Ich melde mich hier mal als halbwegs "Betroffene" zu Wort...
Ich habe meine jetzige Hündin in meiner ehrenamtlichen Arbeit im Tierheim kennen gelernt. Wir hatten sie von einem Tierheim auf Teneriffa übernommen, wo sie kaum Vermittlungschancen hatte, und meine Aufgabe war, sie so weit auszubilden, dass wir sie hier eben besser vermitteln können. Mir war klar, dass ich als berufstätiger Single nie einen Hund zu mir nehmen kann, und ich wollte sie einfach nur gut vermitteln. Sie war dann über 2 Jahre im Tierheim, entwickelte sich gut, es kamen hin und wieder mal Interessenten, aber nie wurde es wirklich ernst, immer kam etwas dazwischen, immer war der Hund doch "zu anstrengend" für die jeweilige Lebenssituation.
Es kam, wie es kommen musste - wir wuchsen natürlich zu einem Team zusammen, und ich machte mir immer öfter Gedanken darüber, ob ich sie nicht doch irgendwie zu mir nehmen könnte. Und habe innerlich genau diesen Kampf immer wieder ausgefochten: Ist es fair, den Hund zu mir zu nehmen? Oder ist es egoistisch, weil ich sie nicht mehr los lassen kann? Gebe ich ihr damit eine Chance, oder nehme ich ihr die Chance auf ein schöneres Leben, bei passenderen Leuten? Ist es besser, sie jetzt aus dem Tierheim zu holen, damit sie "endlich raus kommt", oder ist es besser, wenn sie eben noch 1 oder 2 Jahre "sitzt" und dann ins passende Zuhause kommt? Aber wer oder was ist denn das "beste Zuhause"?
Und es kam wieder, wie es kommen musste - eines Tages nahm ich sie einfach mit. Sie blieb von Anfang an völlig problemlos alleine, war vom ersten Tag an stuben rein (obwohl sie im TH extrem unsauber war), und es fühlte sich einfach nur richtig an. Sie geht an 2-3 Tagen/Woche in ihr Tierheim zur Tagesbetreuung, an den anderen 2-3 Tagen bleibt sie zu Hause und ich fahre in der Mittagspause heim und laufe eine Runde mit ihr, spiele mit ihr oder sitze ein bisschen mit ihr im Hof oder auf dem Sofa. Meine Freizeit gehört zu 95% dem Hund; wir machen Mantrailing, sind 2x/Woche auf dem Hundeplatz, gehen öfter mit großen Hundegruppen spazieren oder auf Wanderungen. Sie besucht mit mir regelmäßig meine Eltern, mit deren 2 Hündinnen sie sich großartig versteht und gerne tobt; wir fahren alle gemeinsam in den Urlaub, und ich versuche eben, ihr ein möglichst schönes Leben zu bieten.
Ich weiß nicht, ob sie sich anders entschieden hätte, hätte ich sie fragen können. Ich weiß nicht, ob sie ihr Leben so gut findet, wie es ist - aber ich hoffe es inständig. Viele, die sie kennen, haben immer befürchtet, dass sie zum Wanderpokal würde; und nach jetzt etwas über einem Jahr mit ihr kann ich das bestätigen: Ich habe durchaus schon einige Situationen mit ihr erlebt, nach denen andere Leute sie wieder abgegeben hätten.
Als sehr überdrehter, impulsiver und reaktiver Hund hat ihr das viele "Herumgereicht-Werden" bisher sicher nicht gut getan, und ich finde es für so einen Hund sehr viel wert, ein Zuhause zu haben, in dem sie bedingungslos bis an ihr Lebensende bleiben kann, egal was passiert. Auch habe ich oft das Gefühl, dass ihr die Stunden alleine sogar beim Abschalten und Runterfahren helfen - wie oft kommt sie mir ganz verschlafen aus meinem Bett entgegen gekrabbelt, wenn ich heim komme.
Puh, ist das jetzt ein Roman geworden... Mein persönliches Fazit: Eine solche Entscheidung sollte immer eine Einzelfallentscheidung sein, und unter Berücksichtigung gewisser Umstände ist die Entscheidung, trotz nicht ganz passender Umstände einen Hund bei sich aufzunehmen, sicherlich nicht verwerflich, sondern auch einfach mal gut und richtig.