Mal an andere hier im Thread gefragt: Wie bekommt man mehr emotionale Distanz, wenn man immer wieder sieht, wie der Hund völlig kippt?
Viel wirklich Gutes wurde ja schon gesagt.
Mach Dir klar, dass alles erlaubt ist, was Euch gut tut und der Umwelt nicht schadet. Ich versuche bei schwierigen Hunden eine für das einzelne Individuum stimmige Balance zwischen Ruhe / Erholung und körperlicher Auslastung zu finden.
Körperliche Auslastung ist bei (ansonsten gesunden) Hunden dennoch extrem wichtig. Das kann von Rennen am Rad, über Schwimmen bis zum Joggen oder einem Laufband gehen. Hauptsache, die Bewegung ist relativ monoton und gleichmässig und fordert den Körper, nicht aber den Geist. Letzterer ist schliesslich schon genug beansprucht.
Das kann z.B. bedeuten, dass ich - bis ein gewisser Trainingsstand erreicht ist, der ein Management möglich macht - mit manchen Hunden nur sehr selten und gezielt Garten und Wohnung verlasse, sie aber ab und zu doch vors Fahrrad spanne und wir einen Höllenritt durch die Gegend machen, damit sie mal Dampf ablassen, ihren Körper spüren und laufen können. Viele kommen dabei in so einen Tunnel, dass sie die Umgebung gar nicht mehr richtig wahrnehmen und sich endlich einmal ohne grössere Sorgen einfach verausgaben können. Die sind zuhause dann merklich ruhiger und kommen dadurch endlich einmal richtig runter. Manche Hunde profitieren aber gar nicht davon, manchmal hilft da ein Laufband.
Wichtiger als alles andere jedoch ist es, dass ich auf mich selbst achte. Ich setze vor allem auf Prävention und nehme mir ganz bewusst und regelmässig Auszeiten von den schwierigen Hunden. Ich verbiete mir in diesen Momenten aktiv, irgendwelchen Schuldgefühle nachzugeben, weil die Hunde jetzt alleine zuhause oder in einer Pension sitzen - denn nur wenn es mir selber gut geht, kann ich weiterhin für diese Hunde sorgen. Ich arbeite von Anfang an ganz stark daran, dass meine 'Sorgenhunde' alleine bleiben und von anderen (sehr ausgewählten Personen) ebenfalls gehändelt werden können.
Konkret in schwierigen Momenten:
1) Management: ich versuche das Umfeld des Hundes bestmöglich zu managen. Kann ich das nicht, gehe ich - wenn irgendwie möglich - nicht dahin, bzw. verlasse den Ort sofort.
2) Prävention: Wenige, aber starke Verhalten über klassische Konditionierung bis zur absoluten Zuverlässigkeit auftrainieren: ich verbringe sehr viel Zeit mit Training in einem stressfreien Umfeld und steigere die Schwierigkeit nach und nach indem ich mit immer stärker ablenkenden Triggern arbeite. Auch das braucht aber viel vorausschauende Planung. Dabei konditioniere ich ein paar Verhaltensweisen so auf, dass sie möglichst bombenfest abrufbar sind. Darunter fallen (je nachdem, worauf der Hund anspringt und mir persönlich gut liegt): fokussier Dich auf den Keks in meiner Hand / friss bzw. such den Keks, was auch immer um Dich herum geschieht; vergiss alles um Dich herum, wenn das heilige Spielzeug erscheint; lass mich Deine Augen oder Ohren verdecken / Dich umdrehen und vertrau darauf, dass der 'böse' Reiz danach weg oder in akzeptabler Distanz ist; renn mit mir mit, wenn ich weglaufe; gib Druck an Leine / Geschirr / Halsband immer nach; konzentrier Dich auf mich, das lohnt sich immer; etc.
3) Versuchen, vergangene schlecht gelaufene Situationen objektiv und nicht emotional zu bewerten und für die Zukunft zu lernen. Was hätte der Hund gebraucht? Was hätte ich besser machen können? Schuldzuweisungen haben im Training nichts verloren. Wer 'Schuld' sucht, rückt den Blick in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft. Ich arbeite Vergangenes auf, richte meinen Blick aber ganz bewusst in die Zukunft: wo wollen wir hin? Was wollen wir in welchem (realistischen) Zeitrahmen verbessern oder erreichen?
4) Vorgefallenes aufschreiben: das hilft, das Vorgefallene zu verarbeiten, die eigene Perspektive objektiver zu betrachten und kann auch im Rückblick helfen, zu sehen, was bereits besser läuft (oder wo sich z.B. seit 6 Monaten nichts verändert hat und man sein Training / Handling / Management also anpassen muss).
Und: bei uns ja noch verpönt, aber manchmal doch sinnvoll kann es sein, den Hund zumindest für eine gewisse Zeit lang mit Medikamenten zu unterstützen. Dabei hilft ein guter Verhaltenstierarzt.