Oft wird als Erziehung in Büchern, in Hundeschulen, von wohlwollenden Bekannten etc. eben genau Sitz, Platz, Fuß... propagiert. Es gibt doch auch immer wieder Threads hier (und aus dem realen Leben kenne ich es ähnlich): was kann der Welpe in dem Alter schon?, wie Sitz/Platz beibringen? etc. Als wäre das etwas wichtiges bei einem jungen Hund oder als wäre dies tatsächlich Erziehung und die Probleme erübrigen sich damit...
Und dann kommt man eben an den Punkt: wie beibringen? Hunde untereinander bringen sich solchen Gedöns nicht bei, die sagen "lass das", "du nervst", "das ist meins", "Respekt!", aber nicht "tu das und dies und jenes". Nicht mal fordern sie ein "nachfragen" vom rangniederen, bevor etwas verbellt oder gejagt oder gefressen wird, sofern es sie nicht unmittelbar betrifft 
Und dann gibt es eben die Positionen: der Hund tut, was sich lohnt, Konditionierung hilft, Verhinderung von Unerwünschtem (Schleppleine und Co) und belohnen von erwünschtem. Und auf der anderen Seite: ich sage das, also hat das zu gelten für den Hund. Und wenn der das anders sieht: Hunde untereinander gehen ja auch nicht zimperlich miteinander um.
Ich sehe es absolut so, dass der Hund Grenzen kennen muss, dass er sich "benehmen" können muss. Mein Grundziel ist, dass auf Spaziergängen niemand Stress hat. Nicht diejenigen, denen wie begegnen, nicht meine Hunde, nicht ich.
Aber gerade dieses "Hunde untereinander sind ja auch nicht zimperlich" stört mich ein wenig. Zumindest wenn man sieht, was Hunde alles leisten müssen in Deutschland, was eigentlich völlig gegen ihre Natur geht und Hunde untereinander nie verlangen würden.
Ja sicher, der Hund ist ein sozial lebendes Raubtier, ein Familientier. Er hat einen Sinn für Territorien, für meins und deins für "meine Familie“ und nicht meine Familie. Er versucht 1. das beste für sich rauszuholen, will ein angenehmes sicheres Leben und 2. das beste für seine „Familie“ rauszuholen, denn die ist ein wichtiger Teil seines Lebens und nötig, damit er sich gut fühlt. Ich denke, es ist ähnlich wie bei Menschen: auf der einen Seite sind da die persönlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, Sozialpartnern, Nahrung, Anerkennung… dann aber auch Belange der „Kernfamilie“. Es gibt da Studien in Tier-Herden, wie sehr der Verwandtschaftsgrad letztlich den Einsatz der Gruppenmitglieder füreinander bestimmt und dass dies bei Menschen ähnlich ist. Eigene Kinder werden statistisch besser behandelt, als Adoptivkinder und diese besser als Pflegekinder und diese besser als Sandkastenfreunde der Kinder. Von Territorialgedanken der Menschen und Vorsicht vor Fremden mal ganz zu schweigen. Der Mensch kann sicher auch deshalb so gut mit dem Hund, weil dieser eben auch Familientier ist und die Grundbedürfnisse und Grundmechanismen da ganz ähnlich sind. So sehe ich den Punkt „der Hund als Sozialpartner“ gar nicht so vermenschlichend. Ich glaube auch nicht, dass ein Hund grundsätzlich egoistischer ist, als ein Mensch.
Natürlich gibt es auch mal Spannungen zwischen Gruppenmitgliedern und mit Fremden, es gibt Rangordnung, Respekt, Vertrauen. Hunde wie Menschen drohen, sie nutzen Strategien, sie wirken deeskalierend oder greifen auch mal an. Dass Menschen Drohverhalten nutzen oder einige auch körperlich werden in bestimmten Situationen, ist für mich allerdings kein Argument, Kinder "körperlich" zu erziehen. Und das sehe ich auch wieder bei Hunden ähnlich.
Es gibt auch nicht nur schwarz-weiß. Z.B. hat mich gestört, dass die Hunde nach dem ableinen erst mal bellend los stürmten. Auf der anderen Seite dachte ich mir, na gut, die Energie... Dann kam ich an den Punkt, dass ich dachte, ich müsste mehr Führung übernehmen, also habe ich die Hunde erst mal ein Stück hinter mir laufen lassen nach dem ableinen, dass sie nicht losstürmen, sondern sich an mir orientieren (müssen). Und dann wurde mir der Grund für das losstürmen klar: es war meine Schuld. Ich habe ein Ritual daraus gemacht, sie absitzen lassen, Spannung aufgebaut und dann "ok, lauft" gesagt. Klar, mit völligen anderen Hintergedanken. Nun leine ich sie im laufen nebenher ab und es braucht kein zurechtweisen oder irgendwas mehr, sie laufen einfach genauso entspannt weiter, wie 2 Sekunden vorher mit Leine. Ich finde es daher nicht verkehrt, die Gründe zu hinterfragen, warum macht der Hund das? Der Hund hat einen Grund, definitiv. Das heißt nicht, dass man mit Leckerlie und gut zureden was ändern kann, aber grundsätzlich zu hinterfragen warum tut er das?, statt zu sagen, hey, der ist unerzogen, der funktioniert nicht, wie streng muss ich werden, dass sich das ändert?, halte ich schon für sinnvoll