Hundeerziehung: Führung, Dominanz oder Laisser-faire... eure Meinung interessiert mich! :)

  • Sehr interessantes Thema, menschliche Verhaltensweisen. Ein weites Feld...
    Ich versuch mal, wieder zum Tierverhalten die Brücke zu schlagen.


    Jeder hat mehrere Zonen um sich herum, die Zone, wo ich Fremde gern sehen möchte, die private Zone, in die ich nur Freunde lasse, und dann am nähesten die Intimzone, in die ich nur den Partner lasse.
    Bei Tieren, die in sozialen Gefügen leben, ist das ähnlich, wobei das individuell ist, wie gross die jeweilige Zone ist bzw. wie weit weg vom Individuum.


    Tiere und auch Menschen, die meine individuelle Grenze überschreiten, nehmen wir als distanzlos und aufdringlich wahr und fühlen uns bedroht.


    Heute auf der Pferdekoppel hatte ich grad wieder so ein Erlebnis:
    Ich will mein RB- Pferd holen, ein Andalusier, der ein bisschen anders tickt als andere, weil er aus schlechter Haltung kommt, bedrängt nicht nur mich, sondern auch das Pferd, das ich holen will. Er fühlt sich wirklich wie verheiratet mit meinem Pferd, er kontrolliert innerhalb der Herde (Wallachherde) jeden Schritt von ihm, hat Verlustgefühle, wenn mein Pferd weg kommt und wiehert ihn ewig nach.
    Der stellt sich mir echt direkt in den weg und ich hab heute 10 Minuten gebraucht, bis ich ihm körpersprachlich soweit verklickert hatte, dass er besser einlenkt und sich trollt. Bei ihm muss man auch ein bißchen vorsichtig sein, denn es ist auch denkbar, dass er sich umdreht und dir eine wischt.


    Das alles ging ohne Reden bzw. mit einem Wort, nämlich "Weg!". Vorsichtig, und aber auch deutlich.


    So ähnlich mache ich es, wenn wir ungebetene Hundebegegnungen haben. Ich muss nicht jeden zu mir her lassen, wenn ich das nicht will.
    Meine Hunde auch nicht, wobei sie nix regeln, das mache ich.


    Ich glaube, besonders bei Frauen ist vielleicht das Hauptproblem, dass wir oft doch unterschwellig dazu erzogen worden sind, nicht für uns einzustehen, weil wir gemocht werden wollen und gefallen wollen.
    Jemand, der um jeden Preis gefallen will, ist aber kein Leader, sondern ein Follower :roll:



    Die Kunst, finde ich, ist, seinen Weg zu gehen, seine Grenzen zu setzen, auch mal deutlich zu werden, wenn's mal sein muss, gleichzeitig aber abzuwägen, wo es sich lohnt, einen Konflikt heraufzubeschwören bzw. auszutragen, und wo der Klügere einfach nachgibt und sein Ding weitermacht. Und dabei auch immer offen für Neues und Anregungen zu bleiben, ohne sich gleich persönlich herabgesetzt oder angegriffen zu fühlen.


    Ich sehe mich schon als der, der hier die Hosen anhat, aber gleichzeitig hab ich in der (letzten) Hundeschule immer auch gern angenommen, was unsere Trainerin uns mitgegeben hat, weil sie sehr plausibel und mit großem Einblick in die Hundepsyche immer erklärt hat, wie das beim Hund ankommt, was wir gerade planen oder machen. Man muss auch akzeptieren, dass man selbst nicht allwissend ist und die eigenen Gefühle oder Gedanken nicht der Weisheit letzter Schluss sind.


    So, Ende der Predigt :lol: ;)

  • Also in meiner Kindheit hat sich kein Mensch über Körpersprache von Hunden Gedanken gemacht. Mir scheint dieses Verstehen wollen eher ein neues Phänomen.

    In meiner Kindheit war es normal, Hunde und Kinder zu verprügeln ... und Marlene Dietrich fand man doof, weil sie mit den Nazis nichts zu tun gehabt haben wollte.


    Irgendwie ist es mir lieber, wie es heute ist.


    Das mit dem "neuen Phänomen" liest sich ein bisschen abwertend.
    Hat ein "Geschmäckle" von trendy, schnell vorbei, dann kommt wieder was Neues.


    Ich hoffe, dass das nicht so ist und die autoritären, empathielosen Zeiten aus vielen Köpfen verschwunden sind.

  • Rudelführer als Begriff ist einfach so negativ besetzt... ich sehe meine Hunde ohnehin als Familienmitglieder, und ich bin eben das Familienoberhaupt, zusammen mit meinem Mann.
    Wir agieren zusammen miteinander, aber das letzte Wort liegt bei mir.


    Die Jungs sind auch beides Charaktäre, die Führung brauchen und suchen. Ohne gewisse Regeln und bestimmten Umgang fallen sie wegen Überforderung und Verunsicherung in unschöne Verhaltensweisen.



    Sowas wie Rangordnung ist wohl oftmals vorallem situationsbedingt (auch wenn es bei einigen sicherlich auch den "Boss" oder die "Chefin" gibt, was nie in Frage gestellt wird von den anderen Hunden im Haushalt).


    Oft schon bin ich gefragt worden, wer bei den Jungs das Sagen hätte. Das ist bei uns aber nicht fest, und auch in gleichen Situationen nicht immer genauso.
    Eher ist es eine Sache des Respekts untereinander, wenn der eine mal etwas dünnhäutiger ist und seine Ruhe will, und der andere halt dann sofort nachgibt und Abstand hält.
    Ein anderes Mal ist es wieder umgekehrt. Und wenn beide dünnhäutig sind, wird sich auch mal angeblökt.

  • Rudelführer als Begriff ist einfach so negativ besetzt...

    Nach meinem persönlichen Empfinden, ist dieser Begriff aber erst negativ besetzt worden, seit es diese Bewegung gibt, die ein Gegner dieses Begriffs ist.


    Die Hunde verhalten sich nicht anders dadurch, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Mench erst seit 20 Jahren weiß wie man mit Hunden umgeht.


    Das einzigste was mir auffällt ist das, wenn man dem Bild trauen kann das sich die Öffendlichkeit selbst gibt, Tiere im allgemeinen "schmerzfreier" behandelt werden.


    Natürlich verallgemeinert und vereinfacht ausgedrückt.

  • Hi, wenn ich das beurteile, was ich von früher her aus dem Dorf kenne: Da ist eigentlich kein großer Umgang gepflegt worden. Die Wachhunde haben ihren Hof geschützt - je nachdem im Zwinger, angebunden, eingezäunt oder auch komplett frei.


    Die kleineren Familienhunde sind größtenteils im Dorf gestromert und haben ihr Ding gemacht. Wenn die mal gejagt haben, hat das außer den Jägern niemanden wirklich interessiert. Erziehung war meistens Fehlanzeige, eingeschlossen den Hund, den ich als Kind hatte.


    Jagdhunde wurden jagdlich ausgebildet und geführt (über die Methoden will ich gar nicht so viel wissen). Wenn kein Einsatz war, waren sie im Zwinger. Auch unser Schäfer hatte seinen Hund im Zwinger, wenn die Schafe im Pferch waren.


    Und da gabs dann noch die Schäferhund- und Rottweilerleute mit der Wach- und Schutzhundausbildung. Von der weiß ich mehr, als ich wissen will ...


    Als Dorfmitbewohner wusste man, welche Hofeinfahrt man großräumig umlaufen musste und welchen Hunden man im Freilauf aus dem Weg gehen sollte.


    Ich denke schon, dass Hundehalter gerade in den letzten 20 Jahren sehr dazugelernt haben. Aber dsas Lebewesen Hund auch immer noch sehr aus menschlicher Perspektive sehen und beurteilen. Und der „Rudelchef“ ist aus meiner Sicht sehr menschliches Denken ;)

  • Nach meinem persönlichen Empfinden, ist dieser Begriff aber erst negativ besetzt worden, seit es diese Bewegung gibt, die ein Gegner dieses Begriffs ist.


    Ich sehe das eher so: Dieser Begriff ist dadurch negativ besetzt worden, dass damit rabiate Methoden Marke CM beschrieben und gerechtfertigt wurden. Und dazu kam die Erkenntnis, dass die gesamte Basis dieses Konstrukts so einfach nicht stimmt: Weder sind Hunde wie Wölfe organisiert, noch kann man überhaupt aus der Beobachtung von Gehegewölfen auch nur auf "normales" Wolfsverhalten schließen. Was diese ganze darauf basierende "du musst Rudelchef sein"-Geschichte schlichtweg völlig über den Haufen wirft.

  • Aber dsas Lebewesen Hund auch immer noch sehr aus menschlicher Perspektive sehen und beurteilen. Und der „Rudelchef“ ist aus meiner Sicht sehr menschliches Denken

    Ich glaube das Problem liegt sogar so, dass der Mensch von sich selbst eine Vorstellung hat, von seiner Moral, von seinem Verhalten, die er selbst nicht erfüllen kann, und wenn ich das auf einem Hund übertrage, kann es nicht funktionieren.


    Und dann kommt man sehr schnell zu Erkenntnis, das man Hunde nicht mit Menschen vergleichen kann.


    Da, denke ich, ist das Problem begraben.

  • Ich glaube das Problem liegt sogar so, dass der Mensch von sich selbst eine Vorstellung hat, von seiner Moral, von seinem Verhalten, die er selbst nicht erfüllen kann, und wenn ich das auf einem Hund übertrage, kann es nicht funktionieren.
    Und dann kommt man sehr schnell zu Erkenntnis, das man Hunde nicht mit Menschen vergleichen kann.


    Da, denke ich, ist das Problem begraben.

    Ich versteh grad nicht, wie du das meinst - wie meinst du das? =)

  • Spannende und hochphilosophische Diskussion :smile: Da kommen wir ganz schnell zu existenziellen Themen.


    @DerFrechdax Genau weiß ich es auch nicht. Aber tatsächlich gibt es ja ein ganz klare Ideal in unserem abendländischen ideologisch/moralischem Kontext. Einen Ethos, den im realen Leben so gut wie niemand erfüllt - oder auch nur erfüllen kann. Und psychologisch gesprochen treibt uns so viel an, das weder zu unserem Eigenbild passt noch von uns bewusst gesteuert werden kann.


    Wenn man diese ideologischen Ansprüche und Moralvorstellungen und Identitätsvorstellungen dann einem Wesen aufpropft - wie dem Hund - der mit den ganzen Ideologien nix zu tun hat, dann kann das nur schiefgehen. Hat sich sehr schön an der Diskussion um Chico gezeigt, wo dann Konstrukte wie Schuld, Sühne, Unrecht, Gerechtigkeit, Strafe und absichtliche Gewalt gegenüber Schwächeren etc. in die Debatte geworfen wurden, die dann ein dermaßen gruseliges Ausmaß erreicht hat ...


    Wie gesagt - ich finde das superspannend. Führt hier aber vielleicht ein bisschen weit ...

  • Nur ob unser moderner verkopfter Umgang immer so das nonplusultra ist? Früher war nicht jeder grausam und heute ist nicht alles rosarot und Gewalt hat viele Gesichter, nicht nur der verprügelte Hund.
    Was mich schon zum Nachdenken damals anregte: Eine Bekannte, die aus einem kroatischen Dorf hierher nach München kam sagte: In Kroatien liefen die Familienhunde halt rum oder bewachten den Hof, aber sie waren normal. Hier in München machen die Leute an ihren Hunden rum und fast jeder hat eine Macke.

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