Ich hab davon nicht viel, aber könnte einfach besser damit arbeiten wenn ich weis wieso und weshalb er was tatsächlich macht. Wenn ich weis er macht es weil ihn die Tiere so stressen ja dann ist da halt eher die Überlegung ob er nicht doch ausziehen muss, wenn sich das nicht legt. Wenn er markiert weil er dominiert dann würde ich halt mehr mit regeln usw arbeiten und ihn da auch mehr vom hohen Roß runterholen (regeln gibt es schon aber dann wären die halt nochmal strenger), wenn er alles aus Unsicherheit macht dann würde ich ihm einfach mehr Sicherheit geben und für ihn da sein in den Situationen die für ihn schwer sind. Daher ist es so schwierig weil er immer bisschen anders ist aber das muss ich dann noch raus finden.
Schau, wir können hier alle nur mit der Kristallkugel arbeiten, weil wir weder den Hund, noch Dich oder die Situation kennen. Selbst Videos sind einfach eine Momentaufnahme, die entweder repräsentativ oder aber auch völlig untypisch sein können.
'Wieso' Lui das Verhalten zeigt, das er da zeigt, wird Dir niemand mit Bestimmtheit sagen können. Nach wie vor kommen gesundheitliche, verhaltenstechnische oder persönlichkeitsgesteuerte Faktoren - oder alles zusammen - infrage.
Was ich Dir aber gerne nehmen würde, ist die Illusion, ein 'dominanter' Hund müsse sich dauernd wie der Obermacker aufspielen. Das ist eher etwas Äffisches, weshalb wir Menschen auch schnell dazu tendieren, diese Art von Verhalten sofort in eine gewisse Schublade zu stecken. Auch äffisches Prollverhalten hat übrigens nichts mit Dominanz, sondern eher mit Macht und Status zu tun. Hunde ticken da etwas anders und ich denke, Hundeverhalten in Bezug auf Ressourcen zu betrachten, ist sehr viel sinnvoller. Welche Ressource(n) möchte Lui denn für sich beanspruchen oder schützen?
Auf den ersten Blick scheint sein Urinierverhalten ja wahllos zu wirken, auf den zweiten geht es wahrscheinlich eher darum, sich in seiner Unsicherheit und Orientierungslosigkeit einen 'sicheren Hafen' zu gestalten, in dem er - in dieser Welt, in der er ja offenbar nichts kontrollieren kann - irgendwie doch selbstwirksam in Erscheinung treten kann.
Hunde, das brauche ich hier niemandem zu erzählen, sind Nasentiere. Das, was dieser Hund gerade als einziges 'im Griff' hat, ist wie seine Umgebung riecht. Das gibt Sicherheit. In einer Welt, in der er dauernd hin- und hergeschoben wird und neue, offensichtlich ziemlich provisorische 'Zuhause' erhält, in der sich die Menschen um ihn herum und ihre Regeln dauernd verändern ist das einzige, was er unter Kontrolle hat, eben der Geruch seines unmittelbaren Wirkungskreises.
Kann sein, dass er sich damit arrangiert hat und er ansonsten ein fröhlicher, 'sicherer' Hund ist. Das wäre für seine psychische Gesundheit die beste Option. Blöd ist das aber für die Menschen um ihn herum, die sich damit abfinden müssen, dass sie einen Hund haben, der dieses Verhalten zeigt (und zu seinem Seelenheil braucht!) um sich in seiner Umgebung wohl zu fühlen. Mit Weltherrschaftsansprüchen hat das wohl eher weniger zu tun. Falls meine Kristallkugel hier nicht daneben greift - was natürlich immer noch der Fall sein kann - ist so ein Verhalten eher vergleichbar mit einem Kleinkind, das sein Plüschtier überall hinschleppen möchte, weil dieses immer zuverlässig anwesend ist und sich in dieser ansonsten unkontrollierbaren, grossen Welt nicht plötzlich unerwartet verhält. Ich lese aus Deinen Texten also eher ein (mehr oder weniger) verzweifeltes Komfortverhalten dieses Hundes heraus als eine unbändige Dominierungslust. Er zeigt sein Verhalten zum Vorteil für sich selber - es richtet sich also nicht primär gegen andere. Derartige Berechnung traue ich Hunden eher weniger zu.
Abgesehen davon, dass ich mit einem (oder waren es gleich zwei?) Trainer, der grundsätzlich so locker mit dem Dominanzbegriff hantiert, nicht länger zusammenarbeiten wollen würde, ist kein Hund in jeder Situation dominant. Dominanz ist - wenn überhaupt - situativ zu verstehen und kein dauerhafter Charakterzug. Durchsetzungswille und -vermögen sowie mehr oder weniger ausgeprägte Ressourcenaffinität gewissen Dingen oder Situationen gegenüber, ja. Dominanz nicht.