Ich wohne ja in einem recht dünn besiedelten Gebiet, wo viele der landwirtschaftlichen Flächen Dauerweiden sind, da wegen Nässe und/oder Bodengüte nicht als Ackerland nutzbar, so dass viele Viehhalter über die Weidesaison gar nicht oder maximal ein- bis zweimal umkoppeln, weil die Flächen so groß sind.
Folglich hat das Vieh auch wenig Menschenkontakt.
Und übers Jahr fällt leicht mal irgendwo der Strom aus, wenn der Zaun durch heruntergefallene Äste oder Tiere in Panik kaputt geht, was man bei der Flächengröße nicht unbedingt gleich bemerkt. Oder jemand anderes "braucht" gerade das Weidezaungerät...
Über ausgebrochenes Vieh regt sich also niemand großartig auf, irgendwie bekommt man sie immer wieder eingefangen; viele schließen sich einfach anderen Herden an, und anhand der Ohrmarken kommen sie wieder zum Besitzer zurück.
Ein mittlerweile ehemaliger Milchviehhalter, der auf seinen verbliebenen Flächen noch ein paar Galloways - das sind diese hornlosen, schwarzen, relativ kleinen Wuschelrinder, die den Ruf haben, relativ sanftmütig zu sein - hält, hat mittlerweile drei Ausbrecher, die er nicht mehr zu fassen bekommt, einer davon ein mittlerweile bestimmt zweijähriger Bulle, mit dem ich im Sommer schon eine BEgegnung der unheimlichen Art hatte:
Ich hörte schon von weitem das typische Brunströhren, so ähnlich wie Gießkannentuten, und dachte noch, oh, arbeitsloser Bulle, da alle weiblichen Tiere in der eigenen Koppel gedeckt, jetzt ruft er nach Nachschub...
Ich komme den Hügel herunter, sehe hinter den Büschen den schwarzen - recht großen - Wuschelbullen, und denke noch, na, da sind aber nicht viele Tiere auf der Koppel...
Ich sehe - immer noch hinter Büschen - Wickelballen, denke, na, wer holt denn die Ballen nicht weg, die Tiere können doch die Folie beschädigen, dann schimmelt das Futter...?
Der Bulle hört auf zu brummen und geht hinter den Büschen neben uns her.
Der bis dahin relativ stark lahmende Arthrosehund - ich war wegen ihm vom Fahrrad abgestiegen und schob - ist mittlerweile seeeehr aufmerksam und lässt "El Toro" nicht aus den Augen, Kopf hochgereckt, Rute auch, ich sage noch "der geht uns nix an, ist gut".
An einer Stelle, wo die Büsche niedriger sind, kann ich den Großteil der Koppel einsehen und denke, steht der Bulle etwa alleine? Wer ist denn so doof...?
Die Büsche sind zu Ende, ich sehe den Bullen, sehe weitere Wickelballen und denke, irgendwo ist hier ein Fehler...
ähm...tja... da fehlt ein...
... ZAUN!!
Bevor ich irgendwie reagieren konnte, schoss der Hund über die Straße wie eine Furie, schnapp, Biss in die Schnauze, Bulle dreht, Hund jagt ihn kläffend in den Wald, Hund kommt wieder, "Na, wie war ich?" im Blick, Lahmheit komplett vergessen, es lebe Adrenalin!
Nun, gestern waren wir auf derselben - menschenleeren - Teerstraße unterwegs, ich rufe den Hund vor der Kurve zu mir, da er aufgrund der Tatsache, dass er die meiste Zeit seines Lebens reiner Hofhund war, plötzlich entgegenkommende Fußgänger und/oder Radfahrer anspringen und wegbeißen würde wie vorwitziges Vieh.
Ich kann die Straße wieder einsehen und gebe den Hund frei, da schießt er plötzlich böse grollend ins Gebüsch und baut sich auf - und drei Galloways, darunter ein (der?) kapitaler Bulle, geben Fersengeld.
Ich muss sagen, in solchen Momenten bin ich froh über meinen vierbeinigen Leibwächter.
Caterina