Meine zweite Hündin hat einen Deprivationsschaden. Der ist wahrscheinlich bereits vor der 8. Woche entstanden. Und er geht auch nicht mehr weg, mit dem müssen wir und sie leben. Und sie ist in ihren ersten zwei Lebensjahren - nachdem sie auf der Straße aufgegriffen wurde - erst im Shelter gewesen, da beinah verhungert, dann nach Deutschland verfrachtet worden, wo sie in dauernder Angst gelebt hat
Woher stammt denn die Annahme, daß hier die ersten 8 Wochen schlecht gelaufen sind? Bekannt ist doch eigentlich nur, daß sie mit grob 2 Jahren auf der Straße war?
Da hast du vom Text her etwas falsch verstanden - sie war nicht 2 jahre auf der Straße und ist dann aufgegriffen worden, sondern ist auf der Straße aufgegriffen worden (wohl sehr jung) und hat ihre ersten 2 Lebensjahre in einem Shelter verbracht.
Ein Deprivationsschaden in den ersten 8 Lebenswochen wird vermutet, da sie diese Welpenzeit aber wohl vor dem Ergreifen und Verbringen in ein Shelter "auf der Straße" verbracht hat, kann dies nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Hof und Zwinger zwar, aber die Hunde wurden sehr gut behandelt und sind kleine selbstbewusste Hunde gewesen, als sie in die Welt gezogen sind.
Also keine Konfrontation mit Umweltreizen,
"Keine Konfrontation mit Umweltreizen" ist eine der typischen Fehlannahmen, aus denen dann mögliche Deprivationsdiagnosen abgeleitet werden.
Natürlich bietet ein Hof unglaublich viele Umweltreize, die das Hirn in seiner Entwicklung anregen. Es ist Deprivation, wenn Hündin und Welpen während (fast) der gesamten Aufzuchtzeit in einem dunklen Verschlag, ohne Beschäftigungs- und Bewegungsmöglichkeit, aufwachsen.
Dass man gerade in der Pubertät einiges verbocken kann und einem Dinge entgleiten können, steht auf einem anderen Blatt - zumindest für mich. Dass eine isolierte Haltung in keinem Lebensalter ok ist, ebenfalls.
Direkt zwei sehr wichtige Aspekte, denen ich uneingeschränkt zustimme.
Aspekt 1: Der Junghund, der absolut entwicklungstypisch einem sturmgepeitschten Hormoncocktail ausgesetzt ist, auf den weder er noch der Mensch Einfluss hat, ist besonders anfällig für ein "Verbocken für den Rest des Lebens".
Das Einzige, worauf der Mensch hier Einfluss ausüben kann, sind die Umwelt- und Umfeldbedingungen, denen ein Junghund in dieser sensiblen Phase ausgesetzt ist - und hier gilt als Faustregel: Fehler im Verhalten einkalkulieren, und das Umfeld so aussuchen, dass Fehler keine nachhaltigen Folgen haben, und ausreichend Pausen/Ruhe/Erholungszeiten geben, damit der Jungspund Erlebnisse/Erfahrungen auch verarbeiten kann.
Die eigenen Ansprüche in der Zeit auf ein Mindestmaß zurückschrauben, und sich auf das Wesentliche bei seinen eigenen Ansprüchen an den Jungspund beschränken, ist auch sehr hilfreich - für das eigene Nervenkostüm, und damit auch für die Entwicklung des Jungspundes.
In keiner anderen Lebensphase tritt das Phänomen der "Das hat er ja noch nie gemacht"-Erfahrungen so stark auf wie in dieser.
Aspekt 2: Eine isolierte Haltung wirkt sich in jedem Lebensalter negativ aus. Wobei genau hingesehen werden muss, ob tatsächlich eine Isolation vorliegt oder nicht.
Wird z. B. ein operierter Hund, der im Anschluss an die Operation über einen längeren Zeitraum nur wenig bewegt werden darf, für diese Zeit einfach ausgesperrt, dann wird er isoliert, und empfindet das auch so.
Wird er von anderen Hunden in dieser Zeit getrennt, aber von seinen Menschen versorgt und bekommt Beschäftigung und Zuwendung, dann ist er zwar von den anderen Hunden und seinem gewohnten Leben isoliert, wird aber entsprechend betreut und erfährt so nicht eine Isolation an sich. Wobei aber auch hier ein Hospitalisierungssyndrom entstehen kann, als eine Sonderform der Deprivation.