Wir reihen uns auch mal mit ein.
Carlo hat früher auf alles reagiert, was am Horizont aufgetaucht ist, und irgendwie nach Lebewesen ausgesehen hat. Andere Hunde, Menschen, Radfahrer, Autos, Plastiktüten im Wind - alles. In seinem Tunnel dreht er sich auch schnell um und würde in Beine und Arme beißen - was er halt gerade so erwischt.
Die Motivation hinter dem Verhalten hat je nach Tag/Trigger/Mondphase variiert, von echter Aggression über Schutz- und Territorialverhalten bis zu Angst und Unsicherheit.
Unsere wichtigsten Werkzeuge waren Click für Blick, Zeigen und Benennen, deeskalierendes Sitz und natürlich alles an Management wie Abstand, umdrehen, andere Zeiten für Spaziergänge, sicheres und bequemes Equipment für Hund und Mensch.
Was bei uns nicht funktioniert, ist ablenken und vorbeigehen - so gut kann meine Ablenkung nicht sein, dass Carlo nicht auf Höhe des Triggers doch ausrastet. Überhaupt ist in-Bewegung-bleiben für Carlo sehr, sehr schwierig - egal, ob wir auf den Auslöser zu gehen oder uns weg bewegen. Besser ist seitlich ausweichen, absitzen und Carlo gucken lassen. Er braucht Zeit, um Dinge zu bewerten und in seine Schubladen einzusortieren. Ich achte darauf, dass er nicht ins Fixieren fällt und immer wieder den Blick abwendet, aber so kommen wir am Besten durch Begegnungen - selbst wenn wir angepöbelt werden.
Wir haben früher wöchtenlich auch an Social Walks teilgenommen, aber mehr um die Werkzeuge noch mit Ablenkung zu üben, als dass Carlo daraus hätte ableiten können, dass Hunde ja gar nicht so schlimm sind. Dass ein Social Walk nicht das echte Leben ist, hatte er schnell raus.
Spaziergänge mit anderen DF-Hunden helfen uns da gerade noch viel mehr, der direkte Kontakt, das Ausprobieren und auch mal Grenzen von Hundefreunden gesetzt zu bekommen, hat Carlo enorm weiter gebracht.
Meine Einstellung war auch ein wichtiger Punkt - haben hier ja auch schon viele angemerkt. Seit ich nicht mehr mit "Ohgottohgott ein XYZ, hoffentlich kommen wir da gut durch" an die Sache ran gehe, ists viiiiel einfacher geworden.
Wütend werden darf ich halt nicht - das ist nur Öl in Carlos Feuer. Ich darf weder vom Auslöser noch von Carlo genervt sein, sonst eskaliert alles noch viel mehr. Und eine "Ansage" machen, würde bei uns nur nach hinten los gehen - im schlimmsten Fall werd dann halt ich angegangen, brauch ich nicht, lieber den inneren Buddha pflegen und lächeln, lächeln, lächeln *oooooomm*
Dank Spirelli hab ich im Mai 2020 angefangen, alle Hundebegegnungen zu tracken und eine Statistik darüber zu führen. Nicht lachen, mir hat das nochmal wirklich deutlich geholfen. Denn plötzlich hab ich gesehen, dass es ja doch voran geht, dass wir uns im Schnitt ja doch immer einfacher durch Hundebegegnungen bewegen und mein Fokus ging weg von den schlimmen Begegnungen hin zu den ganzen Guten. Und bei früher um die 60 Hundebegegnungen pro Woche waren da doch viele gute dabei
Mittlerweile sind nicht-lebendige Dinge gar kein Problem mehr, Radfahrer und Autos meist auch keine (außer wenn sie uns Nachts mit Licht entgegen kommen, da wird noch ab und an reagiert, wenn zu wenig Platz zum Ausweichen da ist).
An Menschen können wir an guten Tagen im Abstand von 2m vorbei, an schlechten Tagen weiche ich lieber großzügig aus.
Bei Hunden kommts drauf an - manche können wir im Abstand von 5m vorbei ziehen lassen, bei anderen reicht die Mitte vom Feld noch nicht aus, damit Carlo entspannt bleibt. Aber hier im Dorf kennt man uns und wir kennen die anderen Hundebesitzer, deshalb gibts eigentlich kaum noch Probleme direkt in den Begegnungen.
Unser großes Problem ist jetzt nur noch nach der Begegnung.
Selbst den Erzfeind können wir ganz gut vorbei lassen, aber sobald wir in seine Spur kommen, explodiert Carlo gerne. Er bringt das irgendwie nicht so richtig zusammen, also dass der Hund, der gerade vorbei gegangen ist, und der Geruch, der da noch hängt, zusammen gehören...