Umgang mit Übersprungshandlungen und Co

  • Um auf den Kern der Probleme zu kommen, muß ich leider weit ausholen.
    Ich hoffe, Ihr verzeiht die Länge des Beitrages.
    Doch der ist notwendig, um den ganzen Hintergrund zu verstehen.

    Im vergangen Jahr haben wir einen Dalmatiner übernommen.
    Damals 9 Monate alt und total verkorkst.
    Es wurde absolut nix mit ihm gemacht und er wurde falsch ernährt.
    Daheim wurde nur gebrüllt, dann wurde aus ihm ein Trennungsopfer der nur noch hin- und hergeschoben wurde.
    Menschen bedeuteten ihm überhaupt nix. Er hat nie eine Bindung mit einem Menschen gehabt.
    Sozialisierung - Fehlanzeige
    Umweltreize - Panik
    Gesundheitlich im Eimer
    in diesem Zustand kam er zu uns.
    Leider wissen wir nicht, was wirklich alles vorgefallen ist. Es läßt sich einiges Vermuten. So z.B. das er auch geschlagen wurde, denn er zuckte sofort zusammen, wenn man den Arm hob, eine Fliegenklatsche in der Hand hatte usw.
    Zunächst wurde der Gesundheitszustand verbessert mit Hilfe einer Ärztin, die sich auf diesem Gebiet spitzenmäßig auskannte.
    im Februar wurde er kastriert, was sich danach entzündet hatte, weil beim Gassigang Dreck in die wunde kam.
    im Mai mußte er wegen einer Sesambeinfraktur im Vorderlauf operiert werden (wurde zuvor ein halbes Jahr auf Schulterzerrung behandelt)
    Was jetzt schon zu bemerken ist, eine auslastung war auf Grund seinen gesundheitlichen Zustandes nicht möglich.
    Das kuriose: Nach jeder Schmerzhaften angelegenheit, bekam er mehr Vertrauen zu uns. áuch wenn sich dies komisch anhört.
    Sämtliche Strategien, ihm etwas beibringen zu wollen - scheiterten.
    Er reagierte auf nix, nicht auf Leckerlie, nicht auf Lob, nicht auf den clicker.

    Er hat sage und Schreibe 1 Jahr gebraucht um seine Vergangheit zu bewältigen. 2 wochen lang litt er unter massiven Alpträumen.
    Nach vorsichtigem Wecken war er total orientierungslos, das Herz raste und völlig außer Atem.
    Nach ein paar Minuten hatte er sich dann beruhigt und ist dann ruhig eingeschlafen.
    Seit dem diese Phase vorbei ist, beginnt er nun auch langsam zu lernen.
    Und das Lernen fällt ihm unendlich schwer.

    ich gehe mit ihm auf einen Hundeplatz. Dort fühlt er sich auch wohl und arbeitet teilweise gut mit.
    Er lernt auch langsam die Körpersprache der Hunde - auch wenn er sie noch nicht so richtig versteht.
    Es sind auch Hunde dort, die ihn erziehen - und ihm die Körpersprache lehren.

    Ihr seht: Defizite auf der ganzen Linie.

    Meine Probleme:
    Ein leidiges Thema - Leinenaggression.
    Er gebärdet sich, als würde er seinen Gegenüber zerfleischen wollen.

    Hier bin ich dabei ihn gerade an ein Halti zu gewöhnen. Doch noch ist er nicht soweit, als daß ich mit Halti rausgehen könnte.

    Übersprungshandlungen:
    als Beispiel - Trainingsstunde ist vorbei und die nächsten kommen.
    Er sieht den anderen Hund kommen und vorbei ist mit Lernen.
    Wenn er jetzt zu dem anderen Hund hingeht (ohne Leine), baut er seinen Streß ab und schnappt kurz nach dem Hintern des anderen Hundes.
    Danach ist das wieder vorbei.

    Wie kann ich diesen Handlungen einhalt gebieten?

    Ich hab versucht, mich so kurz wie möglich zu fassen.
    Ach so. Er ist jetzt 21 Monate.
    pauline

  • Ich würde mal so spontan sagen, Du solltest nicht das bisherige Vertrauen durch ein Halti wieder aufs Spiel setzen, sondern genauso gut und langsam wie Du angefangen hast, das Training weiter ausbauen.

    Dein Hund hat soviele Defizite, die Ihr aufarbeiten dürft, da ist doch ein Schnappen nach einem Hund unter ferner liefen zu sehen und erscheint doch eigentlich nur auf dem Trainingsplan für Anfang/Mitte 2008. :D

    Bis dahin ist vorauschauendes Handeln Deinerseits gefragt, dass Dein Hund nicht wirklich einen anderen Hund ernsthaft erwischt.

  • Deshalb gehe ich auch mit dem Halti nur ganz ganz langsam vor.

    Ich selbst habe ja 2Hunde.
    Leider nimmt er sich die "guten Eigenschaften" des anderen nicht an.
    Bin ich nun mit beiden unterwegs und treffe einen Hund ist es richtig stressig.
    Der andere freut sich "Hurra ein Hund zum toben" (er ist 3 Jahre alt und super sozial) und der andere "Komm her ich zerfleisch Dich"

    Hinzu kommt, das er in fremder Umgebung Angst hat.
    Das bedeutet, das er in dieser angespannten Situation total gelähmt ist.
    Er reagiert dann auch nix mehr.
    Sprich - bei ihm kommen sehr viele Faktoren auf einmal zusammen, was das arbeiten mit ihm nicht gerade leichter macht.

    Ich versuche das alles mal zusammen zu fassen:
    - Angst in fremder Umgebung
    - unter Streß keine Reaktion auf Lob, Leckerchen usw. Ablenkung ist also Fehlanzeige
    - das Thema Vertrauen ist im Laufe der Zeit Gott sei Dank gewachsen
    - "Ich zerfleisch Dich" unterwegs und an der Leine
    - Hundeplatz ok - bis auf die Überspungshandlungen
    - und dann das, was alle Hundehalter kennen: die gewollte Taubheit und Stursinn.
    Also - alles in allem eine "perfekte" Mischung.

    Pauline

  • :winken:

    Oha, da kommt mir einiges bekannt vor!
    Wir haben unser "Hasi" mit fast vier Jahren zu uns genommen und es war eine mitlere Katastrophe.
    Er ist geschlagen und gequält worden. Speziel an der Leine wurde er geschlagen und dies immer, wenn ein Hund kam und er zu ihm wollte.
    Was wahrscheinlich zu Anfang eine freudige Begrüßungsgeste war, wurde durch das Schlagen zu immer mehr Aggression gegenüber dem herannahenden Hund.
    Wir haben auch versucht, in einer Hundeschule Hilfe zu bekommen, aber in solch einem Fall kann ich dir nur raten, wie wir einen Profi zu kontaktieren.
    Fakt ist, in einer HS lernt er zwar viel, aber es kann nicht ausreichend auf deinen Hund eingegangen werden und demnach nicht intensiev genug auf seine Probleme eingegangen werden.
    Uns haben die Trainingsstd mit der "Hundeverhaltensforscherin" sehr viel weiter gebracht und vorallem habe ich gelernt, wo meine Fehler liegen.

    Ich kann nur jedem raten, der einen Hund übernimmt und nicht weiß, was mit ihm zuvor passiert ist, sich Professionelle Hilfe zu holen.

    LG nadine

  • Ich würde bei dem Tier vielleicht eher zu einem Halti Harness raten und zu Einzelstunden mit dem Trainer bei Spaziergängen, damit ihr nicht nur das Training auf dem HuPla habt, sondern auch gezielte Trainings in der normalen Lebenssituation.
    Vermutlich - wirklich nur eine Vermutung - ist die Leinenagression auch nur eine Angstagression und diese dann mit einem normalen Halti begegnen zu wollen, halte ich für nicht gerade vertrauensfördernd und auch nicht das richtig Mittel der Wahl.
    Als kleiner Tipp, versuche schon vorher die Aufmerksamkeit von dem Hund zu bekommen, noch bevor er den anderen Hund sieht.
    Und wirklich ganz wichtig, hol dir einen Trainer, der mit euch zusammen Gassi geht, der kann dir dann genau sagen, worauf du achten musst und was du tuen kannst und was besser nicht.

  • Hallo Pauline,

    ich kann gut nachvollziehen, was ihr gerade meistert. Wir haben 3 Hunde, zwei davon sind selbstsicher, sozial und an der Leine ohne Probleme. Ein Hund ist so ähnlich wie deiner. Er hat Angst- und Panikattacken und wir üben bereits seit 2 1/2 Jahren an seiner Selbstsicherheit und seinem Vertrauen. Mal mit mehr, mal mit weniger Fortschritten. Auch wir mussten uns einen Profi suchen, der uns jedoch nur bedingt helfen konnte, jedoch sehr ehrlich zu uns war und sagte, es brauche mindestens noch 2-3 Jahre, bis der Hund einigermassen leinenverträglich ist. Das ist jetzt 9 Monate her. Wir haben bereits viele kleine Fortschritte gemacht, aber auch mal wieder Rückschritte.

    Wir gehen mit unserem Hund viel alleine raus, damit wir uns voll auf ihn konzentrieren können. Er braucht unsere Sicherheit und es macht sich nicht so gut, wenn wir dann noch einen Hund bei haben. Ein Halti kann ich dir leider auch nicht empfehlen, als wir das eine Zeit lang benutzten, verlor der Hund jegliches Vertrauen zu uns.

    Momentan haben wir recht wenig Hundekontakte, weil er noch einen ziemlich grossen Abstand zu anderen braucht, damit er noch auf uns reagiert. Es ist nicht so wie du schreibst, die gewollte Taubheit und Sturheit deines Hundes, sondern er kommt so sehr in Stress, dass er nichts mehr um sich herum wahrnimmt, auch nicht dich. Du musst den Zeitpunkt vorher ab passen. Es ist nicht einfach, ich weiss. Versuche es mal, einen grossen Bogen um das sogenannte Objekt zu machen (das können einige zig Meter sein) und schaue, ob er sich dann beruhigt. Wenn seine Körperhaltung entspannter wird, fange an sein Interesse auf dich zu ziehen. Lobe ihn, aber nur wenn er entspannt und bei dir ist. Mache dann etwas mit ihm, was ihm gefällt. Wir spielen dann immer verstecken oder machen Suchpiele mit tollen Leckerlis.

    Habt ihr schon ein Kommando aufgebaut so wie "Schau hier" und er schaut dich an? Habt ihr ein Kommando, wo du ihn ein wenig beruhigen kannst, so wie "Ruhig"? Wir haben dass erst zu Hause auf dem Grundstück geübt ohne Ablenkung und Reize von aussen. Es dauert natürlich alles seine Zeit.

    Wichtig ist jetzt aber erstmal, dass du ihm die Sicherheit gibst, wenn ihr unterwegs seit und schaust, wieviel Abstand er zu anderen braucht. Versuche erst mal so weit wie es geht, ihn nicht ständig mit Sachen zu konfrontieren, die ihn in Stress versetzen. Das könnt ihr alles später noch machen.

    Gruß Henner

  • Hallo,

    wir hatten so ähnliche Probleme mit unserer Maus...
    Wir haben seit März eine ganz tolle Trainerin (Animal Learn) und
    auch wenn es etwas teuerer ist haben wir mit ihr bis heute große Fortschritte gemacht.

    Die Leinenagression ist momentan sogut wie bei "null". HURRA! Es kommt immer auch ein wenig auf die anderen Hunde an.
    Das gut an dieser Trainerin ist, daß wir nichtnur auf einem Hundeplatz trainieren, sondern dort, wo wir spazieren gehen usw.

    Das Halti wurde uns von einer anderen Trainerin vorher empfohlen, was die ganze Sache nur noch schlimmer machte :kopfwand: .
    Habe von unserer jetzigen Trainerin ein Buch bekommen "Trainingsbuch Calming Signals". Hier stehen sehr aufschlussreiche Sachen und deren Lösungen drin. Vielleicht kann es euch auch helfen.

    Alles liebe
    Sandra

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