbellt keine Menschen und Radfahrer mehr (jagen würde er sie immer noch), kann kontrolliert frei laufen und lässt sich aus den meisten Situationen gut abrufen.Für mich stellt sich aber immer wieder die Frage, was verlangen wir überhaupt alles von unseren Hunden? Sie sollen immer freundlich zu allem und jedem sein, sich am besten von jedermann streicheln lassen, möglichst wenig Krach machen (bellen), nicht jagen, mit Kindern spielen, sich mit jedem Artgenossen verstehen und spielen etc.
Ich habe immer mehr den Eindruck, dass ich von meinem Hund zeitweise Unmögliches verlangt habe, weil es eben unserem Bild des gesellschaftsfähigen Hundes entspricht.
Mittlerweile versuche ich immer mehr, meinen Hund so zu akzeptieren wie er eben ist: Er wird niemals zu einem souveränen, in sich ruhenden Hund, der mit allem und jedem spielen möchte. Er mag nun mal nicht von Fremden angefasst werden, also verhindere ich das. Er mag es nicht, wenn fremde Hunde auf ihn zu stürmen, also bin wieder ich gefragt, um ihm in dieser Situation zu „helfen“. Er wird kein Hund für die Hundewiese, da ist er überfordert und reagiert durchaus auch aggressiv. Den Wunsch, mit ihm Frisbee zu spielen habe ich mittlerweile auch aufgegeben, weil es das Beutefangverhalten nur steigert.
Ich habe so viel mit ihm erreicht, obwohl ich das zeitweise selber nicht gedacht habe. Aber ich denke, man muss immer daran denken, dass Erziehung auch eben ihre Grenzen hat, bestimmte Eigenschaften gehören eben zum Hund, man macht aus einem lebenden Wesen kein freundliches Stofftier.
Eigentlich wollte ich gar nicht so viel schreiben und es ging mir eigentlich nur darum, mal aufzuzeigen, dass man mit Erziehung sehr, sehr viel erreichen kann, aber dass Erziehung auch ihre Grenzen hat und man diese auch akzeptieren sollte. Klar, darf mein Hund auch niemanden belästigen oder gar schaden! Aber wir sollten von unseren Hunden auch nicht das Unmögliche verlangen und ihnen alles ab erziehen wollten, was einen Hund eigentlich ausmacht und ihm alles das verbieten und zu unterdrücken, was er rassebedingt auch mitbringt. -
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Aus dem Grund bin ich einer der pöööhsen HH hier ;D Meine müssen nicht jeden anderen Hund toll finden (haben ihn aber bitte nicht zu zerlegen!), dürfen anschlagen und ihr Revier verteidigen (solange sie aufhören, wenn ich es möchte), dürfen fremde Menschen doof finden (Pepper liebt jeden Menschen, solange er nicht mit ihr Gassi gehen will
Lee hingegen kann auf andere Menschen verzichten), usw.
Wir sind recht ignorant wenn es um "der muß nur mal hallo sagen/der will nur mal kurz spielen" (also um andere Hunde) und andere Menschen geht.Meine Hunde haben andere Lebewesen in Ruhe zu lassen und das war's auch schon. Finden die meisten anderen HH sehr doof
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Darüber mache ich mir auch manchmal so meine Gedanken. Eigentlich ist Jeppe in fast allen Belangen so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ich kann mit ihm joggen, Radfahren, Turnierhundesport machen, er ist für jeden Spaß zu haben. Allerdings ist er nicht so ein Hund, der jeden anderen Hund toll findet. Das heißt nicht, dass er auf andere Hunde losgeht, aber gerade wenn jüngere, aber größere Rüden unkontrolloiert auf ihn zurasen und nicht akzeptieren, dass er das nicht mag, knurrt und schnappt er auch schonmal in die Luft (er hat wirklich nie einen Hund gebissen!). Darüber sind viele HH erschrocken, weil sie von ihrem Hund erwarten, dass er jeden Hund liebt und wenn ein Hund das nicht tut, ist er schlecht sozialisiert. Jeppe ist nicht schlecht sozialisiert, sonst könnten wir kaum auf dem Hundeplatz mit noch 12 anderen Hunden trainieren, mit denen er sich versteht oder gemütlich spazierengehen und zwar ohne Angst, dass er einen Hund angreift. Aber warum er jeden Hund toll finden muss, ist mir ein Rätsel, ich muss ja auch nicht jeden mögen und gehe Leuten aus dem Weg, die ich nicht mag. Klar, auch ich hatte mal die Vorstellung, wenn man einen Hund gut sozialisiert, dann spielt er mit jedem. Die Vorstellung habe ich aufgegeben. Jeppe kommt mit fast jedem klar und wenn er einen nicht mag, dann eben nicht! Man muss einfach immer mal wieder überlegen, welches Verhalten typisch für einen Hund ist und welches wir von ihm erwarten.
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Hi
Mein Aussie hat mich das gleiche gelehrt.
Er wird bald 13 Jahre, aber ich musste sehr früh die gleichen Erfahrungen machen wie du.
Erziehung hat vieles in tragbare Bahnen gelenkt, aber seine Persönlichkeit wurde dadurch nicht geändert.Starker Schutztrieb, Mistrauen gegen Fremde, Selbstbewußtsein und gehöriges Aggressionspotential machten es schwer für mich. Bis ich diese Wesenszüge akzeptiert habe. Die gehen auch mit noch so viel Training nicht weg. Aber man kann sie händeln wenn man sie akzeptiert.
Seit dem geht es gut. Denn gleichzeitig sind derart klasse Wesenszüge vorhanden das ich manchmal staune.
Ich kann ich von fast allem abrufen, (ok...aus ner laufenden Rauferei nicht so) fast kein Jagdtrieb vorhanden, absolut kinderfest, lernt alles ruck zuck.......was will ich überhaupt? Einen perfekten Hund?Heute kommt es mir manchmal so vor als ob erwartet wird das jeder Hund zum perfekten alles-immer-überallhin Begleiter wird. Muss nur gut erzogen sein. Erziehung macht alles möglich. Aber es gibt doch nicht nur pflegeleicht Gesellschaftshunde!
Gott sei Dank hat jeder Hund noch eine eigenständige Persönlichkeit.
Manche Hunde zeigen uns die Grenzen eben etwas nachdrücklicher als andere.SlyJeanny.........das Wort Unsicherheit kannst du wahrscheinlich in Hinblick auf deinen Aussie vergessen.
Das wird andauernd gepredigt wenn ein Hund pöbelt. Scheint nicht modern zu sein das Pöbelei auch ohne Unsicherheit möglich ist.
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Zitat
Hi
SlyJeanny.........das Wort Unsicherheit kannst du wahrscheinlich in Hinblick auf deinen Aussie vergessen.
Das wird andauernd gepredigt wenn ein Hund pöbelt. Scheint nicht modern zu sein das Pöbelei auch ohne Unsicherheit möglich ist.
Nee, das ist mir von mehreren -auch sehr "renommierten"- Experten wie z.B. Günther Bloch bestätigt worden, dass mein Hund kein Held ist. Ich benutze die Unsicherheit aber nicht als Entschuldigung für pöbeliges Verhalten. Es zeigt sich auch z.B. darin, dass er um "Gefahren" wie z.B. laut gestikulierende Menschen einen großen Bogen macht oder ganz dicht mit tiefer Rute neben/ hinter mit läuft, weit weg von der Gefahr.
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Tja Sly, mein Problem ist ja auch ein Aussie. Und auch meine hohen Ansprüche.
Ich möchte meinen Hunden weder den Charakterm noch die Persönlichkeit oder rassespefifische Merkmale nehmen, trotzdem verlange ich viel von ihnen. Nein, eigentlich ist es nicht viel. Für mich gehört es dazu, ob Mensch ob Hund- wir müssen uns der Umwelt anpassen, wenn wirs im Leben leichter haben wollen. Ob zwischen meinem Chef und mir, meinen Hunden und mir oder meinem Partner und mir, Freunden und mir- es muss einfach Respekt und Vertrauen da sein, das ist die Grundlage.
Und wenn ich verlange, dass mein Hund andere Hunde/ Postboten/ Rehe ignoriert und mir zugehörig und aufmerksam ist, ist das sicher für viele Hunde schwierig, für manche ganz leicht. Aber wir müssen doch alle schwieriges und leichtes im Leben bewältigen. Man wächst mit seinen Aufgaben.
Ja, ich verlange viel, aber ich gebe ihnen auch viel. Viel mehr als manch anderer Hund auf dieser Welt.
Wobei, was heisst schon "viel verlangen"? Eigentlich ist es nicht viel.
Ich nehm ihm die Freiheit, das ich was, was mir wirklich leid tut für ihn. Das ist aber nicht änderbar in unserem Land. -
flygoodspeed
Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen: Natürlich "verlange" ich von meinem Hund auch, dass er niemanden belästigt oder gar beschädigt! Es geht mir nur darum, mal darüber nach zu denken, ob man nicht manche Sachen auch einfach akzeptieren muß, weil sie nun mal den Charakter eines Hundes ausmachen, wie z.B., dass ich aus meinem Hund keinen souveränen, emotional stabilen Hund machen kann, egal wie ich ihn erziehe. Aber ich kann erreichen, dass er sich in unserer Umwelt so bewegen kann, dass er die größtmögliche Freiheit haben kann, ohne, dass er andere belästigt.Ich habe in letzter Zeit so viel gehört, wie z.B. mein Hund soll nicht so viel bellen, ja es ist aber nun mal ein Hund und bellen gehört dazu (damit meine ich jetzt auch nicht das stundenlange Extremkläffen, sondern ganz normales Bellverhalten wird schon als störend angesehen), Hunde MÜSSEN sich von jedem anfassen/streicheln lassen (das werde ich bei meinem Hund nie erreichen, muss meiner Ansicht nach auch nicht sein) sowas meinte ich. Oder der Beagle, der nun mal mit seiner Nase am Boden "lebt", soll man dem die Nase amputieren? Oder der Hund, der nie gelernt hat, Frust zu ertragen, der vor Monaten noch den ganzen Wald zusammengeschrien hat, wenn man ihn mal wo angebunden, der jetzt nur noch ab und an leise "motzt" in diesen Situationen, soll man dem die Stimmbändern durchtrennen? Damit diese Hunde so "funktionieren" wie man sich das so vorgestellt hat?
Man kann sich doch auch über das freuen, was man schon erreicht hat.
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Oh ja, das kenne ich auch. Die hohen Ansprüche...
Bevor ich meinen Hund geholt habe hatte ich mir so schön ausgemalt das sie lieb und nett zu allen ist, super hört ohne Leine und ich sie überall hin mitnehmen kann. Natürlich war ich auch bereit dafür sehr viel zu tun.
Als Welpi dann mit 8 Wochen bei mir einzog (kommt ursprünglich aus einem polnischen Tierheim) war erstmal Stress angesagt. Hundi wollte partou nicht raus, nicht an fremden Menschen vorbei gehen und sich schon gar nicht von ihnen anfassen lassen. Sie freute sich am Anfang so gut wie nie. Auch war sie nicht verspielt und generell sehr unsicher und teilweise schreckhaft. Dann kam irgendwann hinzu das sie fremde Menschen verbellte, zu Hause sogar knurrend ansprang wenn diese mich begrüßten (allerdings hat sie noch nie geschnappt). Auch fremde Hunde, vor denen sie eigentlich Angst hatte, wurden plötzlich an der Leine verbellt. Man hatte ich Sorgen. Und der Hund entsprach so gar nicht meinem Bild. ABER mit viel Geduld und kontinuierlichem Training habe ich heute einen ganz passablen Begleiter. Sie verbellt keine Fremden mehr, keine Hunde, zeigt unter Hunden ein top Sozialverhalten, zu Hause kommt sie auf ihre Decke wenn Besuch kommt, wenn wir bei anderen zu Besuch sind bekommt sie auch einen festen Platz. Ich kann sie mittlerweile überall mit hin nehmen. Aber das war echt harte Arbeit. Auch ihr das Spielen beizubringen ist nach wie vor harte Arbeit. Aber es wird immer besser.
Sie ist heute genau 13 Monate und wird sicher nie so perfekt wie der Hund meiner Träume. Aber ich arbeite weiter daran. Das finde ich auch nicht verwerflich. Denn der Hund muss in mein Leben passen. Ich wohne (leider) nicht auf einer einsamen Farm wo weit und breit nichts als Wiesen und Wälder sind. Dort könnte der Hund sicher Hund sein, hier inder Stadt muss er sich eben an Regeln halten und kann nur kontrolliert Hund sein. Das finde ich zwar manches Mal bedauerlich, aber ich versuche ihm dennoch ein so schönes und hundgerechtes Leben zu ermöglichen wie es eben geht. Mehr kann ich nicht machen. Und ich denke je besser die Erziehung, desto größer die Freiheit.
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Ich finde ich kann einen Hund erziehen ohne ihn zu brechen.
Und ganz wichtig ist es auch mal in den Rückspiegel zu schauen, was man schon alles erreicht hat!!!
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Ich kann die Gedankengänge gut nachvollziehen. Es ist schon eine ganze Menge, was ein Hund hier im dicht besiedelten Deutschland leisten muss, was da von ihm erwartet wird. Viele Menschen (Hunde- und nicht Hundehalter) scheinen da in zwei Kategorien einzuteilen: da gibt es das Idealbild des "guten" Hundes, der frisch aus Disney-World entsprungen scheint, Nerven wie Drahtseile und ewig verspielter Welpe in einem. Und halt die anderen Hunde, die „bösen“ Hunde.
In Filmen, Serien, Werbung, Züchterpräsentationen (!)… wird es einem ja auch immer wieder so vorgegaukelt. Der Hund als Seelentröster, als bester Freund, als Sportpartner, als unglaublich treu und lieb und seinem Menschen ergeben. Und ich vermute, so ein wenig haben eben auch viele (Neu-) Hundehalter eben dieses Bild im Hinterkopf. Wenn der Hund gut sozialisiert ist, man selbst ein gutes Herrchen/Frauchen und der Hund „normal“ ist, dann sollte man dieses Idealbild doch locker erreichen können. Und wenn der Hund Artgenossen nicht superklasse-spielen! findet oder Mißtrauen Fremden gegenüber hat, bellfreudig ist, territorial ist, Wachtrieb hat, Jagdtrieb hat oder um den Wert von Ressourcen weiß, dann ist der Halter in vielen Augen inkompetent oder der Hund halt „schlecht/böse“. Als wäre ein Hund so eine Art Steiff-Tier mit Spiel- und Knuddel-Funktion.Aber ich kenne es auch von mir, die überhöhten Ansprüche. Ich kann mit Agressionsverhalten recht schwer umgehen, zumindest bei Lucy. Ich war heute auch wieder an dem Punkt: was will ich eigentlich noch? Sie ist alltagstauglich, hört, ist nervenstark, menschenfreundlich, könnte tatsächlich überall ohne Leine laufen, ist verspielt, verschmust… annähernd Steiff-Tier Niveau
. Bloß dass sie fremden großen Artgenossen kaum etwas abgewinnen kann und dies zur Not auch deutlich macht, wenn da was ungestümes auf sie zugerast kommt. Und immer wieder habe ich versucht den Grund zu finden, sie umzukrempeln, geht doch nicht… Und nun scheine ich wirklich langsam akzeptieren zu können. Und lief nun zwei Tage durch hundereiche Gegend und das entspannt. Manchmal habe ich wirklich ein Brett vor dem Kopf :/
Das interessante ist, bei Grisu hatte ich diese Probleme so nie. Er war derjenige, der viel länger gebraucht hat, um stadttauglich zu werden, er hat Wachtrieb, er hat mal das pöbeln ausprobiert, mal Raufereien gehabt, hat als Junghund viel ausgetestet und war definitiv schwerer zu erziehen und selbständiger, als Lucy. Bei ihm habe ich es irgendwie so erwartet, eher noch dramatischer…
So nach dem Motto: er ist halt ein Aussie, ist ein Rüde, ist halt ein Hund.
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