Eigentlich ist "Hüten" der falsche Begriff für dieses Fehlverhalten. Hüten besteht aus ganz viel Interaktion zwischen Vieh und Hund. Der Hund muss also ständig die Situation neu bewerten und entsprechend agieren/sich zurück nehmen/mehr Druck machen/Ruhe bewahren usw. usw...
Deshalb wird für dieses Fehlverhalten von uns häufig der Begriff "Glotzen" verwendet. Der BC zeigt hier nämlich nur einen kleinen Teil (das berüchtigte "Auge") des ganzen Überbegriffs "Hüten". In diesem fährt er sich zunehmend fest, versteift sich sozusagen darauf und wird süchtig danach. Es ist eigentlich ein viel zu kleines Ventil für ganz ganz viel mehr, was da aus dem Hund raus will - nämlich die genetische Veranlagung zum Jagen! Wenn Du Dir mal vorstellst aus was die Jagd bei Hunden besteht, dann kannst Du das annähernd auf den Border Collie übertragen, in vielen Bereichen verfeinert, manche Bereiche sind züchterisch zurückgenommen worden - aaber: Es ist eine gemeinsame Jagd mit dem Hundeführer - ein hochkomplexer Vorgang, der ganz ganz viel Köpfchen und körperlichen Einsatz verlangt. So - und das alles soll jetzt durch ein Bestarren von einem Objekt oder Tier (das keine Flucht und Herdentrieb zeigt - ist Voraussetzung für "hütbares" Vieh) ersetzbar sein.
Das Problem schaukelt sich auf. Der Hund glotzt sich fest, weil er auch dabei Hormone ausschüttet. Doch dieses Bestarren reicht ihm bald nicht mehr, da Hüten ja aus viel viel mehr besteht - wie ich oben schon geschrieben habe.
Es kommen häufig noch weitere Elemente in unschönen Situationen zum Vorschein: "Anhüten" von schnell bewegenden Objekten wie Autos, Radfahrer, Züge usw... Es kommen hier meist ziemlich deutlich noch andere Elemente der Jagd zum Vorschein wie das Einkreisen der Beute und "den Weg abschneiden", danach der Versuch die "Beute" auf den Menschen zuzutreiben... Das alles wird für den Hund zum "Zwang", er kann nicht ohne! Sollte er auch nicht - aber bitte ihm passenden Rahmen: An Vieh!
Meiner Meinung nach gehören noch viele andere Verhaltensstörungen in diesen Bereich. Meine ältere Border Collie-Hündin ist aus dem Tierheim und zeigte nach ihrer Ankunft bei mir sofort Bäll bestarren und Kaninchen beglotzen. Zusätzlich ist sie extrem Lecksüchtig. So extrem, dass sie sich selbst verletzt. Das Problem ist viel viel besser geworden (schleckt "nur" noch an mir), seit sie an Schafen arbeitet. Sie hat auch Epilepsie. Auch dabei ist sie nun seit einen 3/4 Jahr anfallsfrei - weil sie Hüten darf!
Viele Grüße
Corinna