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Als wir vor kurzem im Urlaub waren, hatten wir mit unserer Verona ein Er-
lebniss, welches mich doch recht nachdenklich gemacht hat.
Nun las ich heute in einem Thread, folgendes:
Da kam mir Verona's Verhalten und meine Gedanken dazu wieder in den Sinn.
Wir haben ja die Möglichkeit, ausgesetzten, herrenlosen, 'armen' Hunden zu
helfen, ihnen ein Zuhause, eine Familie zu geben.
Doch haben wir auch immer Recht damit?
War die oben erwähnte spanische Hündin nicht vielleicht glücklicher in
ihrem Rudel?
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Diese Hündin vielleicht, wenn sie denn wirklich komplett ohne Menschenkontakt und unsozialisiert aufgewachsen ist und das Leben in einer zivilisierten Umgebung Stress für sie ist.
Ander Hudne die im Süde oder sonstwo auf der Straße rumlaufen, haben mal wem gehört, sind mit mehr oder weniger positivem Menschenkontakt aufgewachsen. Die Südhunde sind ja keine echten pariahunde, wie man sie in Asien oder Afrika noch findet, das sind komplette Haushunde oder Mixe daraus. Jagdhunde, Schosshunde, Wachhunde, Hütehunde... menschenhunde. Hunde sind Haustiere, sie sind keine Wölfe. Sie sind domestiziert. Sie gehören ebensowenig in die frei Wildbahn wie Kühe und Schafe.
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Ist Freiheit, die mit Entbehrung, vielleicht auch Krankheit und manchmal
Schmerz verbunden ist, im Endeffekt nicht besser als ein geborgener und
umsorgter Gefangener zu sein?
Der Wind, der den Hunden um die Nase weht, die Möglichkeit das zu tun,
was der Instinkt befiehlt, anstatt Leinen, Geschirre und Gehorsam als Preis
dafür, medizinisch versorgt zu sein und immer genügend Wasser und
Nahrung zu haben.
Würden die Hunde das nicht vorziehen?
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Ich glaub du romatisierst das. Hunde sind flexibel, sie können sich allen möglichen Umständen anpassen und amchen stets das beste draus.
Sie denken (meiner Meinung nach) auch eher nicht in Kategorien von gestern, heute, morgen - besser, schlechter, schlimmer.
Muss es denn perfekt sein? Das leben als Streuner hat seine Nachteile, das Leben als Haustier hat seine nachteile... so lange am Ende die Vorteile überwiegen, ist es doch gut, leider hat niemand das Recht auf leben im Paradies, auch Hunde nicht.
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Ist eine Hand die streichelt und schützt nicht abscheulich, wenn sie auch
in der Lage ist Stromhalsbänder umzulegen?
Naja, aber das macht ja nun nicht jeder so, ne? Du stromst Verona ja nicht nieder, oder?
Abgesehn davon weiß der Hund grade bei Strom eh nicht, woher es kommt und wird dafür auch den Menschen nicht "verantwortlich mache". Ist deswegen natürlich noch lange nicht ok. Die Assoziation damit passt aber für mich halt nicht, eben weil der Hund sie so nicht macht.
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Verona hat mich sehr überrascht.
Sie kam hier an, angstvoll, unsicher und scheu.
Rasch hatte sie sich gefangen, sich eingelebt und Freundschaft mit uns ge-
schlossen.
Sie scheint zufrieden und wir sind es damit auch.
Glücklich mit ihr und zufrieden, sie aus schlechten Verhältnissen geholt zu
haben, ihr Geborgenheit geben zu Können.
Doch als wir an unserem Urlaubsort aus dem Auto ausstiegen, erlebten
wir erstmals die echte, die ursprüngliche Verona.
Unser Ferienhaus liegt inmitten der Dünen. Und diese Dünen sind unter-
höhlt von unzähligen Kaninchen.
Verona explodierte regelrecht. Sie stand da. Zitternd. Aufrecht. Die Ohren
aufgestellt, die Nase im Wind...
Und dann gab sie diesen unbeschreiblichen Laut von sich. Im ersten Moment
wusste ich gar nicht, dass dieser seltsame Ton von ihr ausging.
Ein Pfeifen, in einer seltsamen, langgezogenen Tonart. Tief, laut und lange.
Dann zog sie los, spurte, witterte, sog den Duft vom Boden in sich auf, aus
der Luft von überall.
Wir gingen dann in das Haus.
Doch Verona fand lange keine Ruhe, rannte von Fenster zu Fenster, sog die
Luft ein, durch den Spalt unten in der Eingangstüre.
Die Unruhe im Haus legte sich mit der Zeit, aber ihr Verhalten draussen
blieb das gleiche.
Das Ganze steigerte sich nochmal. Als sie Pferde sah, die am Strand entlang
geritten wurden.
Da wollte sie hin mit aller Macht.
Und wieder gab sie dieses unheimliche pfeifende Geräusch von sich.
Sie erkennt anscheinend auch Jagdhunde an ihrem äusseren Erscheinungs-
bild. Bei diesen Hunden wird sie unheimlich nervöse und will zu ihnen. Ganz
extrem, als wir an den Dünen entlang gingen und Leute hinter uns mit einem
Jagdhund daher kamen.
Sie wollte unbedingt da hin, krallte sich im Sand fest, setzte sich hin und
heulte und pfiff und schrie, als ob man sie schlagen würde.
Lt. Aukunft der Orga war Verona wohl ein Jagd- wahrscheinlicher noch ein
Meutehund.
Sie kennt Pferde, andere Jagdhunde, Hasen, erkennt das alles und will
wieder das sein, was sie einmal war.
Das steckt anscheinend in ihr, ist ihre Natur.
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Naja, du hast also nen Jagdhund.
Der ist ja nicht in der Pampa vom Himmel gefallen und in der Wildnis ohne Menschenkontakt aufgewachsen.
Sondern ist ein Produkt von Jahrhunderten sorgfältiger, gelenkter Zucht (grade Meutehunde, Bracken und Laufhunde sind ja ein recht alter Hundeschlag).
Enge Zusammenarbeit mit dem Menschen war vielleicht nicht das No. 1 Ziel, zumindest nicht so eng wie bei Vorstehhunden oder Hütehunde. Aber nichts desto trotz musste ein großer Menschenbezug da sein.
Wenn sie den Jagdablauf kennegelernt hat, wird sie auch in ihrer Jugend jemandem gehört haben und wenn sie nur im Zwinger gelebt und den Menschen nur zum füttern gesehen hat.
Auf jeden Fall waren auch diese Hunde schon lange nicht mehr dafür gedacht, sich selbst zu versorgen und haben es genetisch fixiert in sich, gern mit Menschen zusammen zu sein.
Das sind keine Wölfe und keine Dingos.
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Ist es da richtig, sie im Haus zu halten, mit ihr spazieren zu gehen und
stets gut auf sie zu achten?
Ist sie dabei glücklich?
Oder ist sie eine Gefangene?
Ein Begriff wie "Gefangene" ist für einen hund sicher zu abstrakt, das ist was, worüber man sich als Mensch den Schädel zermartert. Hunde verstellen sich nicht (zumindest nicht dauerhaft...). Wenn sie im Alltag den Eindruck eines glücklichen, ausgeglichen Tieres macht, dann wird sie auch glücklich sein.
Dass sie völlig ekstatisch wird, wenn sie die greifbare Möglichkeit vor sich sieht, das zu tun, was Gene und Erfahrung von ihr verlangen und was sie wohl auch ausfüllen würde, das sit klar. das ist wie mit jedem Arbeitshund:
Am glücklichsten sind sie, wenn sie ihren Job machen können. Für Verona wärs wohl das größte, wenn sie tagsüber mit dir jagen könnte und abends auf dem Sofa mit vor der Glotze liegen.... was sie wählen würde kannst du nicht wissen. Aber da sie ein Hund ist, muss sie auch nicht wählen, das machst du ja. Und ich denk solange sie im Alltag nen zufriedenen Eindruck macht... siehe oben.
Wobei es schon schade ist, wenn der Hund nicht seinen Anlagen entsprechend arbeiten darf.
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Nach wie vor, ist es für mich eine Verpflichtung, mich für Hunde in Griechen-
land und Spanien einzusetzen. Denen zu helfen, die gequält werden. Die
man verhungern lässt. Die man aufhängt, verstümmelt...
Aber ist es denn immer nur richtig, was wir tun?
In jeder Konsequenz?
Im Sinne der Hunde?
Nix ist immer perfekt. Mancher Hund wird vielelicht in Deutschland nie glücklich. Aber die überwiegende Mehrzahl der Auslandshunde die ich kenne sind nach meiem Augenmaß glücklich und zufrieden. Unglückliche Hunde gibts auch mit deutscher Herkunft genug, nur die Probleme si d andere.
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Ist ein Strassenhund in seinem Rudel nicht der glücklichere Hund?
Hungrig zwar, auch durstig, nicht immer gesund und Lebensgrundlage
von ganzen Flohgenerationen. Er wird wissen, wie weh ein Fusstritt tut.
Wird fliegende Steine kennen, Menschen eher meiden.
Er muss kämpfen für sein Auskommen.
Wird auch manches Mal verlieren und sterben, bevor er ein alter Hund ist.
Aber er war frei. Frei wie der Wind, niemandem verpflichtet. Er selbst.
Wäre die oben genannte Hündin nicht lieber frei mit fünf Jahren gestorben,
als unter Zwang bei unverständigen Menschen zu leben?
Fünf, zehn... fünfzehn Jahre lang?
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Die Rudel die es in Südeuropa auf der Straße gibt, sind nicht das gleiche wie ein Wolfsrudel, das muss man bedenken. Ein Wolfsrudel ist ein über mehrere Generationen gewachsener Familienverband, Zweck dieser Gemeinschaft ist es ua, sich gegenseitig das leben einfacher zu machen und somit die Fortpflanzung von verwandten tieren zu ermöglichen, um ein Stück des eigenen Genoms, dass man mit engen Verwandten teilt, in die Zukunft zu schicken.
Ein Rudel Straßenhunde ist ein Zweckgemeinschaft, die tiere sind meist nicht verwandt, Rangkämpfe sind an der Tagsordnung. Hunde haben viel weniger Potential zur Konfliktvermeidung im Rudel, zur vermeidung von Ernstkämpfen.
"Frei" ist ein Begriff, der für Wildtiere oft überbewertet wird. Wo liegt denn die Freiheit, wenn man täglich ums überleben kämpft?
Ich kannst nur für die Falknerei sagen, die ich selbst betreibe.
Da hat man ein Wildtier, welches nicht domestiziert ist und die komplette Palette an Fähigkeiten zum Überleben in der Wildniss/Freiheit mitbringt. Im Gegensatz zum Haushund, der ja doch nur von Müll lebt (die meisten Straßenhunde leben ja nicht ohne Grund in direkter Nähe zum Menschen... wenn sie so toll für sich selbst sorgen könnte, dann würden sie doch aufs Land verschwinden und sich nicht den Gefahren in der nähe der Menschen aussetzen?).
Trotzdem kann man nach 2-3 Wochen, wenn die erste Scheu überwunden ist, sogar einen wild gefangenen Altvogel frei fliegen lassen und er kommt zurück. Weils Futter ohne Aufwand gibt und ne sichere Bleibe...
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Was ist die grössere Qual?
Ist ein schnelles, wildes und kurzes Leben nicht schöner, als als 17 Jahre
alter Hundegreis auf einer Heizdecke dahin zu siechen, voller Rimadyl und
Cortison?
Das Mittelding wäre gut.
Weder in Watte gepackt noch vernachlässigt. nicht beim geringsten Kinkerlitzchen "weggeworfen", aber bitte rechtzeitig Schluss gemacht. Grade letzteres verpassen unglaublich viele Leute.
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Dürfen wir freie Hunde, Jäger in Stadtwohnungen halten?
Sie wider ihre Natur behüten und reglementieren?
Darf man nen Deutsch Kurzhaar oder Border in ner kleinen Wohnung halten?
MMn JA! Sofern man ihn seiner Rasse entsprechend führt/auslastet.
Wenn man einen Jagdhund hat, egal woher, und nicht jagen kann, dann ist das schade für den Hund. Aber Zwang und Einschränkungen gehören zum Leben dazu, bei Wildtieren wie bei Menschen und halt auch bei Hunden.
Bei dir hat dein Hund ein Leben wie ne Made im Speck, darf aber nicht jagen. In griechenland würde sie vielleicht in irgendnem Verschlag leben und trockenes Brot fressen und fauliges Wasser trinken. Oder auf der Straße ums Überleben kämpfen und wieder und wieder Welpen werfen, die zum größten teil krepieren, bevor sie entwöhnt sind. Düfte/müsste aber jagen.
Hat beides Vor- und Nachteile.
Während es aber in Griechenland für sie nicht die Möglichkeit gegen hätte, sich abends auf dem Sofa zu fläzen, kann sie das hier. UND du könntest Jagdersatzbeschäftigungen machen, z.B. fährten, Mantrailing, Rennbahn, Reizangelspiele.... es ist ein Kompromiss, aber ich glaub damit kann man leben.
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Aber Verona's Verhalten hat mich dafür empfindlich gemacht, macht mich
nachdenklich.
Liege ich falsch? -was meint ihr dazu?
Ich denk das sind genau die richtigen Überlegungen.
Ich finds ja auch schade, dass ich mit meinen Windigen nicht jagen gehen kann (obwohl sie da sicher nicht mal so unglaublich toll wären... aber Spaß hätten sie wohl). Nur seh ich jeden tag, dass sie GERN leben. Und leben würden sie schon lange nicht mehr, wenn sie nicht hier wären.
Der eine wäre mit knapp 4 jahren nach Ende seiner rennkarriere eigeschläfert worden, der andere war im Alter von ca. 2 Jahren für einige Zeit auf der Straße, wie lange weiß man nicht... zum Skelett abgemagert, so räudig dass er kaum noch Haare hatte... so menschenfreundlich und luxussüchtig wie der ist, glaub ich nicht, dass er "in Freiheit" (was immer das in Irland auf dem Land heißen mag) besonders glücklich war.
Hasen hetzten macht nämlich glaube ich mehr Spaß, wenn man nicht drauf angewiesen ist sie zu kriegen.
Wenn es bitterer Ernst ist, man eh schon vor Hunger fast umkippt und einfach nix kriegt, außer ner Pfütze gefrorener Cola auf nem Supermarktparkplatz... dann ist räumliche Freiheit glaub ich nicht viel wert gegen die Freiheit vom Kampf ums überleben.