Hm. Ich habe hier einen Hund, ebenfalls aus dem Ausland, ebenfalls mit ca. 5 Monaten nach Deutschland gekommen, der, so wie sich das liest, zu ähnlichem Verhalten neigt.
Der ist generell ein sehr hibbeliger Hund, der unfassbar schnell hochdreht (sei es durch Freude, Frust, Ungeduld usw.) und das dann in Energie und Lautstärke umsetzt.
Die Gründe, wieso das Hundchen ist, wie es ist, sind hier nicht eindeutig zu benennen. Ich habe lange nach dem einen Grund gesucht, aber das war vergebene Mühe. Letztendlich ist es wohl eine Kombination aus genetischer Veranlagung zur Nervosität, gesundheitlichen Baustellen und seiner Vorgeschichte.
Was ich damit sagen will: An der Ursache der Nervosität anzusetzen ist oft gar nicht so leicht, denn die Ursache kann wahnsinnig viel sein.
Zuerst würde ich den Hund deshalb mal gesundheitlich auf den Kopf stellen lassen. Also nicht nur Allgemeinuntersuchungen, sondern auch so Dinge wie die schon genannten Schilddrüsenwerte checken lassen, mal versuchsweise Schmerzmittel geben, ggf. CT oder MRT veranlassen usw.
Ein Hund, der nach Bewegung unruhig wird, kann auch einfach Schmerzen im Bewegungsapparat haben. Da lohnt es sich auch, mal ihre Bewegungsabläufe genau anzuschauen.
Mein Hund hatte damals zum Beispiel phasenweise leichte Auffälligkeiten im Gangbild (wenn man gaaaanz genau hingeschaut hat). Die üblichen Untersuchungen (Abtasten, Röntgen, versuchsweise Schmerzmittel) haben überhaupt nichts gebracht und da die Auffälligkeit kaum zu sehen war, meinten diverse Tierärzte, der Hund sei kerngesund. Tja, bis man dann in dem CT, auf das ich bestanden habe, gesehen hat, dass der gesamte Rücken kaputt ist (und der Hund natürlich Schmerzen hat).
Darüber hinaus: Schraubt das Programm mal runter. Wirklich. Das macht anfangs keinen Spaß, weil der Hund ja an das Gassi-Programm morgens gewöhnt ist und dann vermutlich erstmal ziemlich unzufrieden ist, aber es kann sein, dass ihr weniger Input gut tut.
Denn auch wenn sie nicht offensichtlich am Deprivationssyndrom leidet oder ein Angsthund ist: Hunde aus dem Ausland haben in ihrer Welpenzeit nunmal andere Erfahrungen gemacht als die Hunde hierzulande. Oft hatten die gar keine Chance, Dinge, die hier alltäglich sind, in der Welpenzeit kennenzulernen und als unbedeutend abzuspeichern. Das hat zur Folge, dass der Hund erstmal jeden Reiz wahrnehmen und bewerten muss, ganz unabhängig davon, ob er dann letztendlich Angst hat oder nicht. Und allein dieses wahrnehmen und bewerten kann ganz schnell zu einer Reizüberflutung führen.
Was hier geholfen hat, um die Reizüberflutung zu vermeiden, war ganz viel Routine und Langeweile. Ein Hund, für den die gesamte Umwelt kognitive Schwerstarbeit ist, braucht erstmal keinen zusätzlichen Spielspaß fürs Köpfchen. Auch nicht, wenn er einer ach-so-aktiven Rasse angehört.
Ein gemeinsames, sinnvolles Hobby (UO, Mantrailing, Fährtenarbeit etc.) kann man mal schrittweise ausprobieren. Das tut manchen Hunden sehr gut, für andere ist auch das too much oder nur sehr dosiert möglich.
Und last but not least: Grenzen setzen. Einen klaren Rahmen vorgeben. Dem Hund aus seiner Aufregung heraushelfen. Und es ein Stück weit akzeptieren.
Hier braucht es im Alltag, auch wenn das Hundchen inzwischen sehr viel ruhiger ist, einfach sehr viel Fingerspitzengefühl.
Einerseits verlange ich inzwischen in vielen Situationen einfach Gehorsam und setze den auch durch. Nach dem Motto: Wer sitzt kann nicht rumhibbeln und wer nicht rumhibbelt, kann sich nicht ins Rumhibbeln reinsteigern.
Andererseits muss ich meinem Hund auch mal die Möglichkeit geben, seine Emotionen in einem sinnvollen Rahmen abzubauen. Hier kam dafür in aufregenden Situationen immer mal wieder ganz bewusst (und stark reguliert) das Zergel oder eine Beißwurst zum Einsatz. Oder er durfte mal nach Freigabe wild rumrennen, um den Stress rauszulassen. Jetzt, wo das Tierchen erwachsen ist, ist auch festes Kraulen mal eine gern gesehene Alternative (mit einem Jahr war das hier bäh).
Und letztendlich gestehe ich meinem Hund auch mal ein gewisses Maß an Unruhe zu. Anstatt mich da an allen möglichen Momenten der Unruhe (vor dem Gassigehen, vor dem Futter, wenn wir seine Sitterin treffen usw.) aufzuhängen, mich daran abzuarbeiten und damit dem Hund und einem selbst erstmal noch mehr Stress zu bescheren, lohnt es sich, da klare Prioritäten zu setzen und step by step vorzugehen. Weil ja, ein Molosser wird er halt eh nicht mehr.