Anna Kavan – Ice / Eis
»In meinem eigenen Land konnte mir nichts zustoßen, und dennoch wuchs meine Unruhe, je weiter ich fuhr. Die Wirklichkeit war für mich immer eine unbekannte Größe gewesen«, konstatiert der männliche Erzähler in Anna Kavans Eis zu Beginn seines taumelnden Berichts, während er einer ihm gläsern erscheinenden Frau hinterherjagt und sie in die unendliche Wüste einer postapokalyptischen Eislandschaft treibt. Während die zeitlose Handlung zwischen extrem lebensfeindlicher Realität, fieberhafter Halluzination und brutalen Traumgebilden im gleißenden Licht verschwimmt, schiebt sich der Text wie übereinanderknirschende Eisschollen immer tiefer in das Leserhirn.
Ob endzeitliche Science-Fiction-Story, Allegorie einer lebenslangen Heroinsucht, ob Verarbeitung persönlicher Traumata oder Zeugnis zutiefst entfremdeten Weltbezugs – wie auch immer die Kritik das Buch zu fassen versuchte: Kavans kristalline Prosa zeugt von der zugleich unendlich leeren wie überkomplexen Wirklichkeit eines inneren Kontinents weiblicher Empfindungen von seltener Dimension.
Die Zusammenfassung des Verlages beschreibt dieses Buch ganz gut. Ein Paradebeispiel des Slipstream-Genres, wie ein eiskalter Fiebertraum. ChatGPT schreibt u. a. "Die Geschichte ist nicht linear und fragmentiert und in einem halluzinatorischen, traumähnlichen Stil geschrieben. Die Erzählung wechselt zwischen „realistischen“ Szenen einer Reise durch eine postapokalyptische Welt und surrealen, fast visionären Episoden, in denen Zeit, Ort und Identitäten der Figuren verschwimmen. Dies erzeugt ein zyklisches Gefühl – Ereignisse wiederholen sich in veränderter Form – und vermittelt eher den Eindruck eines gefangenen, obsessiven Geisteszustands als einer geradlinigen Handlung." – eine wirklich perfekte Beschreibung. Ich mochte diese Geschichte sehr, aber eher aufgrund ihrer Art, weniger wegen der Handlung an sich. Erforschte Themen sind Besessenheit und Kontrolle, Geschlecht und Macht, Apokalypse und Entropie, Desorientierung und Unwirklichkeit.