Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2
- Hummel
- Geschlossen
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"O Brother" - John Niven
In diesem nicht fiktiven Werk verarbeitet der Autor den Verlust seines jüngeren Bruders Gary, genannt "Shades", welcher sich vor einigen Jahren das Leben nahm.
Dabei scheut Niven sich nicht, sehr offen die Familiendynamiken zu schildern, auch Gary wird nicht zum Heiligen glorifiziert, im Gegenteil, Niven beschreibt die weniger noblen Charakterzüge des Bruders schonungslos ehrlich und verheimlicht nicht, wie gegensätzlich sein Leben zu dem des Bruders verlief: Während Niven aus Schottland nach England zog, lange in der Musikbranche tätig war und sich schließlich neu orientierte, um Schriftsteller zu werden, geriet Gary schon als Jugendlicher in schlechte Kreise. Er begann, mit Drogen zu dealen, was ihm schließlich auch eine mehrjährige Haftstrafe einhandelte. Garys jähzorniges Temperament, sein oft impulsives Handeln, seine Schwierigkeiten, Verantwortung zu übernehmen - all das machte ihn auch für die Familie nicht selten zum "schwarzen Schaf", zum Außenseiter, unverstanden und auch auf den Leser nicht unbedingt sympathisch wirkend.
Vielleicht hätte Gary seine Lebensgeschichte ganz anders erzählt. Schließlich ist es der ältere Bruder, der akademisch vorankam, der sich einen Namen machte, der hier aus Geschwisterperspektive schildert, wie Garys Jahre auf Erden verliefen. Dabei hatten die beiden nicht unbedingt immer engen Kontakt zueinander, es gab Spannungen, und erst nach Garys Su*zid fand John heraus, wie desolat der Bruder zuletzt gelebt hatte, wie fragil auch sein psychischer Zustand mitunter gewesen war.
Doch Niven ist es gelungen, aus der Sicht eines hinterbliebenen Familienmitglieds die Fragmente zu etwas Ganzem zusammenzusetzen. Er gibt nicht vor zu wissen, was in Gary vorging, warum er so schwierig sein konnte, er versucht zwar, Antworten zu finden auf all die Fragen, die sich die Familie seit Garys Tod wieder und wieder stellt, doch zugleich räumt er gerade dieser eigentlichen Unmöglichkeit Platz ein.
Für mich las sich "O Brother" sehr ergreifend, mal ist es heiter, mal düster, und Nivens schriftstellerische Fähigkeiten machen das Werk zu einer besonders eindringlichen, packenden Lektüre.
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Darren Naish - Hunting Monsters
Ein Ausflug in die Welt der Kryptozoologie. Der Autor selbst ist Biologe und will den Ursprüngen und der Entwicklung hin zur modernen Forschung auf den Grund gehen. Leider wird es die xte Aufzählung der all zu bekannten Geschichten rund um Seemonster (machen fast die Hälfte des Buches aus), Nessie, Bigfoot, Mokele Mbembe, etc. Und man merkt dem Schreibstil des Autors sehr deutlich an, dass er die Leute, die sich in moderner Zeit eher der Monsterjagd bei der Kryptozoologie verschreibt und auch frühere Augenzeugen und Forscher, mit ziemlicher Geringschätzung betrachtet.
Interessant wird es leider nur kurzzeitig, als es den Autor nach Australien verschlägt.
Es wäre interessanter gewesen - wie auf dem Klappentext versprochen - wirklich die Wurzeln und die Geschichte der Kryptozoologie zu ergründen und sich die Teilung der Disziplin in echte Wissenschaft (und deren Erfolge in jüngster Zeit) und Paranormalen Glauben näher anzusehen.
Leider eine verschenkte Chance und auch für Einsteiger, die die ganzen Geschichten noch nicht kennen, gibt es bessere Büher von Autoren, die dem ganzen zwar auch skeptisch/Kritisch gegenübertreten, aber eben nicht so herablassend.
Note: 4,5
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Richard Osman - Wir finden Mörder
Eine laracroftartige Personenschützerin, keine Angst vor nix, eiskalt, soll eine hippieartige Autorin beschützen und dann wird es wild. Irgendwie kommen Influencer ins Spiel, Geldwäsche, ein Auftragskiller mit Chat GPT und dann ist das Buch vorbei und erklärt den Titel. Steve der Schwiegervater und Rosie die Autorin sind nette Charaktere, der Rest irgendwie nur Beiwerk.
Zu gewollt weit weg vom Donnerstagsmordclub. Zu angestrengt. 2 von 5. Aber auch nur weil ich Steve mag!
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Bobby Palmer – Isaac and the egg / Isaac und das Ei
Isaac Addy hat seine Frau verloren. Als die Tage ohne sie immer schlimmer werden, findet er sich schließlich auf einer Brücke wieder, klettert schon über die Brüstung und brüllt seine Wut und Verzweiflung über den Fluss in den angrenzenden Wald hinein. Da brüllt etwas aus dem Wald zurück und Isaac will nachsehen, was da zwischen den Wurzeln so weiß schimmert. Springen kann er später ja immer noch.
Auf einer Lichtung findet er ein Ei, gut einen halben Meter groß, übernatürlich weiß und flauschig mit einem wirren Haarschopf. Isaac nimmt "Ei" mit nach Hause und fortan treibt "Ei" sein Unwesen im Haus und Isaac an den Rand seiner weggeschlossenen Erinnerungen ...
Mit Debütromanen ist es ja manchmal so eine Sache, dass der Autor ganz viel sagen will und darüber Sinn und Struktur vergisst. Das ist hier nicht der Fall. Die Geschichte bleibt dicht bei Isaac und seinem Ei, hat wenige Nebencharaktere, was aber Isaacs Zurückgezogenheit geschuldet ist. Isaac geht es nicht gut, er trauert, er leidet, er vernachlässigt sich, er hat Gedächtnislücken, er will sich auch mit vielen Dingen nicht auseinandersetzen müssen. Der Tod seiner Frau hat ihn gebrochen und hilflos zurückgelassen, das Haus ist immer noch so voll von ihr und ihren Dingen. "Ei" zwingt ihn sich damit zu befassen, die Interaktionen zwischen den beiden sind saukomisch und die Wohngemeinschaft könnte nicht ulkiger sein.
Natürlich steht "Ei" für eine ganze Reihe an Dingen und Themen, die das Buch erforscht. Das ist nicht immer einfach, oft sehr herzzerreißend aber nie schwermütig. Die Aufklärung hatte noch mehr Facetten als ich vermutet hatte. Die letzten Seiten haben es dann noch mal in sich und die Geschichte findet ein rundes, überzeugendes Ende. Für ein Erstlingswerk großartig.
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Tara Westover - Educated
Tara wächst in den Bergen Idahos auf, ihr Vater ist fundamentalistischer Mormone, der seine Familie auf den baldigen Weltuntergang vorbereitet und zuhause ein eiserner Regime führt. Alles was zur Regierung gehört, ist seiner Meinung nach der Feind und dabei ist es egal, ob es sich um die Polizei, Ärzte oder Schulen handelt. So erfahren Tara und ihre Geschwister nie eine Schulbildung. Dennoch gelingt es Tara, sich von ihrer Familie loszusagen und eine akademische Laufbahn einzuschlagen, obwohl sie lange Zeit zwischen der neuen und der alten Welt hin und hergerissen bleibt und immer wieder mit den Traumata ihrer Kindheit zu kämpfen hat.
Ich habe generell so meine Probleme mit Memoiren, doch hier...
Ich weiß, dass es ein Bestseller war, der von allen Seiten mit Lob und Lorbeeren überschüttet wurde, aber der Funke will einfach nicht so richtig überspringen. Nicht, weil es schlecht geschrieben ist oder das Thema uninteressant, sondern weil für mich manche Gesichtspunkte einfach nicht zusammenpassen wollen. Gerade in Taras Kindheit werden bei den Familienmitgliedern Unfälle und Verletzungen beschrieben, bei denen mir einfach der Glaube fehlt, dass man das ohne Krankenhaus (und schwere bleibende Schäden) überlebt hat. Ebenso die Darstellung, dass Tara mit 17 Jahren gerade mal die Grundrechenarten halbwegs beherrscht und lesen kann und damit aus reiner Willenskraft aufs College kommt und ein Stipendium nach dem nächsten erhählt. Ja, sie mag hochbegabt sein, aber auch dann fallen manche Dinge nicht einfach vom Himmel, auch damit muss man lernen, richtig umzugehen, um in der Welt und ihren Bildungsanstalten zu recht zu kommen.
Es ist eine schöne Geschichte, aber als Memoiren hab ich einfach Probleme damit.
Ich will es nicht wirklich bewerten, weil es mir falsch vorkommt, die Erinnerung (?) eines Menschen an seinen Werdegang zu werten.
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Kate Griffin – Fyneshade
"Am Tag der Beerdigung ihrer geliebten Großmutter erfährt Marta, dass sie Gouvernante der jungen Tochter von Sir William Pritchard werden soll. Von ihrem Geliebten getrennt und von ihrer Familie verstoßen, bleibt Marta nichts anderes übrig, als zu Pritchards altem und verfallenem Haus Fyneshade in der Wildnis von Derbyshire zu reisen.
In Fyneshade ist nichts wie es scheint. Martas Schülerin, die kleine Grace, lässt sich nichts beibringen, und Marta findet keinen Trost bei den schweigsamen Dienern, die ihr nicht in die Augen sehen wollen. Noch verblüffender ist, dass Sir William auf mysteriöse Weise abwesend ist und sein Sohn und Erbe Vaughan das Haus nicht betreten darf. Marta fühlt sich zu Vaughan hingezogen, trotz der Warnungen der Haushälterin, dass er eine Gefahr für alle um ihn herum darstellt. Aber Marta ist keine Unschuldige, die sich ausnutzen lässt. Geleitet von der dunklen Gabe, die sie von ihrer Großmutter gelehrt bekommen hat, schmiedet sie ihre eigenen Pläne. Und es braucht mehr als eine von mörderischen Geheimnissen zerrissene Familie, um sie aufzuhalten..."
Ein recht unerwartet fieser und dunkler Victorian Gothic Mystery Thriller. Hat mich sehr an Laura Purcell erinnert, die Protagonistin als Teil eines Herrenhaus-Haushalts aber bei weitem nicht so kleinlaut und vorsichtig. Marta versteht sofort, dass die kleine Grace in ihrer Entwicklung benachteiligt ist (Down-Syndrom wird hier angedeutet), und macht sie sich durch Versprechungen und milde Gaben zur Verbündeten in dem verschwiegenen Haushalt. Marta ist absolut keine liebenswürdige Person, sie versucht aus allem ihren Vorteil zu ziehen und alle gegeneinander auszuspielen, mit dem Hintergedanken, dass ihr Fyneshade einmal gehören soll. Als unzuverlässige Erzählerin baut Marta einen guten Spannungsbogen auf, psychologisch sehr komplex mit einer übernatürlichen Grundstimmung. Das Ende habe ich so nicht kommen sehen, da hätte ich mir aber auch noch gern ein paar mehr Seiten zu gewünscht.
Laut Danksagungen ist Fyneshade stark von Henry James' Turn of the Screw / Die Drehung der Schraube inspiriert und erzählt eine mögliche Geschichte jener Gouvernante, die am Anfang der Geschichte nach Bly kommt. Auch Fyneshade ist im Unterton eine Geistergeschichte, die Charaktere verdammt und heimgesucht.
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Die Legende von Tränenvogel - Der träumende Krieger von Lee Young-Do
Teil zwei der vierteiligen Reihe um vier unterschiedliche Völker und ihre Mission.
Es wurde für meinen Geschmack ein bisschen viel geredet. Trotzdem bleibt es auch in diesem Buch spannend, blutig und macht Lust auf mehr.
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"Billy Summers" von Stephen King
Billy mimt den Einfältigen - denn für ihn als Auftragsmörder ist es ungefährlicher, wenn Auftraggeber und Mittelsmänner ihm zwar zutrauen, jemanden zuverlässig abzuknallen, ihn ansonsten aber nicht für raffiniert halten.
Doch das ist Billy, sehr sogar. Und er hofft, das kann ihm auch bei seinem letzten Auftrag helfen, der so lukrativ ist, dass er sich danach gemütlich zur Ruhe setzen können wird. Doch irgendetwas an der Sache gefällt ihm von Anfang an nicht... Wie er dann, mit falscher Wampe, Klebeschnurrbart und Perücke in einer Kellerwohnung landet und plötzlich auch noch ein junges Mädchen, das Opfer einer Gruppenverg*waltigung wurde, unter seine Fittiche nimmt, davon handet "Billy Summers", ein recht neuer King-Roman.
Bei mir sprang der Funke hier leider nicht über. Es dauert gefühlt ewig, bis die Geschichte mal ins Rollen kommt und tatsächlich was Nennenswertes zu passieren scheint. King lässt sich ausschweifend über Billys diverse Tarnungen und Pläne aus, das alles aber auf eine so würzlos fade Weise, dass ich mich durch die ersten 300 Seiten geplagt habe. Zwar nimmt die Handlung schließlich etwas an Fahrt auf, aber so richtig spannend wird der Roman irgendwie bis zum Schluss nicht. Er bleibt sonderbar uninspiriert, irgendwie mühsam zusammengestückelt, und selbst an den Stellen des Buches, wo es zu Action kommt - zu Racheakten eispielsweise - liest sich das alles so gleichförmig, ala würde jemand bloß eine ellenange Liste herrunterrasseln.
Der "Roman im Roman" ist an sich eine ganz clevere Idee, ich persönlich fand die hier aber auch eher mau umgesetzt. Die Lebensgeschichte, die Billy da über sich verfasst, ist so lieblos von King da reingeklatscht worden, dass ich eher genervt war von den Seiten, in denen Billy sich über seine Vergangenheit zum Beispiel als Scharfschütze im Irak auslässt.
Ich brauche jetzt mal wieder eine längere King-Pause.
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Ich habe den früher so gerne gelesen. Gerade auch die Kurzgeschichten (das Sammelbuch "Im Morgengrauen"), aber ebenso die Klassiker, ES, Cujo, Friedhof der Kuscheltiere, Shining, Needful Things, Nebel des Grauens... Von den neueren spricht mich wenig an, wenn ich reinlese. Wobei, "früher" ist locker 25 Jahre her. Vielleicht ändert man sich auch selbst ein bissele
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„Holly“ von King habe ich neulich gelesen und fand es wirklich gut und packend.
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