Beiträge von lilactime

    Wir mussten sie Freitag abend gehen lassen

    lilactime
    4. Juni 2022 um 10:42

    Was soll ich schreiben nach einem solchen Tag?


    Nach dem Tag, der die 13,5 Jahre mit meinem zutiefst geliebten Hund beendet hat.

    Beste Cala,

    es ist gar nicht ermessbar, was du für mich gewesen bist. Es ist nicht erklärbar, wie es war, wenn wir zusammen liefen und uns blind verstanden, kannten und vertrauten.


    Was würde ich darum geben, nur eine Stunde mit dir draußen laufen zu können, nur wir zwei. Vielleicht in den Flußwiesen, zu den Wasserstellen, zu denen ich dich in den letzten Monaten umständlich und fluchtend runter und wieder raufgeschleppt habe, weil du zu wackelig dazu warst.


    Die Apfelbaumwege im Feld lang, die Bäume blühen zum Teil noch und wir könnten einen Schlenker zum Moorteich machen, wo du zufrieden Wasser treten würdest, bist du voll mit Uferschlick wärst.


    Wir könnten auch einfach die Hausrunde gehen, an der Pferdekoppel vorbei und ein wenig auf der Bank rumhängen. Also, ich. Du würdest die nähere Umgebung abschnüffeln und dich irgendwann langweilen.


    Wir könnten im Garten in der Sonne sitzen bis ich dir leider mitteilen müsste, dass du in den Schatten musst, weil du sonst garst.

    Das ist alles vorbei. Jetzt steht da dein Wassernapf rum und ich denke: Der muss aufgefüllt werden. Und dann fällt mir ein, dass er dort nichtmal mehr stehen müsste.

    Dass du keinen Durst mehr hast, keinen Hunger, dass du keine Runden durch die Felder mehr mit mir laufen wirst und dein Kopf nie wieder auf meinem Oberschenkel liegen wird.

    Du wirst mich nie wieder anschauen mit deinen dunklen, großen, tiefen Augen.

    Das ist alles so gewaltig, dass ich es nur in kleinen Bruchstücken begreifen kann, dieses Ende.

    Du bist so friedlich wie es nur gehen kann zwischen Herrchen und mir eingeschlafen und hast die anschließende Narkose nicht mal registriert. Du hast dich lang zwischen uns ausgestreckt und noch einmal deinen Zufriedenheitsgrunzer gemacht. Dann bist du eingedöst und wir hatten noch einige Zeit mit dir, bevor die Ärztin kam und es ganz schnell und ruhig zu Ende ging.

    Ich kann das alles gar nicht glauben.


    Ich liebe dich so, Cala.

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    Meine Rückmeldung zu "Die Knochenuhren" von David Mitchell:

    Ein sehr gut runterzulesendes Buch, in dem sich die Lebensgeschichten unterschiedlichster Menschen (Eliteuni-Student, Kriegsberichterstatter...) im Laufe der Handlung schicksalshaft verflechten. Der Kitt dieser Verflechtung ist - leider - ein nicht geringer Fantasy-Anteil im Buch, der aus meiner Lesersicht komplett unnötig und auch störend war.

    Die ersten zwei Drittel des etwa 800 Seiten starken Romans erzählen in abgeschlossenen Kapiteln detailverliebt, glaubwürdig (sehr gut recherchiert ua) und mitreißend Teile der Leben unterschiedlicher Menschen in unterschiedlichen Milieus. Was ich besonders gut gelungen fand, war das Eingehen auf Jargon und Lebensrealität, was jedem Kapitel eine ganz eigene Note verleiht und beim Lesen einfach Spaß macht.

    Der Anteil an Fantastik ist in all diesen Geschichten bereits dosiert zu finden, erstickt die Story aber nicht.

    Das passiert für mein Empfinden dann leider ab dem letzten Drittel des Buches mit einem unvermeidlichen, breit angelegten Showdown, der sich größtenteils aus der Welt wie wir sie kennen verabschiedet.

    Ab da langweilte mich der Stoff. Wenn es arg fantastisch wird, verliere ich das Interesse.

    Das Outro in einer apokalyptischen Welt der Zukunft fand ich wieder lesenswert.

    Ich habe das Buch größtenteils sehr gerne gelesen, würde es auch weiterempfehlen - trotzdem ein Abzug aufgrund der etwa 200 Seiten des kompletten Realitätsverlustes.