Gelähmte Hunde

  • Ich war heute mit Pauli wieder bei unserem Physio.


    Vorab: wir haben ein gutes, kollegiales THP-Physiotherapeuten-Verhältnis und ich bin mehr als froh, endlich mit ihm jemanden Kompetentes zu haben, an den ich Kundenanfragen, die eindeutig behandlungstechnisch in den Physiobereich gehören, überweisen kann. Er überweist entsprechend auch an mich oder rück, wenn ein Thema nicht in sein Aufgabengebiet gehört. Unsere gemeinsamen Kunden schätzen diese Kooperation im Sinne ihrer Tiere sehr.


    So haben wir uns natürlich heute auch, wie so oft, (fachlich) ausgetauscht. Bezüglich Pauli hatte er zwischenzeitlich Rücksprache gehalten mit seinen ehemaligen Ausbildern, ob sie so einen Fall wie Pauli schon mal hatten und wenn ja, wie sie hier weiter vorgegangen sind. Er überlegt nämlich, für Pauli Schienen anzufertigen, um die Beine, die Sehnen weiter zu strecken, bzw.gestreckt zu halten.


    Was er mir dann so berichtete, machte mich etwas sprachlos, bestürzt und auch traurig. Die Ausbilder meinten, sie selbst und auch die meisten Physios würden so einen Fall gar nicht erst annehmen, die Behandlung gar nicht erst starten, sondern sich auf die typischen Arbeitsbereiche wie Cauda Equina, Arthrose, Gelenkbeweglichkeit generell fokusieren.


    Warum?


    Weil offenbar die wenigsten Besitzer das wirklich durchziehen. Aus Kostengründen, wofür man Verständnis haben muss, aber auch,weil es ihnen zu langsam voran geht. Da soll es tatsächlich Leute geben, die nach zum Beispiel 10 Sitzungen schon wahre Wunder erwarten!


    Sie raten an, es wenn überhaupt, wie hier nun bei Pauli, es 1 Jahr zu versuchen.Wenn dann die Hüftmuskulatur nicht "aufwacht" und mit(re)agiert, sei es sinnlos.


    Die Sitzungen mit Pauli bei meinem Kollegen sind für mich bisweilen doch ein emotionales Auf und Ab. Ich freue mich über jede positive Äußerung von ihm, sauge sie richtig in mich auf, verliere aber natürlich trotzdem nie das Wissen aus den Augen, dass es eine wirkliche aussagekräftige Prognose nicht gibt. In meinem Job als THP kann und darf ich eine solche auch nicht tätigen.


    Wenn ich mir vor Augen führe, wie stark angewinkelt ( kontrahiert) Pauli`s Beine im Mai/Juni waren, als er zu mir kam und wie weit wir im Vergleich doch schon gekommen sind, stimmt das positiv. Trotzdem weiß ich, dass selbst wenn wir Pauli eines Tages doch auf die Beine bekommen sollten, er nie wieder wird laufen können wie ein "normaler" Hund. Vielleicht wird er sich auf den Beinen halten können, etwas wackelig gehen können.Aber auch hier wären dann Folgeschäden zu befürchten wie Abschürfungen, Schleifspuren, Wunden mit den entsprechenen nötigen Vorkehrungsmassnahmen.


    Mein Physio hat bereits einen gelähmten Hund aus Kroatien und es geschafft, dass dieser wieder geht und steht. 1 1/2 Jahre hat er an diesem Hund unermüdlich hingearbeitet, wobei ihn da sicher auch einige Kollegen, wie ich nun weiß oder erahne, als verrückt bezeichnet haben, dass er sich eine derart vermeintlich aussichtslose Aufgabe antut. Aber genau wegen seines eigenes Hundes und dieser Zähigkeit habe ich nebst seiner fachlichen Qualifikation vollstes Vertrauen zu ihm.


    Seinem Hund geht es prima! Er hat Freude am Stehen und wackeligen Hüpfen :)


    Wenn ich merke, dass tiefe Traurigkeit mich überkommt, weil ich daran denke, was mein Pauli hat erdulden müssen und was ihm geraubt wurde, versuche ich auf Verstand umzupolen und mir vor Augen zu führen, dass es ihm ja trotzdem gut geht.
    Er ist in Sicherheit, er ist raus aus einem Land, in dem Tiere keinen Wert haben, in dem grade aktuell wieder massenhaft gemordet wird in den Lagern und Sheltern.Er hat Familie, Hunde- und Katzenfreunde, jeden Tag zu essen, muss nicht frieren oder in seinen eigenen Exkrementen liegen über viele lange Stunden.


    Und er hat mich- die ihn über alles liebt.


    Mein Physio und ich sind uns einig: egal, was andere sagen.Pauli bekommt seine Chance und wir ziehen die Behandlung mindestens 1 Jahr durch. Und ICH erwarte mit Sicherheit nicht, dass mein gelähmter Hund nach nur 10 Behandlungen wieder auf den Beinen ist.


    Ich werde auch alle Gefühle aushalten, die damit einher gehen: Hoffnung, Resignation, Hoffnung, Ungeduld, Hoffnung, Unverständnis bei Stillstand,.... Hoffnung.


    Bei meinem Timo und bei meiner Lola ist die Diagnose "Querschnittslähmung" unwiderruflich.Mit Fakten umzugehen fällt mir immer leichter.


    Aber bei Pauli besteht eben - Hoffnung.

    • Neu

    Hi


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    • Ich bin berührt und sprachlos.
      Ich möchte nur sagen :
      Danke, das es dich gibt Julia H. :gott:

      Das ist lieb von Dir.Danke!


      Ich habe mir neulich, vor ein paar Tagen erneut das VIDEO von Pauli angesehen,als er noch in diesem Keller in Rumänien saß.Bereits in Obhut der "Tierschützer".
      Und ich muss gestehen, in mir kochte erneut die eiskalte Wut hoch. Das Video ist immer noch auf der Facebookseite des Vereins, der damals die Vermittlung übernommen hatte.Ich hatte eigentlich erwartet, dass es nun nach doch der Zeit gelöscht würde. Dass es das nicht ist, signalisiert mir persönlich,dass man auch heute noch der Überzeugung ist, SO war es richtig.Hauptsache, den überfahrenen Hund von der Strasse sammeln, öffentlichwirksam präsentieren, ansonsten einfach nur- verwahren.


      Pauli hätte in eine Klinik verbracht gehört. Hierfür hätte man Spenden sammeln können.Eine Patenschaft gab es für ihn. Die floss wohl in die Futterversorgung.
      Wäre Paulis medizinische (Erst-)Versorgung eine andere gewesen, vielleicht stünden wir heute anders da.


      Vor einigen Wochen rief mich eine Frau an. Sie sollte/wollte für diesen Verein eine Vorkontrolle machen für einen ebenfalls gelähmten Hund von dort. Sie hatte keine Erfahrung mit behinderten Hunden und bat mich um Hilfe, auf was sie bei der VK alles achten müßte.


      Es war ein langes Gespräch :) Die VK fand statt, die Adoptanten wurden für geeignet befunden, Hund konnte dort einziehen.
      Das Angebot, auch mich persönlich zu kontaktieren für zukünftige Hilfestellungen wurde angenommen und ich stehe bis heute mit den Leuten in regem Kontakt. Und nicht nur das ! Man wohnt nicht allzu weit weg von mir- und somit auch nicht von meinem Physio!


      Wie soll es nun auch anders sein? Auch dieser Hund ist nun bei meinem Physio in Behandlung.


      ICH freue mich, dass ich den Leuten etwas behilflich sein konnte, mit diesem ihrem Hund nun schneller in eine Alltagsroutine zu kommen, da ich ihnen Quellen liefern konnte, wo sie was bekommen oder eben, an WEN sie sich weiter wenden können.


      Dieser Hund, ich bin fast vom Stuhl gefallen,als ich die Bilder nach seiner Ankunft erhielt, stand bereits mit Unterstützung alleine auf den Beinen, BEVOR die Physio überhaupt begonnen hatte und hier sind die Chancen sicher nochmal ganz anders zu bewerten.


      Bei Pauli wurde viel verabsäumt. Eigentlich alles.


      Oder er hatte einfach nicht so viel Glück wie dieser.


      Ja- ich bin manchmal voller Wut.


      Nicht vordergründig auf denjenigen, der diese Hunde überfahren und schwer verletzt am Strassenrand liegen gelassen hat, sei es absichtlich oder nicht.
      Sondern auf die, die sie "retteten", sie medienwirksam in Szene setzten und vorgaben, ihnen zu helfen, es aber nicht taten und auf die, die sie gleich als "unvermittelbar" ins Nichts verbannten, wie meinen Timo , den man einfach im Shelter an die Kette hängte!


      Ich weiß, es gibt auch andere. Andere Vereine, andere Tierschützer, die wirklich alles tun, um eben genau diesen Tieren wirklich zu helfen. Die sich nicht nur aufs "Aufsammeln" und "Verwahren" beschränken, sondern auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bemüht sind, tierärztliche und medizinische Hilfe vor Ort zu leisten.


      Mit meiner Kritik am Verständnis von "Tierschutz vor Ort" , was gelähmte, behinderte Tiere, vor allem Hunde, betrifft, bin ich weiter regelmäßig präsent. da , wo es mir geboten scheint und ich nehme es in Kauf, dass ich bisweilen wüst beschimpft werde als "Schreibtischtierschützer", der die "Drecksarbeit" den anderen überläßt, von den örtlichen Gegebenheiten keine Ahnung hat und sich ja so leicht redet.


      Fakt ist: letztendlich sind es Menschen wie ich, mein Physio und auch andere, die sich dieser Tiere annehmen. Die sich dieser Aufgabe bewusst stellen, die ganz sicher nicht am Schreibtisch abgearbeitet werden kann.

    • Ich denke, es ist wichtig an sich zu glauben, den Ergeiz, Geduld und den Willen zu haben eventuell etwas zu verändern!


      Die Aufs und Abs sind doch völlig normal aber es treibt auch an, für die Hoffnung die wir für diese Hunde haben!

      Wenn ich merke, dass tiefe Traurigkeit mich überkommt, weil ich daran denke, was mein Pauli hat erdulden müssen und was ihm geraubt wurde, versuche ich auf Verstand umzupolen und mir vor Augen zu führen, dass es ihm ja trotzdem gut geht.
      Er ist in Sicherheit, er ist raus aus einem Land, in dem Tiere keinen Wert haben, in dem grade aktuell wieder massenhaft gemordet wird in den Lagern und Sheltern.Er hat Familie, Hunde- und Katzenfreunde, jeden Tag zu essen, muss nicht frieren oder in seinen eigenen Exkrementen liegen über viele lange Stunden.


      Und er hat mich- die ihn über alles liebt.

      Pauli hat die besten Voraussetzungen die es für ihn geben kann und ein Frauchen, die ihn bedingungslos liebt, behütet aber auch fördert und das ist unglaublich viel!!


      ich hatte mir auch lange Gedanken um das vorher und wie es so vielen Hunden auf der Erde geht, die nicht diese Chance bekommen, doch es raubt mir die Kraft für die entscheiden Dinge die ich erbringen muss, damit es meinen Hunden gut geht und ich ihnen helfen kann.

      Ich werde auch alle Gefühle aushalten, die damit einher gehen: Hoffnung, Resignation, Hoffnung, Ungeduld, Hoffnung, Unverständnis bei Stillstand,.... Hoffnung.

      Das wirst du, ich weiß das, weil du / wir es wollen!


      Als ich mit Fussel Thema "Fussels Kampf gegen die Epilepsie" begann, war ich verunsichert, habe gezittert und auch manchmal geweint, weil ich verdammt dieser Krankheit Einhalt gebieten wollte. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt, bin auch gegen Windmühlen gelaufen und habe sogar Fachärzte in den Wind geschossen. Ich bin mit und dieser Krankheit gewachsen, habe meinen Weg unbeirrt weiterverfolgt und wir haben unendlich viel Gutes erreicht und ich bin Fussel so nah wie nie, das macht mich unglaublich glücklich!


      Du hast einen starken Partner (Physio) an deiner Seite, ihr kämpft gemeinsam und das es in 10 Behandlungen nicht abgetan ist, kann jeder normal denkende Mensch wohl erahnen. Das braucht Zeit, viel Zeit und Geduld!
      Meine Hunde haben Spondylose, HD, Bandscheibenprobleme und meine Osteopathin kommt teilweise 2x wöchentlich, seit Jahren und auch wenn ich kein Geld drucken kann, ist es mir wert und wir verzichte lieber auf alle anderen Dinge, denn der Lohn sind diese strahlenden Augen meiner Hunde, das ist unbezahlbar!!!


      Du machst alles richtig und wenn es so sein sollte das eure Bemühungen Pauli auf die Beine zu stellen misslingt, dann hast du alles getan was man tun konntest und du hast dann rückblickend nichts zu bereuen, denn Pauli hat ja trotzdem den besten Platz der Welt und das zeigt er dir bestimmt jeden Tag!


      Schlaft gut!!


      LG Sabine

    • Als klar war, dass Pauli zu mir ausreisen durfte/konnte, holte man ihn von seiner "Pflegestelle" und bereitete ihn für den Transport vor.
      So sah er aus am Abend der Abholung, in Obhut des ....Vereins .



      Es täte mir leid, wenn ich missverstanden würde. Ich weiß selbst zu Genüge, dass gerade in armen Ländern wie Rumänien medizinische Hilfe, kostenaufwändige Therapien natürlich nicht möglich sind.


      Aber: soweit ich weiß, gibt es auch in Rumänien Wasser und Seife.

    • Liebe Sabine,
      ich wünsche Dir auf Deinem weiteren weg mit Fussel viel, viel Kraft und danke Dir für Deine Worte. Ich weiß, was Ihr beide da miteinander schafft!!! 13 Jahre bin ich diesen Weg mit meinem Brigo gegangen, bevor ich ihn dann 2015 gehen lassen musste.
      Ich kenne diesen "Kampf" gegen die Epilepsie sehr gut. 13 Jahre hat sie mein Leben bestimmt, bzw. beeinflusst, bis ich nach Jahren dann doch gelernt habe, mit ihr umzugehen,damit ich meinem Hund helfen kann.


      "Ich bin mit und dieser Krankheit gewachsen, habe meinen Weg unbeirrt weiterverfolgt und wir haben unendlich viel Gutes erreicht"


      So ist es! Und Ihr schafft das.


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