Beiträge von Wandelroeschen

    Weil's gerade im Beitrag von corrier (Danke für die schönen Bilder und die spannenden Einblicke! :smiling_face_with_hearts: ) aufkam:

    Hüten Eure Hunde die Hühner? Meine Hüter sind - obwohl ziemlich schaferprobt und dort durchaus nicht unbegabt - Hühnern gegenüber ja völlig gleichgültig.

    Einer, hingegen, 'hütet' Wachteln, obwohl die überhaupt nicht darauf reagieren und könnte sich dabei über Stunden geistig auch völlig abschiessen. Seiner Meinung nach 'sinnbefreite' Befehle, die nicht in den Hütebereich gehören, ignoriert er völlig, Kommandos, die er von Schafen kennt, setzt er sofort um, selbst wenn's ein 'Kannst aufhören' ist. Er hat keinerlei Tendenzen zum Zupacken (abgesehen davon, dass ich sowas sowieso nur unter sehr, sehr kontrollierten Umständen und in sehr seltenen Fällen mal laufen lasse), guckt da aber viel, viel mehr als bei Schafen, wo er Druck - rassetypisch - eher über die Stimme regelt, weil's halt kein Border ist. Bei Meeris und Wachteln passt er seinen Stil aber an, duckt sich viel mehr, wird grundsätzlich feiner und regelt Druck plötzlich ausschliesslich übers Auge.

    Ich führe das darauf zurück, dass er als jugendlicher, noch sehr beeinflussbarer Knirps mal eine Weile bei Leuten war, die Meerschweinchen hielten und er da auf den Trichter kam, dass man daran ja seinen noch nicht fix auf Schafe geprägten Instinkt ausleben könnte. Hat keinen, ausser wahrscheinlich die armen Meerschweinchen, gestört und so hat man das da halt laufen lassen. Hühner - auch Zwerghühner - gehören für ihn nicht mehr ins Beuteschema, Wachteln interessanterweise aber schon.

    Ich finde das total faszinierend, welche Unterscheidung er da macht. Die anderen lassen sich von ihm dabei übrigens nicht beeinflussen und empfinden weder Hühner noch Wachteln oder Meerschweinchen als 'hütbar'. Wenns sein muss, hüten alle zwar Laufenten, aber niemals mit derselben Leidenschaft wie Schafe. Beim 'Wachtelhüter' scheint da einfach ein sensibles Prägefenster offen gewesen zu sein, als die Meerschweinchen in sein Leben traten.

    Wie ist das bei Euch?

    Bei einem 8-jährigen Hund würde ich jetzt auch nicht mehr die grossen Veränderungen erwarten.

    Das Fell kann sich - je nach Rasse und Individuum - unschön verändern, wobei das bei angemessener Fellpflege gut unter Kontrolle zu halten ist und dann vor allem eine optische Veränderung bleibt. Muss aber nicht sein.

    Meist sind auch unsichere Hunde in diesem Alter doch schon so gefestigt, dass sich da in Bezug aufs Verhalten nicht mehr viel ändert. Vielleicht werden sie etwas ruhiger und Artgenossen gegenüber etwas toleranter, eh schon bestehende Unsicherheiten können sich (meist leicht) verstärken oder aber durchaus auch abschwächen. Kommt halt immer drauf an, wie stark ein Verhalten über die Sexualhormone gesteuert wird bzw. wurde und das lässt sich halt im Vornherein nur sehr schwer abschätzen.

    Ich setz mich jetzt vielleicht in die Nesseln, aber es wird heutzutage gerade in 'informierten Kreisen' auch sehr viel Angstmache bezüglich der Kastration betrieben. Ich kastriere wirklich keinen Hund leichtfertig, aber wenn die Gesundheit auf dem Spiel steht, würde ich - gerade bei einem Hund in diesem Alter - keinen Moment zögern.

    Ich wage zu behaupten, dass sich Dein Hund sehr viel weniger stark verändern wird, als Du das jetzt vielleicht befürchtest. Alles Gute!

    Ich hab davon nicht viel, aber könnte einfach besser damit arbeiten wenn ich weis wieso und weshalb er was tatsächlich macht. Wenn ich weis er macht es weil ihn die Tiere so stressen ja dann ist da halt eher die Überlegung ob er nicht doch ausziehen muss, wenn sich das nicht legt. Wenn er markiert weil er dominiert dann würde ich halt mehr mit regeln usw arbeiten und ihn da auch mehr vom hohen Roß runterholen (regeln gibt es schon aber dann wären die halt nochmal strenger), wenn er alles aus Unsicherheit macht dann würde ich ihm einfach mehr Sicherheit geben und für ihn da sein in den Situationen die für ihn schwer sind. Daher ist es so schwierig weil er immer bisschen anders ist aber das muss ich dann noch raus finden.

    Schau, wir können hier alle nur mit der Kristallkugel arbeiten, weil wir weder den Hund, noch Dich oder die Situation kennen. Selbst Videos sind einfach eine Momentaufnahme, die entweder repräsentativ oder aber auch völlig untypisch sein können.

    'Wieso' Lui das Verhalten zeigt, das er da zeigt, wird Dir niemand mit Bestimmtheit sagen können. Nach wie vor kommen gesundheitliche, verhaltenstechnische oder persönlichkeitsgesteuerte Faktoren - oder alles zusammen - infrage.

    Was ich Dir aber gerne nehmen würde, ist die Illusion, ein 'dominanter' Hund müsse sich dauernd wie der Obermacker aufspielen. Das ist eher etwas Äffisches, weshalb wir Menschen auch schnell dazu tendieren, diese Art von Verhalten sofort in eine gewisse Schublade zu stecken. Auch äffisches Prollverhalten hat übrigens nichts mit Dominanz, sondern eher mit Macht und Status zu tun. Hunde ticken da etwas anders und ich denke, Hundeverhalten in Bezug auf Ressourcen zu betrachten, ist sehr viel sinnvoller. Welche Ressource(n) möchte Lui denn für sich beanspruchen oder schützen?

    Auf den ersten Blick scheint sein Urinierverhalten ja wahllos zu wirken, auf den zweiten geht es wahrscheinlich eher darum, sich in seiner Unsicherheit und Orientierungslosigkeit einen 'sicheren Hafen' zu gestalten, in dem er - in dieser Welt, in der er ja offenbar nichts kontrollieren kann - irgendwie doch selbstwirksam in Erscheinung treten kann.

    Hunde, das brauche ich hier niemandem zu erzählen, sind Nasentiere. Das, was dieser Hund gerade als einziges 'im Griff' hat, ist wie seine Umgebung riecht. Das gibt Sicherheit. In einer Welt, in der er dauernd hin- und hergeschoben wird und neue, offensichtlich ziemlich provisorische 'Zuhause' erhält, in der sich die Menschen um ihn herum und ihre Regeln dauernd verändern ist das einzige, was er unter Kontrolle hat, eben der Geruch seines unmittelbaren Wirkungskreises.

    Kann sein, dass er sich damit arrangiert hat und er ansonsten ein fröhlicher, 'sicherer' Hund ist. Das wäre für seine psychische Gesundheit die beste Option. Blöd ist das aber für die Menschen um ihn herum, die sich damit abfinden müssen, dass sie einen Hund haben, der dieses Verhalten zeigt (und zu seinem Seelenheil braucht!) um sich in seiner Umgebung wohl zu fühlen. Mit Weltherrschaftsansprüchen hat das wohl eher weniger zu tun. Falls meine Kristallkugel hier nicht daneben greift - was natürlich immer noch der Fall sein kann - ist so ein Verhalten eher vergleichbar mit einem Kleinkind, das sein Plüschtier überall hinschleppen möchte, weil dieses immer zuverlässig anwesend ist und sich in dieser ansonsten unkontrollierbaren, grossen Welt nicht plötzlich unerwartet verhält. Ich lese aus Deinen Texten also eher ein (mehr oder weniger) verzweifeltes Komfortverhalten dieses Hundes heraus als eine unbändige Dominierungslust. Er zeigt sein Verhalten zum Vorteil für sich selber - es richtet sich also nicht primär gegen andere. Derartige Berechnung traue ich Hunden eher weniger zu.

    Abgesehen davon, dass ich mit einem (oder waren es gleich zwei?) Trainer, der grundsätzlich so locker mit dem Dominanzbegriff hantiert, nicht länger zusammenarbeiten wollen würde, ist kein Hund in jeder Situation dominant. Dominanz ist - wenn überhaupt - situativ zu verstehen und kein dauerhafter Charakterzug. Durchsetzungswille und -vermögen sowie mehr oder weniger ausgeprägte Ressourcenaffinität gewissen Dingen oder Situationen gegenüber, ja. Dominanz nicht.

    Das hab ich vielleicht falsch ausgedrückt.Ich verlange absolut nichts von ihr.Im Gegenteil, ich bin erstaunt wie einfach sie vieles einfach annimmt.Sie ist draussen sehr gelassen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.Natürlich soll sie entspannt die Welt entdecken.Für ihren Gesundheitszustand waere Physio dringend nötig.Stammt nicht von mir sondern vom Tierarzt.Deshalb möchte ich Leckerchen finden um sie auf die Therapie vorzubereiten.Ist für Fremde im Moment nicht möglich sie in geschlossenen Räumen anzufassen.Ich darf sie bürsten.Auf Antworten von Limetti kann ich verzichten. Wollte einfach nur mal wissen ob jemand ungewöhnliche Einfälle hat.Und nicht alle Hunde aus dem Ausland waren Strassenhunde.Aber vielen Dank an Sockensucher.

    Auch wenn Du das nicht hören willst: Du zäumst das Pferd von hinten auf. Es geht nicht darum, das richtige Leckerchen zu finden, es geht darum, die Anspannung Deines Hundes so zu reduzieren, dass er in jeder Situation ein Leckerli nehmen kann.

    Bist Du mit Stressreaktionen (Flucht, Angriff, Erstarren, Flirten) bei Hunden vertraut?

    Dieses 'einfach so Annehmen' und die 'scheinbare Gelassenheit' Deiner Hündin kann sehr, sehr gut eine typische Freeze-Reaktion auf eine extreme Stresssituation sein. Viele Auslandhunde - gerade, wenn sie nicht von der Strasse, sondern z.B. aus Sheltern kommen - zeigen das. Die lassen einfach alles mit sich machen (bzw. über sich ergehen) und werden genau deshalb für den Auslandexport ausgewählt.

    Die gute Nachricht: Leckerlies in jeder Situation anzunehmen, ist lernbar. Aber: gefressen werden kann nur, wenn der Hund entspannt genug dazu ist und sich nicht gerade im Überlebensmodus befindet.

    Wenn Dein Hund draussen also nicht fressen kann, ist das eine wichtige Information für Dich: der Erregungs- und Stresslevel sind für diesen Hund in diesem Moment viel zu hoch. Nicht nur kann er dann nicht fressen, er wird auch grosse Schwierigkeiten haben, überhaupt irgendetwas zu lernen. Viele Trainer nutzen deshalb genau diese Strategie, um herauszufinden, ob es gerade Sinn macht, dem Hund in der aktuellen Situation etwas beibringen zu wollen.

    Beginne damit, zu experimentieren. Wo kann der Hund noch ein Leckerli annehmen? Welche Leckerlies mag er am liebsten? Wo nimmt er ein Leckerli noch aus der Hand, wo vom Boden? Der Hund muss fürs Leckerli überhaupt nichts tun - es geht nicht darum, den Hund zu belohnen. Ob er das Leckerli nimmt oder nicht, ist reine Informationsbeschaffung für Dich: ist mein Hund gerade entspannt genug, um mit mir hier an diesem Ort zu sein?

    'Viele' ist halt relativ. Vergleichsweise finde ich nämlich auch, dass es sehr, sehr viele Hunde gibt, die unfassbar viel über sich ergehen lassen, ohne dass es jemals zu einer Verletzung kommt.

    Die Kaliber, von denen die Rede war, sind in der Öffentlichkeit wohl eher kaum anzutreffen. Daher auch meine Frage, ob und weshalb es so schwierig ist, diese Hunde einzuschläfern. Ich finde die Doppelmoral, mit welcher wir als Gesellschaft zwischen Nutz- und Haustieren unterscheiden, nämlich kaum auszuhalten. Das fände ich als Tierarzt auch ganz schön schwierig. Ich weiss nicht, ob ich damit umgehen könnte.

    Und nicht immer ist es der Hund, der korrigiert werden muss. Manchmal ist es auch der eigene Blickwinkel.

    Das finde ich tatsächlich sehr, sehr schön gesagt. Danke dafür!

    Korrekturen halte ich besonders dann für wenig hilfreich und für offensichtlich erzieherisch wenig wertvoll, wenn ständig genau dasselbe korrigiert werden muss. Die Idee wäre ja eigentlich, dass unerwünschtes Verhalten nach einem Strafreiz weniger häufig auftritt oder gar ganz aufhört.

    pinkelpirscher

    Möglicherweise haben wir gerade andere situative Vorstellungen im Kopf, aber im Allgemeinen stell ich mir vor, einen unsicheren Hund gar nicht mehr zu führen/korrigieren, weil er so empfindlich ist und am Ende wird das eine richtige Kackbratze, weil unsicher UND unerzogen :dizzy_face:

    Darum, den Hund gar nicht mehr zu führen, ging es hier wohl niemandem. Geraten wurde, die so häufig vom OP erwähnten Korrekturen dem Hund gegenüber anzupassen oder durch sinnvolles Management ganz zu vermeiden.

    Unerzogen bleibt ein Hund im Übrigen auch, wenn Leute, die selbst in bester Absicht handeln, keine Ahnung haben, was sie da eigentlich tun. Nur weil man erziehen will, heisst das nicht, dass man es auch tut oder kann.

    Das ist jetzt nicht direkt auf den Originalpost bezogen: wir kennen uns ja nicht und ich weiss nicht, wie trainiert wird. Wenn die Pinkelei aber hauptsächlich aus Verhaltens- und nicht aus gesundheitlichen Gründen auftritt, sollte der Umgang mit dem Hund (und gerade mit einem Kandidaten dieses Typs) tatsächlich schleunigst überdacht werden.

    Ich habe den Eindruck (aber das kann natürlich täuschen), dass 'gefährliche Hunde' andernorts schneller eingeschläfert wird, als in Deutschland. Wieso scheinen die Hürden in Deutschland selbst bei Hunden, die kaum jemals wieder bei einer Privatperson platziert werden können, so hoch zu sein?

    Oder anders gefragt: wann darf man einen Hund einschläfern?

    Egal wie Du arbeitest: Du solltest wissen, was Du warum tust und was Du mit welchen Mitteln bezwecken kannst. Nichts ist Schlimmer (und unfairer) im Training, als wenn keine Klarheit herrscht und / oder mal dies, mal das gilt, weil der Ausbilder nicht versteht, wie Lernen im Allgemeinen und bei diesem Individuum im Besonderen funktioniert.

    Nein, damit ein Verhalten wie ein 'Down' wirklich zuverlässig sitzt, braucht man nicht zwingenderweise irgendwann zur Strafe (positiv oder negativ) überzugehen oder das Verhalten über Strafe 'abzusichern'. Aber ja, es kann durchaus vertretbar sein, es dem Hund auf die eine oder die andere Art beizubringen oder - wie WorkingDogs beschreibt - Strafe und Belohnung zu kombinieren.

    Persönlich setze ich im Training gerne auf die LIMA-Vorgehensweise ('least invasive, minimally aversive' - also so wenig eingreifen und so wenig aversiv wie möglich), was aber nicht bedeutet, dass ich gar nicht über Strafe arbeite. 'Gewalt-' oder 'Straffrei' finde ich im Trainingszusammenhang sehr problematische Begriffe, zumal ich als Trainer kaum kontrollieren kann, was ein Individuum in einem bestimmten Zusammenhang als Strafe erlebt. Darüber habe ich schlicht nicht so viel Kontrolle, wie manche sich das einbilden mögen.

    Ich war mit meinen in gewissen Kreisen manchmal etwas unüblichen Trainingsansätzen schon öfter in Deiner Situation. Gelöst haben wir das alle mit einer guten Portion (gegenseitiger!) Toleranz und einer Art Abkommen: ich höre dem vorgeschlagenen Trainingsweg erst einmal zu, zeige Offenheit und Lernbereitschaft. Das Agreement ist, dass wir zum geforderten Ziel kommen wollen. Das Wie allerdings, das bleibt in meiner Hand und das übe ich dann auch alleine zuhause (wenn die Trainingsvorstellungen nicht übereinstimmen).

    Der Platz / Das Training mit dem Trainer wird für mich ab sofort zu einer Art 'Prüfungssituation': dort 'trainiere' ich nicht (mehr) im klassischen Sinne, sondern das Üben hat schon zuhause stattgefunden. Auf dem Platz zeige ich nur noch, was wir bisher erarbeitet haben und überprüfen, ob der Fortschritt (sozusagen 'trotz' meiner alternativen Trainingsmethode) stimmt. Gearbeitet wird dann dort meist an Feinheiten oder es werden neue Trainingsziele diskutiert und -wege aufgezeigt.

    Das bedeutet für mich aber auch immer: unser Trainingsfortschritt muss allermindestens gleichauf mit - oder wünschenswerterweise sogar besser als - derjenige meiner (besseren) Trainingskollegen sein, die 'traditionell' trainieren. Ich finde, das schulde ich nicht nur den Leuten, die sich kulanterweise dazu bereit erklären, diesen Weg mit mir zu gehen und meine Art des Trainings zu akzeptieren, sondern auch meinem Hund. Denn was bringt es, wenn ich einzig aus Prinzipenreiterei (lies: verblendeter Verbohrtheit) nicht nur die ganze Gruppe am Fortschritt hindere, sondern es auch meinem Hund verweigere, den gradlinigsten und bisher erfolgreichste Weg zum nachhaltigen Erfolg zu finden?

    Das bedeutet aber oft einen erhöhten Zeitaufwand für Dich selber (auf keinen Fall darf es das aber für Deine Kollegen bedeuten - sonst ist verständlicherweise dann schnell Schluss mit 'Extrawürsten'), weil Du zuhause einen eigenen Trainingsaufbau - möglicherweise mit Helfern - nachstellen musst, grosse Reflektiertheit, Toleranz und ehrliche Selbsteinschätzung auf allen Seiten. Die ist natürlich nicht immer gegeben und das liegt dann - meiner Erfahrung nach - aber oftmals doch nicht nur einfach an den anderen. Aber vielleicht wäre das ein möglicher Ansatz für Dich?