Heute ist Chilly kurz abgezischt, einem Eichhorn hinterher und ich war das erste Mal richtig sauer. Er kam nach ca. 1 Minute wieder, ich hab ihn kommentarlos
angeleint und bin Richtung Auto.
Auf dem Weg zurück ist eine Engstelle und genau da sind 5 freilaufende Hunde. Ich sag zu normalerweise Leinenpöpler Chilly ein "Weiter", in meinem
Inneren das Gefühl 'Hund, Du gehst jetzt einfach ohne irgendein blödes Tamtam und auch ich geh einfach ohne dieses therapeutische Geschisse und siehe da,
Chilly ging komplett normal an den Hunden vorbei.
Das Phänomen kenne ich von meinem auch. Wenn er was falsch gemacht hat und ich so richtig stinkig bin, merkt er das, egal wie sehr ich versuche, mir das nicht anmerken zu lassen. Da pöbelt der nicht mehr sondern ist ganz im Gegenteil der Streber vor dem Herrn. Das funktioniert aber tatsächlich nur in solchen Situationen. Wenn ich mir einfach nur denke "das klappt jetzt, ich mach kein Geschiss drum" und er hat vorher nichts ausgefressen, weswegen er mich besänftigen will, dann pöbelt er trotzdem!
Einfach nach Bauchgefühl gehen und den Kopf mal ausschalten, funktioniert bei uns leider überhaupt nicht. Im Gegenteil, es funktioniert erst, seit ich so verkopft an die Sache rangehe (auch wenn ich mir wirklich wünschte, ich müsste das nicht tun).
Das Problem beim Bauchgefühl ist - das haben ja schon etliche geschrieben - es muss ja irgendwo her kommen. Ich hatte als Kind kaum Kontakt zu Tieren, geschweige denn zu Hunden, weil meine Mutter schreckliche Angst vor Hunden hat. So konnte ich kein Gefühl für sie entwickeln.
Meine ersten Hundeerfahrungen - auch mit einem Welpen, den ich für zwei Monate in Pflege hatte -, machte ich komplett ohne, dass ich vorher Ratgeber gewälzt hätte, und im Nachhinein betrachtet kann ich da nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, was ich alles für Mist gemacht habe - aus dem Bauchgefühl heraus. Diese Hunde wären in meiner Obhut aber nie verhaltensauffällig geworden, denn sie hatten alle eine gute Welpenstube genossen, gehörten keiner spezialisierten Rasse an, waren grundsätzlich ausgeglichen und einfach nur lieb.
Zu meinem ersten eigenen Hund kam ich vor anderthalb Jahren wie die Jungfrau zum Kinde. Ich habe mich schon etwas belesen (vor allem hier im Dogforum), weil ich schon lange einen Hundewunsch hatte, aber der Zeitpunkt eben nie gepasst hat. Und dann kriege ich von heute auf morgen vollkommen unvorbereitet (ich hatte nicht mal ein Körbchen oder einen richtigen Futternapf) frei Haus einen zweijährigen Spitzrüden geliefert, der in seinem jungen Alter schon zum Wanderpokal geworden war und zahlreiche schlechte Erfahrungen gemacht hat, sodass er traumatisiert war. Bauchgefühl ist in so einer Situation einfach nicht. Für so einen Hund braucht man Erfahrung und da ich die nicht hatte, habe ich mehrere Hundetrainer bemüht, verschiedene Methoden ausprobiert und ganz viel gelesen.
Und auch wenn ich lieber weniger Aufwand betreiben, nicht jeden Spaziergang als Training sehen und viel weniger mit Leckerchen um mich schmeißen würde (ich komme mir an manchen Tagen in der Tat vor wie ein Leckerlispender), geht es einfach im Moment nicht anders. Ich habe jetzt einen Zugang zum Hund, den ich mir über Clickertraining und Co. hart erarbeitet habe. Ohne die ganze Theorie hätte ich schlicht schon aufgegeben, da wären wir nicht mal annähernd an der Stelle, wo wir heute sind. Und ohne die Theorie hätte ich auch nie das Bauchgefühl entwickeln können, was sich jetzt tatsächlich recht regelmäßig einstellt.
Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass Hundeerziehung generell heutzutage verkopfter ist als früher. Ich fühle mich natürlich angesprochen, weil es bei mir tatsächlich so ist (bei mir gibts allerdings auch kein "früher" beim Thema Hunde). Und ich denke auch, dass es hier im Dogforum einige gibt, die aus verschiedenen Gründen genauso verkopft an die Sache rangehen wie ich. Aber in meinem direkten Umfeld bin ich was das angeht schon ein Sonderling...