Allein gelassen und ausgeschlachtet

  • Gestern rief mich eine Junge Frau an. Auf ihren Anruf war ich schon durch einen Tiergnadenhof vorbereitet worden, der allerdings nicht helfen kann.
    Diese Frau hat einen Golden Retriever, einen etwa fünfjährigen unkastrierten Rüden, der zumindest mit fremden Rüden völlig ungenießbar ist. Sie hat sich kürzlich von ihrem Freund getrennt, ist hoch schwanger und wohnt zur Zeit bei einer Freundin die ebenfalls ein Kleinkind hat. Sie steht nun wenige Tage vor der Geburt und der Exfreund hat sich inzwischen nach Ex- Jugoslawien abgesetzt. Seit Wochen sucht sie privat nach einem Platz für den Hund und klappert die Tierheime ab. Niemand kann und will ihn nehmen.
    Was soll die Frau machen? Den Hund aussetzen und sich strafbar machen? Den Hund am Tierheim anbinden? Was?
    Wir können den Hund beim besten Willen nicht nehmen. Deshalb bat ich die Frau mir ein Foto und genaue Angaben zu dem Hund zu mailen, damit ich ihn veröffentlichen kann. Vielleicht findet sich ja sogar unter den Foris ein Platz für den Hund.


    Seit dem Gespräch mit der Frau stelle ich mir immer wieder die Frage, was wir selbst denn tun würden, müssten wir hier raus. Sei es das das Objekt verkauft werden sollte und wir das Geld nicht hätten, sei es eine längere Arbeitslosigkeit, ein Sturmschaden, das ein Baum umstürzt und in eine tragende Wand stürzt, irgendwas. Man steckt ja nicht drin.
    Was würde mit unseren Tieren passieren? Von unseren Hunden sind nur zwei überhaupt vermittelbar, von den Katzen überhaupt keine. Darunter sind sieben Freigänger die sich von keinem Menschen anfassen lassen. Die Wohnungskatzen sind Infektionsträger. Ein Tierheim könnte sie auch dann nicht aufnehmen, wenn es wollte. Der Großteil der Katzen müsste also sofort eingeschläfert werden und von unseren 11 Hunden würden mindestens 9 Hunde das Tierheim nie wieder verlassen. Dazu käme noch, dass kein Tierheim im Landkreis über die notwendigen Kapazitäten verfügt. Die Gruppen würden zwangsläufig auseinander gerissen. Für die Tiere wäre das die Apocalypse.
    Natürlich bin ich vielen Organisation im Tierschutz schon auf die Füße getreten und bekannt wie ein bunter Hund. Im Allgemeinen würde man unsere Tiere schon deshalb nicht aufnehmen, weil sie von mir kämen. Die Gelegenheit wäre einfach zu günstig. Aber selbst wenn wir Tierheime finden würden die unsere Tiere nehmen würden und könnten, im Falle einer Katastrophe wie oben beschrieben, könnten wir die Abgabegebühren vermutlich überhaupt nicht bezahlen.
    Also. Was sollten wir dann tun? Die Tiere irgendwo anbinden, die Impfpässe und umfangreiche Beschreibungen der Tiere beilegen und das Veterinäramt verständigen? Abgesehen von der Strafbarkeit wäre unser ganzer Lebensinhalt zum Teufel. Niemand würde uns mehr zuhören und im Tierschutz bekämen wir nie wieder ein Bein auf den Boden.
    Eine andere Möglichkeit wäre, mit den Tieren praktisch im Freien zu campieren. Dann würden sich aber zwangsläufig in kürzester Zeit Zustände ergeben, wie man sie in Eberswalde (die 231 Hunde) vorgefunden hat. Dann wäre der Tierschutz bestimmt schnell zur Stelle, würde die Presse mitbringen, die Tiere auf zig Heime verteilen, etliche von ihnen umgehend einschläfern und über den Medienrummel noch reichlich Spendengelder für die gute tat kassieren. Ganz ähnlich wie in Eberswalde. Die Hunde sind auch verteilt worden und standen schon zwei Wochen nach der Aktion zur Vermittlung. Allein meine Erfahrung sagt mir, dass aber bestimmt ein Drittel dieser Tiere völlig unvermittelbar ist und bleiben wird. Was ist mit denen?
    Tierschutz ist ein verdammt unfaires und mieses Geschäft.


    Wäre so etwas nicht ein wichtiges Tierschutzprojekt? Eine Organisation die sich speziell um Notlagen wie die der jungen Frau, um Fälle wie Eberswalde oder um Tierheime und Gnadenhöfe die aufgeben müssen kümmert.

  • Zitat

    Warum ist dein kein Tierheim bereit diesen fünfjährigen Rüden zu übernehmen?


    Liebe Grüsse,
    Björn


    Tatsächlich keinen Platz, kein Geld, kein geeignetes Personal, keine Lust weil schwer vermittelbar. Keine Ahnung.


    Die Wahrheit erfährt man fast nie. Die Tierheime nicht, warum der Hund tatsächlich abgegeben wird und die Interessenten auch nicht- aus den unterschiedlichsten Gründen.


    Ich habe abgelehnt weil wir noch mehr Tieren nicht gerecht werden können. Ist jetzt schon schwer. Die anderen- don't know.

  • Ich denke das Problem fängt schon viel früher an. Jeder vermehrt wie er will, jeder kann sich einen Hund anschaffen, keiner kontrolliert die artgerechte Haltung und Erziehung (wer auch ?), zuwenige machen sich wirklich Gedanken über die Bedürfnisse, die Veranwortung und die Arbeit die ein Hund macht und wenns nicht funktioniert werden sie einfach abgegeben oder ausgesetzt.


    Selbst ein Großteil der Züchter ist nur profitorientiert und gibt seine Welpen ohne vernünftige Kontrolle, Aufklärung und Nachbetreuung ab. Wie oft lese ich „Vizlawelpen, Eltern nicht jagdlich geführt“ ... will heißen ein BC, dessen Eltern im Keller vegetierten braucht auch keine Beschäftigung !?
    Wenn ich eine Vorkontrolle mache und merke, das kann nicht gut gehen, lehne ich die Vermittlung ab. Manche sind einsichtig, andere nicht und die bekommen von irgendwo anders einen Hund. Viele TSV sind gar nicht in der Lage ihre Hunde vernünftig vor- und nachzubetreuen, es mangelt nicht nur am Geld, sondern auch an freiwilligen Helfern.


    Hinzu kommt die sehr schlechte Qualität unserer Hundeschulen. Für alles muß ich in Deutschland eine Ausbildung haben, eine geforderte Qualifikation, aber Hundetrainer darf sich jeder Depp nennen. Eine nicht unerhebliche Zahl unserer Problemhunde hätte durch qualifizierte Ausbilder vor dem Schicksal TH bewahrt werden können. So vertraut sich der Laie einem Trainer an und glaubt bei dessen Versagen, daß er einen dominanten (ich liebe dieses Wort :boese: ), nicht erziehbaren geschweige denn sozialisierbaren Hund hat.


    Wären die Vorbedingungen besser, geregelter, kontrollierter und würden ALLE vom Züchter, über das Veterinäramt, die TSV und TH bis hin zum Trainer zusammenarbeiten, hätten wir auch Platz in unseren TH für wirkliche Notfälle !

  • Zitat

    ....daß er einen dominanten (ich liebe dieses Wort :boese: ), nicht erziehbaren geschweige denn sozialisierbaren Hund hat.



    Wieso soll gerade ein solcher Hund nicht erziehbar sein?
    Und außerdem muß da schon vorher einiges schiefgelaufen sein.

  • Schon alles richtig- so weit.
    Man könnte natürlich darauf hinwirken das:
    Hunde nur noch in geeignete Hände abgegeben werden,
    Trainer und Ausbilder sich wirklich qualifizieren müssen,
    der Beruf des Tierpflegers atraktiver wird,
    Tierschutzorganisationen mehr Geld und größere Kapazitäten bekommen,
    und, und, und, und, und,......


    Aber bis dahin..? Es ist ein weiter Weg und würde selbst dann noch Generationen brauchen, wenn wir jetzt anfangen würden an dem Bewusstsein von "Tierliebhabern" und der Öffentlichkeit zu arbeiten.


    Was passiert aber hier und jetzt? Wie kann man dieser Jungen Frau und dem Hund in der aktuellen Situation helfen. Sie ist ja kein Einzelfall. Es gibt hunderte solcher Fälle- täglich!


    Was ist mit Fällen wie Eberswalde- Animal Hording? Da wäre ein Eingreifen erforderlich. Psychologische Hilfe für die Betreiber, Rechtssicherheit für das Veterinäramt, und das im Vorfeld einer sozialen Katastrophe für Mensch und Tier. Und eine Auffangstation mit Platz, Geld und Zeit, damit die Hunde/Tiere nicht auseinander gerissen würden und ihrem Naturell entsprechend vermittelt werden könnten, wenn eine solche Station nicht zu retten ist.


    Was ist mit "gut geführten" Gnadenhöfen, die plötzlich vor dem Aus stehen? Man denke nur an die vielen kleinen Vereine die von der Arche2000 abhängig waren.


    Was ist mit Kontrollmechanismen die solche Desaster vermeiden helfen? Sollten diese nicht geschaffen werden.


    Für uns hier, für die derartige Meldungen nur statistische Zahlenspiele sind, uns betroffen oder zornig machen, uns unsere Ohnmacht erkennen lassen, die vielleicht im Rahmen der eigenen Möglichkeiten helfen, ist es verhältnismäßig einfach. Für die betroffenen Menschen und Tiere stehen aber soziale und existenzielle Tragödien dahinter.


    Sollte man nicht irgendwo und irgendwann den Anfang machen etwas zu ändern? Jetzt?


    Was ist mit den

  • Hund Es gibt genauso wenig einen dominanten wie einen nicht erziehbaren und mit wenigen Ausnahmen einen nicht sozialisierbaren Hund !!!!


    Lies dir den ganzen Satz nochmal durch. Meine Aussage war, daß unqualifizierte Hundetrainer, wenn sie nicht mehr weiter wissen oder ihre Vorgehensweise vollkommen falsch war, wenn aus einem Problemchen ein ernsthaftes Problem geworden ist, der Hund entsprechend den oben genannten Attributen bezeichnet und aufgegeben wird - Was mit fachlich kompetenter Beratung nicht passiert wäre !

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