Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Naoise Dolan – Exciting Times / Aufregende Zeiten


    "Ava ist 22 und hat keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Erst mal weg aus Irland und als Englischlehrerin nach Hongkong. Dort trifft sie Julian, einen Banker, der gern Geld ausgibt. Plötzlich wohnt sie in seinem Gästezimmer, trinkt Clos Vougeot, spricht über Aktienkurse, hat Sex. Meist vermeidet sie die Frage, ob es sie vielleicht zu einer schlechten Feministin macht, dass er alles für sie zahlt, sogar als er für einige Zeit verreist. In seiner Abwesenheit tritt Edith auf den Plan. Edith, die Ava zuhört, wenn sie spricht, ihr Freesien und Tulpen schenkt. Doch dann kehrt Julian unerwartet nach Hongkong zurück …"


    Hierzu kann ich nur schreiben, wer Sally Rooney mag, wird Naoise Dolan ebenso gut finden. Mich hat Exciting Times schon sehr an "Schöne Welt, wo bist du" erinnert (gerade auch wegen der gleichen Hörbuch-Sprecherin), aber es gibt deutlich weniger politische (E-Mail)Monologe. Ava stammt aus Irland, Julian aus dem Vereinigten Königreich, Edith aus Hong Kong, Herkunft, Klasse, Reichtum und Sprache sind tägliche Themen. Besonders interessant fand ich die Einblicke in die Formen der modernen Liebe und Sexualität, gerade bei so unterschiedlichen Charakteren mit so unterschiedlichen Lebenswegen.

  • Ichiro Kishimi und Fumitake Koga – Du musst nicht von allen gemocht werden

    Das Buch basiert auf den Ideen der Individualpsychologie von Alfred Adler und ist in fünf Nächte unterteilt, in denen ein junger Skeptiker einen älteren Philosophen besucht und mit ihm die Frage klären will, wie man ein erfülltes Leben führen kann. Die Kernthemen sind Selbstbestimmung, Gemeinschaftsgefühl, Aufgabentrennung, Leben in der Gegenwart und schließlich Mut zur Unvollkommenheit. Das zwanglose Gespräch der beiden Protagonisten hat für mich den Zugang zu diesem Thema auf jeden Fall erleichtert, obwohl ich die Übersetzung des Jüngeren häufig als sehr gestelzt empfand. Evtl. war das Absicht, der ältere Philosoph war wesentlich entspannter und verzeihender als der, noch von äußeren Einflüssen eingeengte, junge Mann. Für mich schwimmt das Buch dennoch eher an der Oberfläche seiner komplexen Themen, sooo tiefgreifend ist es nicht, es gibt aber interessante Denkanstöße.


    Frans de Waal – Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote

    Ein Sachbuch, das die Ursprünge von Moral und Ethik untersucht. De Waal, renommierter Primatologe und Ethologe, argumentiert, dass die Grundlagen moralischen Verhaltens in der Tierwelt, insbesondere bei Menschenaffen wie Bonobos und Schimpansen, zu finden sind. Er widerlegt die Ansicht, dass Moral und Ethik ausschließlich menschliche Konstrukte sind und zeigt, dass Tiere ebenfalls über Empathie, Kooperation und soziale Normen verfügen. Durch zahlreiche Beispiele und wissenschaftliche Studien veranschaulicht er, dass moralisches Verhalten tief in unserer biologischen Natur verwurzelt ist.


    Waal vertritt einen differenzierten Standpunkt zum Thema Religion, was ich ihm sehr zugutehalte. Er erkennt die wichtige Rolle an, die Religionen in der menschlichen Gesellschaft spielen, insbesondere in Bezug auf die Vermittlung und Verstärkung moralischer Werte und sozialer Normen. Er argumentiert jedoch, dass Moral und ethisches Verhalten tief in der menschlichen Natur verankert sind und nicht ausschließlich auf religiöse Lehren zurückzuführen sind.


    Kernthemen hier sind:

    • Ursprünge von Moral und Ethik aus einer evolutionären Perspektive
    • Beobachtungen von altruistischem und kooperativem Verhalten bei Primaten
    • Rolle von Empathie bei der Entwicklung von moralischen Verhaltensweisen
    • Moral unabhängig von religiösem Glauben
    • Weiterentwicklung der Moral durch menschliche Kultur und Gesellschaft
    • Rolle der Religion bei der Entwicklung und Verstärkung von moralischen Werten
    • Reflexion über die natürlichen und kulturellen Ursprünge der Moral
    • Bewältigung von aktuellen und zukünftige ethischen Herausforderungen

    Für mich war das Buch als "Primaten-Uninteressierte" (trotzdem) sehr spannend und aufschlussreich! Es gibt natürlich auch Verweise zu anderen Tierarten, u. a. Caniden, sowie auch Diskussionen zu Bekoff, Skinner und Pavlov. Auch wenn das Buch (in deutsch) 2015 erschienen ist, ist es immer noch sehr aktuell.


    Padrika Tarrant – Broken Things

    Eine Kurzgeschichtensammlung, sehr düster, oft surrealistisch aber nicht überzogen, mit einem poetischen Schreibstil.

    Die Geschichten sind thematisch miteinander verbunden und konzentrieren sich auf verschiedene Aspekte von Zerbrechlichkeit, Verlust und Isolation. Die Stimmung ist melancholisch und oft verstörend, man fühlt immer, dass irgendwas nicht ganz richtig ist. In scheinbar normalen täglichen Situationen treten surreale, makabre Erscheinungen zutage und lassen einen "schönen Tag zu einem Albtraum" werden. Ich habe es mehr gemocht als ich gedacht hätte, gerade wegen der ruhigen, dunklen Natur und der ungekünstelten, poetischen Prosa.

  • Jess Kidd – The Hoarder / Heilige und andere Tote


    "Bridlemere – ein herrschaftliches Anwesen im Westen Londons, das seine besten Tage bereits gesehen hat. Hier haust mutterseelenallein Cathal Flood. Einst Antiquitäten- und Kuriositätenhändler, ist er längst zu einem Messie verkommen. Sein Sohn hofft, ihn auf Dauer in ein Altenheim verfrachten zu können. Die Neueste in der endlosen Reihe erfolgloser und unterbezahlter Sozialarbeiter, die Cathal nun zur Räson bringen soll, ist Maud Drennan. Unter den wüsten Beschimpfungen des Alten zieht sie beherzt gegen Dreck und Müll zu Felde. Doch trotz aller Unerschrockenheit ist ihr Bridlemere unheimlich. Überall im Haus scheinen verschlüsselte Botschaften zu warten. Wie das Foto von zwei Kindern, auf dem das Gesicht des Mädchens weggebrannt ist. Hat Flood eine Tochter? Wieso weiß niemand von ihr? Und warum hasst er seinen Sohn so sehr? Auch der Tod seiner Frau gibt Fragen über Fragen auf. Maud würde am liebsten alle bedrückenden Hinweise ignorieren. Doch ihre leicht bizarre Vermieterin Renata, die für ihr Leben gern Detektivin spielt, und eine Horde marodierender Heiliger, die nur Maud sehen kann, wittern längst ein Verbrechen."


    Herrliche und urkomische Magical Realism Mystery, fantastische Charaktere, wunderbare Trans-Rep und eine komplexe, dunkle, sich langsam aufschlüsselnde, Krimigeschichte mit einigen Twists. Ich hab es sehr genossen, ich mag die irische Literatur und ihre fluchenden Charaktere halt sehr :D Ich glaube ich habe in Jess Kidd eine neue Lieblingsautorin gefunden.

  • Ich hatte kürzlich ne Kurzgeschichte von ihr, die ich echt gut fand, im Hinblick auf all die anderen Kurzgeschichten in der Sammlung. Ihr Name ist mir schon länger ein Begriff und ich liebäugel so ein bisschen mit The Night Ship.

  • Desiree Amanda - Smithy


    Eine Gruppe von Studenten zieht in den 70er Jahren in ein ehemaliges Schulgebäude, um ein außergewöhnliches Experiment durchzuführen. Unter der Leitung vpn Psychologie Professor Preis-Herald sollen sie einem jungen Schimpansen Zeichensprache beibringen und herausfinden, wie viel Verständnis für Sprache er tatsächlich hat. Doch immer wieder überschatten seltsame Ereignisse die Arbeit und die Spannung zwischen den Teilnehmern wächst.


    Das Buch hat viele gute Ansätze. Die Genremischung ist ansprechend, die meisten der Charaktere sind interessant und auch die Erzählweise ist prinzipiell gut gewählt.

    Nur happert es leider massiv an der Umsetzung an vielen Stellen. So macht die Erzählweise mit verschiedenen Quellen aus Briefen, Publikationen, Tagebüchern und Interviews so lange Sinn, bis plötzlich Videoaufzeichnungen mit eingebunden werden und ein bis dahin unbekannter Erzähler anfängt zu erklären, was auf den Bändern zu sehen ist.

    Außerdem pendelt die Geschichte unentschlossen zwischen Gothik Grusel und den realen Gefahren der Arbeit mit Primaten hin und her und kann sich nicht so wirklich für ein Hauptthema entscheiden un dlässt sich dabei noch unverschämt viel Zeit. Während man als Leser schon nach kurzer Zeit sehr schnell durchschaut, worin das Problem besteht, kommt das Thema der Heimsuchung und Geister für die Charaktere erst nach über 200 Seiten zum ersten Mal.

    Hinzu kommt, dass Ausdrucksweise und Verhalten der Charaktere nicht wirklich zur angegebenen Zeitperiode passen. Zu modern, zu emanzipiert. Die einzigen Charaktere, denen man es abnimmt, dass sie vor 50 Jahren gelebt haben, sind der Professor und die Nachbarn alle anderen gehören in die Gegenwart.

    Auch sind manche Dinge schmerzhaft schlecht recherchiert.


    es gibt einen zweiten Band, ich weiß noch nicht ob die Pros ausreichen werden, dass ich mir den noch ansehe.


    Note: 4,0

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