Hester Musson – The Beholders
Juni 1878, England. Aus der Themse wird der leblose Körper eines nur wenige Monate alten kleinen Jungen gezogen. Es ist der Sohn des allseits bekannten und hoch geschätzten Parlamentsabgeordneten Ralph Gethin. Der Fall macht Schlagzeilen.
Vier Monate zuvor beginnt Hausmädchen Harriet Watson ihre Stelle in Finton Hall, dem Gethin-Haushalt. Sie ist fasziniert von dem Landsitz und seinen seltsamen Besitztümern, mehr aber noch ist sie von ihrer Hausherrin Clara Gethin eingenommen, die manchmal ihre wunderschöne Singstimme im Haus ertönen lässt. Clara ist, laut allen anderen Angestellten, aber unberechenbar und übellaunig, kümmert sich weder um ihren Mann noch den kleinen Sohn, verabscheut diesen gar zutiefst. Harriet hat schwer zu kämpfen in dem Haushalt, in dem die Angestellten sie meiden und mobben und offenbar auch Clara nicht passende Angestellte einfach aus dem Haus und auf die Straße wirft.
Doch irgendwie passen die Erzählungen und Beobachtungen für Harriet nicht so recht zusammen. Sie erlebt Clara anders, vor allem aber Ralph Gethin. Und eines Nachts geschehen Dinge, die Harriet ganz schnell aus dem Haus und auf die Straße treiben...
Erzählt in Form von Harriets Tagebucheinträgen und einigen Briefen wie Zeitungsartikeln, wohnt man hier den täglichen Aufgaben eines Hausmädchens bei, die keinen leichten Stand bei den Hausangestellten hat. Vor allem durch die Briefe der Mutter wird deutlich, welche gesellschaftlichen Zwänge außerdem auf Harriet als 18/19-jährige Frau lasten. Man weiß von Seite 1 an, dass Clara's Sohn tot aufgefunden wird und man versucht zu verstehen, wie was warum, je näher Harriets Tagebucheinträge diesem Datum kommen. Am Ende ist alles ganz anders als vermutet und man erkennt nach und nach die Verquickungen und auch die Folgen für alle Beteiligten. Das Buch schneidet ein paar sehr dunkle Themen an, da ist der Mikrokosmos "Herrenhaus-Haushalt" mit seinen sozialen Hierarchien noch das kleinste Problem. Insgesamt eine spannende aber schaurige Erzählung über Macht und Lust und Zerstörung und die Leichen, über die man geht und Opfer, die man bringt, um am Ende des Tages noch in den Spiegel schauen zu können.