Beiträge von Hundundmehr

    Sacco So wie du es beschreibst, würde ich es auch getrost als Vermehrerfarm bezeichnen.

    Selbst wenn dort die Aufzucht sach- und fachgerecht erfolgt - was bei einer reinen Zwingerhaltung nicht möglich ist, weil die Umwelterkundung nicht entwickelt und gefördert wird, wenn die Welpen gar nicht mitbekommen, dass es auch noch eine Welt außerhalb des Zwingers gibt - wäre eine solche Aufzucht nichts für mich als Welpeninteressent.

    Beim Züchter unseres Leifur waren gleichzeitig mit einem Abstand von 3 Wochen 2 Würfe da.

    Das Arbeitszimmer wurde immer zum Welpenraum umgestaltet, aber da dieser ja schon belegt war, wurde dann das Wohnzimmer zur Welpenstube ausgestattet.

    Grund für die Zeitgleichheit der Würfe war, dass die eine Hündin beim letzten Belegen leer geblieben war, und man nicht noch ein weiteres halbes Jahr verstreichen lassen wollte.

    Die Züchter waren echt froh, ihr Wohnzimmer wieder für sich zu haben nach dem Auszug der Welpen... :woozy_face:

    Das Prinzip greift also einfach nicht bei (allen) Hunden.

    Selbstverständlich greift das nicht bei allen Hunden, und es gibt dafür unendlich viele Gründe, warum es beim individuellen Hund nicht greift.

    Das macht das Prinzip aber nicht ungültig. Mehr dazu ganz am Ende, nach dem letzten Zitat.

    Verstehen, klar. Aber man kann nicht daraus ableiten, dass Hunde = Wölfe sind (oder sein sollten) im sozialen Miteinander.

    Nein, natürlich nicht.

    Hunde müssen sogar mehr sein in der Menschenwelt, sonst könnten sie nicht so leben, wie sie als Haustier zu leben hätten.

    Dass Hunde grundsätzlich so angepasst - eben auch sozial angepasst - in der Menschenwelt leben können, ist nur möglich weil die genetische Basis der Wölfe diese Anpassung - eben auch im sozialen Bereich - mitgegeben hat.

    Ja, Hunde sind hochsoziale Wesen.

    Deshalb passieren auch bezogen auf die Hundedichte so wenige Beißvorfälle.

    Ja, und dass eine nicht unerhebliche Menge an Haltern insoweit verantwortliches Handeln zeigen, indem sie die "Schwächen" ihres Hundes im sozialen Agieren mit anderen Hunden berücksichtigen (durch Anleinen, aus dem Weg gehen, Maulkorb, etc.) ist eben nur ein kleiner Anteil, der Beißvorfälle verhindert.

    Weitaus überwiegend zeigt ein Großteil der Hunde in der freien Interaktion mit Artgenossen - auch fremden - ein beschädigungsvermeidendes Verhalten.

    Dieses Maß kann eine Richtschnur dafür sein, was denn als angemessenes Verhalten für Hunde allgemein zugrunde liegen könnte.

    Bist du nun der Meinung Hunde hätten eine höhere Sozialkompetenz, wenn der Mensch sich nicht einmischt oder sollte der Mensch eben doch moderierend eingreifen?

    Hunde haben grundsätzlich (heißt: es gibt auch Ausnahmen von diesem Grundsatz) die Anlagen für eine höhere Sozialkompetenz, als viele Menschen ihnen real zutrauen.

    Gerade deshalb muss der Mensch moderierend tätig sein, damit der Hund Lernerfahrungen machen kann, die ihn in dieser Fähigkeit zur höheren sozialen Kompetenz bestärkt.

    Wenn ich z. B. bei meinen Hunden als Welpe zugelassen hätte, dass sie unmoderiert ihr noch unbeholfenes, unbedarftes und entsprechend tolpatschiges Verhalten an erwachsenen Kleinhunden ausleben dürfen ... dann hätten sie vermutlich weniger gut gelernt, dass im Umgang mit kleinen Hunden eine erhöhte Umsicht hinsichtlich der eigenen Körperkraft nötig ist.

    Ich finde hier durchaus Parallen zur altruistischen Veranlagung im menschlichen Verhalten, und wie schnell das eingedämmt oder gar gänzlich aus dem Verhaltensrepertoire verschwinden kann bei entsprechenden Lernerfahrungen; Mona X hatte hierzu einen link zu einem solchen Artikel eingestellt.

    Ob man es als Zwang definiert oder nicht - die wichtige Aussage für mich ist, dass Hunde und Wölfe ein komplett unterschiedliches Leben führen.

    Deswegen tu ich mich auch schwer damit, wölfische Verhaltensweisen als Basis (und Wertemaßstab) zu nehmen.

    Es geht bei Hunden um deren Fähigkeiten, insbesondere um die sozialen Fähigkeiten, denn genau diese ermöglichen Haushunden die Anpassung in eine Lebensweise, die sich gravierend vom Leben der in Freiheit lebenden Wölfe unterscheidet.

    Hohe Hundedichte, Einschränkungen in ihrem Flucht- und Wehrverhalten, Orientierung/Ausrichtung ihres Handelns an einem Lebewesen, welches nicht zu ihrer Spezies gehört, nämlich dem Menschen - all das sind doch die Umfeldbedingungen, an die Hunde sich anpassen müssen.

    Was sie dafür bekommen: Ein sicheres Zuhause, welches sie nicht mehr gegenüber Eindringlingen verteidigen müssen, weil ihnen das niemand wegnehmen kann. Versorgung der existenziellen Bedürfnisse durch den Menschen. Auch darum braucht der Hund sich nicht mehr kümmern.

    Welchen Grund sollte er denn haben, Abwandern zu wollen?

    All das können sie nur deshalb, weil sie die dafür nötige Basis von ihren Urahnen, den Wölfen, mitbekommen haben.

    Dazu gehört eben auch die Fähigkeit, Schwächere, Unterlegenere nicht unangemessen drastisch zu "bestrafen" - denn mit einem solchen Verhalten würde die soziale Gemeinschaft geschwächt.

    Genau diese Fähigkeit angemessenen Umgangs mit Schwächeren, Unterlegeneren besitzen auch Hunde.

    Wie ausgeprägt das beim individuellen Hund ist, kommt sowohl auf dessen genetische Veranlagung an (wenn durch menschliche Selektion z. B. Aggression, oder gar Artgenossenaggression gezielt verstärkt wurde) und auf die Lernerfahrungen (wenn ein Hund schon von Welpe an erfahren musste, dass er immer "Opfer" ist, z. B.).

    Von den "Überrollkugeln" - hier ganz klischeehaft die "Labratonne", nur um dem Ganzen mal ein Bild zu geben - ganz zu schweigen; Diese durften einfach nie lernen, ein Gespür für Schwäche, Zartheit im Körperbau oder eben auch Altersschwäche beim Gegenüber zu entwickeln.

    Wenn wir schon die genetische Basis nicht verstehen - wie sollen wir dann das Verhalten unserer Hunde verstehen lernen?

    Wir zwingen unseren Hunden aber eine deutlich andere Lebensweise auf, als bei wildlebenden Wölfen üblich.

    Worauf beruht denn deine Annahme, wird würden ihnen eine Lebensweise aufzwingen?

    Hunde sind keine Wildtiere.

    Sie "erleben" keinen Mangel an Freiheiten, die ihnen bei einem "natürlichen Umfeld" zur Verfügung stehen würden, weil es dieses "natürliche Umfeld" für sie nicht gibt.

    Sie kennen nur die Lebensweise der Menschenwelt.

    Die Domestikation hat Haushunde sogar so weit verändert, dass sie die Gesellschaft von Menschen der Gesellschaft zu Gleichartigen vorziehen.

    Ich sehe da keinen Zwang.

    Nur die Verantwortung für dieses vom Menschen geschaffene Geschöpf, niemals zu vergessen, dass es auch arttypische Bedürfnisse hat, die nicht ständig von menschlichen Ansprüchen übersehen oder gar unterdrückt werden dürfen.

    Das Rudel wird von uns Menschen zusammengestellt. Der Hund kann nicht einfach abwandern und ein neues Rudel gründen.

    Zum Einen sind Haushunde keine Rudeltiere mehr.

    Es gibt keine verwandtschaftlichen Bande innerhalb seines Sozialgefüges, die eine natürliche Hierarchie vorbestimmen könnte.

    Statt dessen gibt es die Zutraulichkeit und Zugewandtheit zum Menschen.

    Der Hund wird täglich gezwungen sein "Revier" mit vielen anderen Hunden zu teilen. Ihm wird oft täglich Kontakt zu fremden Hunden aufgezwungen.

    Auch hier: Worauf baust du deine Annahme, er könnte die Existenz anderer Hunde in seinem außerhäusigen Umfeld als Zwang empfinden?

    Im Laufe der Domestikation ist es normal für Hunde geworden, in zumindest der außerhäusigen Umwelt auf andere Hunde zu treffen.

    Richtigerweise hast du "Revier" im Bezug auf Hunde in Anführungszeichen gesetzt - denn das Revier hat für Wölfe eine andere, nämlich existenzielle Bedeutung für ihr Überleben; Es kennzeichnet ein Ressourcengebiet, das im Bedarfsfall gegenüber Eindringlingen verteidigt wird.

    Dass Fremdhundekontakte "aufgezwungen" werden, und zwar vom Menschen, ist tatsächlich ein großes Problem, das streite ich nicht ab - bezieht sich aber ausschließlich auf die individuellen Bedürfnisse eines einzelnen Hundes, der sicher nicht mit jedem fremden Hund "zwangsspielen" will.

    Das ist aber nicht das Thema hier.

    Die soziale Struktur des Wolfes (also sowohl die speziellen Verhaltensweisen zum Arterhalt/Selbstschutz = hohe Ausrichtung auf eigene körperliche Unversehrtheit, als auch die soziale Lebensform in einem hochsozialen Verband = Rudel) hat sich in einem Zeitraum von ca. 10 Millionen Jahren entwickelt und gefestigt.

    Diese, durch die Evolution über Jahrmillionen entwickelten und genetisch festgelegten typischen Wolfsmerkmale, die das genetische Grundmaterial für Haushunde sind, können als nicht als Grundlage für das Verhaltensspektrum für Haushunde herangezogen werden?

    Das widerspricht sämtlichen Aussagen namhafter, auf Hundeverhalten spezialisierter Wissenschaftler, die sagen: "Wer den Hund verstehen will, muss sich mit dem Erbanlagen seiner Ahnen, den Wölfen auskennen."

    Du vergisst bei deinen Schlüssen Eines: Der Haushund ist kein Wildtier, er ist nicht von der Natur, über Jahrmillionen der Evolution gemacht.

    Der Haushund hat keinen natürlichen Lebensraum, sein Lebensraum ist die Menschenwelt, die er mit uns teilt.

    Die Domestikation hat dabei den Umstand der hohen Anpassungsfähigkeit an Umwelt- und Umfeldbedingungen genutzt, ein wölfisches Erbe, ohne welches die "Hundwerdung des Wolfes" gar nicht möglich gewesen wäre.

    Der Haushund ist ein Kunstprodukt des Menschen, welches auf den genetischen Erbanlagen des Wolfes basiert.

    Würdest Du denn dann unterschiedliche "Angemessenheitsgrenzen" festlegen je nach Aufzucht, Rasse, Lernerfahrungen,...?

    Nein, aus mehreren Gründen:

    Zum Einen bedarf es solcher unterschiedlicher Kriterien nicht, weil das arttypische Verhaltensrepertoire selber eine Grenze bei Konflikten vorgibt: Beschädigungsvermeidendes Drohverhalten und Konflikte mit Beschädigungsabsicht. Hier wurde in der Verhaltensbiologie festgestellt, dass taktile Verhaltensweisen ein Potential für Beschädigungsabsicht im Konflikt beinhalten.

    Dieses beschädigungsvermeidende Verhaltensrepertoire hat ein extrem breites Spektrum, und ist dabei äußerst fein und differenziert, was eine sehr ausgeprägte Kommunikation hinsichtlich friedlicher oder zumindest beschädigungsfreier Beilegung eines Konfliktes ermöglicht.

    Zum Anderen können Hunde - eben weil sie das genetische Erbe von Wölfen haben - auch sehr gut Gefahren einschätzen, bzw. haben die Fähigkeit und auch die Intelligenz, dies lernen zu können, und passen ihre Reaktion eben auch entsprechend an.

    Diese genetischen Aspekte dienen dem Erhalt der eigenen körperlichen Unversehrtheit.

    Dazu, und untrennbar damit verbunden, kommt noch die hohe soziale Komponente: Wölfe sind Rudeltiere, sie leben in einem sozialen Verband, mit sozialen Kontakten. Diese Verbände zeichnen sich aus durch hohe Rücksichtnahme, Fürsorglichkeit und sehr differenziertem Handeln, welches dem Status des jeweiligen Gegenübers angepasst ist: Ein rüpelhafter Jungswolf bekommt sicher mehr einen auf die Rübe, wenn er sich ungehörig verhält, als ein Welpe.

    Konflikte werden in den allermeisten Fällen unbeschadet gelöst, wobei es natürlich auch hier Ausnahmen gibt - aber diese sind eben nicht die Norm, sondern die Ausnahme, und Ausnahmen bestätigen, wie wir wissen, die Regel.

    Es wird also durchaus eingeschätzt, welche Motivation und welche Stärke - oder besser Schwäche, im Sinne von: "Wie überlegen bin ich meinem Gegenüber?" - der Kontrahent hat, und diese soziale Komponente sorgt grundsätzlich nicht für den Eigenschutz, sondern für den Schutz des Schwächeren.

    Welche Schlüsse ziehst du/zieht ihr denn aus diesen Grundlagen, die als Basis für eine Definition von "Angemessenheit im Verhalten" für unsere Haushunde gelten könnten?

    Erst mal: Danke für deine ganze Mühe, das finde ich toll.

    Es zeigt aber auch, wie schwierig es ist herauszufinden, welche Kriterien berücksichtigt werden müssen, um sich tatsächlich ein Bild machen zu können was denn nun arttypisches Verhalten ist, und wie daraus eine "Angemessenheitsgrenze" festgelegt werden kann.

    So kannst du mit dem von dir beschriebenen Vorgehen zwar die Aggressivitätsintensität im Hier und Jetzt feststellen; Es gibt aber keine Möglichkeit, die Bedingungen dahingehend anzugleichen, dass alle Hunde auch die gleichen Ausgangsvoraussetzungen haben, z. B. hinsichtlich Aufzucht und Lernerfahrungen.

    Rassetypische Veranlagungen spielen beispielsweise auch ein große Rolle hinsichtlich der Reaktionsnorm eines Verhaltens.

    Hunde mit einer rassetypisch höheren Anlage zu aggressiven Verhaltensweisen haben eine andere Reaktionsnorm als Hunde einer Rasse, die eine grundsätzlich geringere Anlage zu aggressivem Verhalten haben.

    Verstehst du mein Problem mit deinen Grafiken?

    Das heißt, Hund 1 würde in Deinem Beispiel eine höhere Intensität von Aggression als Hund 2 zeigen, weil er die Individualdistanz des Gegenübers stärker unterschreitet?

    Tut sie (die Hündin) das?

    Oder hat nicht vielleicht zuvor der Rüde ihre Individualdistanz unterschritten, weshalb sie der Meinung ist, ihn anzublaffen?

    Das ist das Verhalten, das von den beobachteten Hunden am häufigsten gezeigt wurde.

    Ah, ok.

    D.h. , es wird also zu jedem Hund ein Ethnogramm gemacht und aufgeschrieben, wie oft er welche Intensität an aggressivem Verhalten zeigt?

    Welches Verhalten ist das denn am Scheitelpunkt?

    Ist das schon taktil (also im Beschädigungsbereich)?

    Anmerkung: Anrempeln oder gar Umrempeln zählt zu den taktilen (beschädigenden) Verhaltensweisen.

    Ähm, ja.... ich hoffe, sowas wird dann nicht an nette Familien abgegeben als "therapiert"... Klingt eher nach wandelnder Zeitbombe!

    Neinnein - da hat sie in ihrem Konzept schon eine konkrete Vorstellung, zu wem sie Hunde hingibt die sie für "therapiert" hält.

    Die Interessenten für solche Hunde werden von ihr "instruiert", wie dieser Hund nach der Übernahme zu händeln ist.

    Nur wer sich darauf einlässt bekommt auch einen solchen Hund.

    Nicht zu vergessen: Der Umgang mit den Hunden, wenn sie dann überhaupt trainiert werden, basiert auf Dominanz.

    Sie dominiert den Hund, nutzt dafür die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, und unterdrückt unerwünschtes Verhalten.

    Ich habe immer noch das Video mit dem Rottweiler vor Augen, der bei Kinderwagen ausgelöst hat ... jegliche Orientierung des Hundes zum Kinderwagen wurde mindestens mit derbem Leinenruck abgestraft, alle Bemühungen des Hundes, Hilfe in dieser Situation vom Menschen zu bekommen (Calming Signals) wurden völlig ignoriert, bis der Hund in seiner Not schließlich seine Aggression Richtung Mensch wandte.

    Daraus wurde dann von V.B. der Schluss gezogen, dass dieser Hund nicht mehr therapierbar wäre.

    Mir hat sich echt der Magen gedreht beim Ansehen dieses Videos.