Unsicherer Hund schnappt aus Übersprungshandlung um sich

  • Hallo liebe Forengemeinde,


    kurz vorab zum Hund:
    - Dackel-Pekinesen-Mischling, wird im Mai 2015 drei Jahre alt
    - ursprgl. aus Rumänien
    - von einem hiesigen Tierheim in eine Familie vermittelt, wo er laut Tierheim vermutl. nur selten raus kam, dazu noch Alkoholiker-Messi-Haushalt, war ca. ein Jahr in dieser Familie
    - entsprechendes Tierheim hat sich nach Bekanntwerden der Verhältnisse wieder um Rücknahme des Hundes bemüht, war ca. ein weiteres Jahr im Tierheim
    - Situation im Tierheim: keine Zwingerhaltung, sondern mit zwei bis drei Hunden in der Wohnung der Tierheimleitung auf dem Tierheimgelände, diverse Gassigänger, Verbellen von Jogger, Radfahrern und insbesondere anderen Hunden am Tor/Zaun (Entlangjagen am Zaun)
    - mit fremden Menschen: Erstkontakt mit Menschen nur vorsichtig möglich, aber wenn er denjenigen Menschen kennt, ein sehr anlehnungsbedürftiger bzw. nach Aufmerksamkeit suchender Hund, er wird dann dabei auch schnell fordernd
    - mit anderen Hunden: geteilt, langsames Heranführen an ruhige, gelassene und freundliche Hunde v. a. unter der Aufsicht unserer Trainerin bisher ohne Probleme, bei unbekannten Hunden in der Entfernung i. d. R. noch ansprechbar, bei unbekannten Hunden in äußerst kurzer Distanz bei nicht rechtzeitiger oder ggf. auch schlichtweg nicht möglicher "Ablenkung" Fixieren, Knurren, Verbellen, Mordstheater, schlimmstenfalls um sich schnappen/beißen
    - momentanes Erziehungsmittel: Situationen "schönfüttern", eine kurze Ansagen in Bezug auf andere Hunde hat auch schon kurzzeitig gewirkt, ansonsten immer ruhig und gelassen bleiben, soweit wie möglich Sicherheit geben
    - bisherige "Diagnose" von Trainerin etc.: unsozialisiert mit seiner Umwelt, schlechte Erfahrung mit Menschen aufgrund der von ihnen für den Hund ausgehenden unberechenbaren Handlungen, äußerst mangelhafte Sozialisierung mit anderen Hunden, starke Unsicherheiten auf Seiten des Hundes


    Warum ich schreibe:
    Heute gab es einen äußerst unglücklichen Zwischenfall, bei der o. g. Hund meinen Mann aus einer dieser beschriebenen Übersprungshandlung heraus in die Wade getackert hat. Situation war ein relativ enger zu beiden Seiten begrenzter Durchgang, durch den Schatten ziemlich dunkel und ein mit seinen Halter sehr ruhig an uns vorhergehender Berner Sennenhund. Mein Mann stand äußerst ungünstige vor unserem Hund bzw. unser Hund war hinter meinem Mann, der ihn nicht mit der Leine entsprechend bugsieren konnte, auch aufgrund von Platzmangel und ggf. Überforderung, weil ich sonst immer alle Fremd(Hunde)Begegnungen mit dem Hund absolviere. Unserer Einschätzung eine ziemlich besch... gelaufene Sache, weil zu eng, zu dunkel, fremder Hund zu nah, ggf. fremder Hund auch aufgrund von Körpergröße zu beängstigend. Fazit: Linus ist noch nie so ausgerastet wie heute, so dass er dabei jmd. verletzt hat.


    Was ich gerne wissen möchte:
    - Eure Einschätzung hinsichtlich aus Unsicherheit zu Übersprungshandlungen neigenden Hunden bzw. wie geht es weiter: Maulkorb drauf beim Gassi gehen, nur noch bei Regen laufen, eine große Sorge ist ein unangeleinter in uns hinein bretternder und (bisher noch nicht passiert - nur noch eine Frage der Zeit), ist eine Verschlimmerung der Unsicherheit zu befürchten? Wie habt ihr das mit euren Hunden in den Griff gekriegt?
    - weitere Trainingsansätze - bisher machen wir es so, dass Linus den anderen Hund sehen soll und er sich dabei immer wieder uns zuwenden soll, solange er dabei ruhig bleibt, wird er verbal und mit Futter belohnt
    - gute Literatur hinsichtlich dieser Thematik


    Vielen lieben Dank euch allen!!!

  • Einem Hund, der so unsicher ist, dass er in einer für ihn schlimmen Situationen sogar das eigene Herrchen beisst, würde ich draussen auf jeden Fall einen Maulkorb ranmachen und versuchen, eine Lösung zu finden, dass der Hund mit seiner Unsicherheit besser klarkommt.


    Ich nehme mal an, dass er kastriert ist. Aufgrund dessen würde ich evtl. mal die Schilddrüsenwerte überprüfen lassen, da kastrierte Hunde häufig eine Schilddrüsenunterfunktion entwickeln, welche teilweise recht heftige Verhaltensprobleme mit sich bringen kann, wenn sie nicht medikamentös behandelt wird.

  • Ich schließe mich Dackelbenny 100% an.


    Zum Training: Sagt dir Zeigen und Benennen was? Das könnte eine gute Hilfe sein. So wird der Hund langsam lernen, dass andere Hunde immer was Positives bedeuten.

  • Danke für die bisherigen Antworten. Wir werden uns in diese Richtungen weiter informieren und mit unserer Trainerin beraten.


    @LieblingPia: Kannst du mir kurz und knapp erläutern, was du genau mit "Zeigen und Benennen" meinst? Danke!

  • Ein spannendes Thema...
    Mit meinem Hunde-Opa (Dackel-Mix) hatte ich ähnliche Problematik. Ich bekam ihn als er 12 Jahre alt war. Er hat eine Vergangenheit mit schlechter Haltung, Beschlagnahmung, Tierheim, etc. Sein Verhalten gegenüber fremden Hunden war angst-aggressiv, dh. verbellen, sobald er einen Hund gesehen hat (konnte auch 100m Entfernung sein), tobend in der Leine hängen, usw.


    Anfangs habe ich es auch mit Ablenkung versucht. Im Nachhinein denke ich, hat es nicht wirklich etwas gebracht. Denn mein Hund hatte einfach einen gut begründeten Riesenschiss vor anderen Hunden (mit wenigen Ausnahmen). Es gibt ja schon aus biologischer Sicht mehrere Möglichkeiten, wie man mit Stress/Angst umgeht (Fight-or Flight), und mein Hund hat leider die Angriffsvariante (Fight) gewählt.


    Einen für mich sehr wertvollen Satz las ich in einem Büchlein von Patricia McConnell: "Weg(gehen) vom Angst auslösenden Reiz". Und so machen wir es seither. Wir gehen einfach!
    Anfangs haben wir überhaupt keine Hunde mehr gekreuzt, sondern sind einem riesigen Bogen gelaufen oder haben auf der Stelle gekehrt (das habe ich mit einem Signal verknüpft). Mit der Zeit konnte der Abstand immer kleiner werden und inwzischen können wir auch mal einen Bernhardiner ohne Aufregung kreuzen. Freilaufende Hunde werden konsequent abgeblockt, da mein Hund meist knurrt. Spätestens dann weiss ich, dass er überhaupt keinen Wert drauf legt, diesen Hund an seinen Popo zu lassen.


    Ich vermute, dass die Mischung aus:
    1. den Hund schützen und
    2. ihn keinen Angst auslösenden Situationen mehr aussetzen
    geholfen haben, ruhiger zu werden.


    Das ist jedenfalls meine Theorie. Deswegen würde ich dir empfehlen, wenn es irgendwie geht, solche Situationen wie die mit dem engen Durchgang, zu vermeiden: einfach umkehren und zB. irgendwo warten, wo man sich mit mehr Abstand kreuzen kann (so, dass der Hund ruhig bleiben kann). Hilf ihm dabei, dass er nicht mehr so viel Angst haben muss. Wenn ihr ihn beschützt muss er es nicht selber machen und beissen. Das Schönfüttern kommt später, wenn sich der Stresspegel bei deinem Hund gesenkt hat, bzw. wenn er etwas sicherer geworden ist. Das kann einige Wochen/Monate dauern.

  • Ellen2014: Vielen herzlichen Dank für deinen sachlichen Beitrag! Das, was du schreibst, ist genau das, was es ist und auch der einzig richtige Weg, wie mir scheint. Wenn ich mir eine Frage erlauben darf: Wenn dein Hund ähnlich reagiert hat, wie hast du fremde auf euch zulaufende Hunde noch so geblockt gekriegt, dass dein Hund (halbwegs) ruhig blieb und es eben nicht zu dieser heftigen Übersprungshandlung kam? Linus hat meinen Mann ja nicht absichtlich verletzt, mein Mann stand leider so unglücklich, dass das Schnappen in die Hosenbeine leider tiefer durchgegangen ist -

  • Das ist wirklich schwierig zu beantworten, wie mein Hund beim Abblocken ruhig blieb. Ich kann es mir so erklären: in seiner Eingewöhnungszeit wurde er leider von zwei grossen Hunden zerrupft. Es war auch mein Fehler, da ich damals noch dem Spruch glauben schenkte, die Hunde machen es schon unter sich aus. (Asche auf mein Haupt). Danach hatte ich selbst auch total Schiss vor freilaufenden Hunden und den Nächsten, der zwei Wochen später daher kam, versuchte ich dann zu verscheuchen (musste mir eine blöde Ansage vom HH anhören). Überraschenderweise war mein Hund zum ersten mal ruhig (nicht entspannt, sondern wie erstarrt, hat gezittert wie Espenlaub). Und seit da ist es immer so: ich kümmere mich um die Freiläufer und er bleibt angeleint hinter mir. Wäre er abgeleint, würde er schonmal nach Hause gehen, während ich mich mit den Hunden beschäftige ;-)
    Die meisten Tut-Nixe lassen sich erfahrungsgemäss gut mit Leckerchen ablenken. Das nimmt etwas Spannung raus und verschafft Zeit bis der fremde Hund abgeholt wird.

  • Ellen2014: Hm, zur Zeit schwer vorstellbar, dass Linus so ruhig bleibt, sollte ein anderer Hund sich derartig nähern... Bisher konnten wir neben Ausweichen auch meistens die Distanz wahren bzw. ging es mit "Schönfüttern" ganz gut, Abblocken haben wir ja auch schon mal gemacht, aber es war von beiden Seiten nicht so dramatisch bzw. der fremde Hund kam GsD nicht nahe genug, um festzustellen wie Linus darauf reagiert und seinerseits blieb es da bei Knurren und Nackenhaare aufstellen... *grübel*

  • der fremde Hund kam GsD nicht nahe genug, um festzustellen wie Linus darauf reagiert und seinerseits blieb es da bei Knurren und Nackenhaare aufstellen... *grübel*

    Das finde ich super! :gut: Dann ist der andere Hund soweit weg, dass Linus noch die Möglichkeit hat ihn zu warnen (und euch somit informieren, dass er den anderen gruselig findet)... Dann weggehen anstatt den anderen zu verjagen :-)

  • Ja, wir geben unser Bestes... Leider nicht immer so einfach in Anbetracht der vielen Hunde, die ernsthaft für null Pfennig von ihrem Besitzer abrufbar sind und uns freudig entgegen kommen... Nachdem Linus den anderen Hund angeknurrt hat, zog der dann von dannen... Ach menno, alles nicht so einfach, aber wir bleiben dran - ein hoffnungsloser Fall ist er ja nicht, dafür hat er ja auch schon mithilfe unserer Trainerin Hundefreunde gewonnen...

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