Verhalten Angsthund
-
-
Hallo ihr Lieben!
Ich wollte euch gern um einen Rat bitten. Wir haben ja im letzten Jahr Amy bei uns aufgenommen. Sie ist eine mittelgroße Mischlingshündin und hat in ihrem vorherigen Leben wohl einiges mitmachen müssen. Sie wurde ans Auto gebunden, um sie auszulasten, war 14 Stunden am Tag allein und wir gehen stark davon aus, dass sie auch geschlagen wurde. Kurz und schlecht, sie hat das Grundvertrauen in den Menschen total verloren. Sie ist der tollste Hund der Welt, aber sie ist fremden gegenüber extrem unsicher, knurrt und bellt, ohne jedoch jemals etwas zu tun. Menschen, die sie öfter sieht, sind irgendwann okay und sogar imker gern gesehen. Sie braucht immer eine Weile. Mein großes Problem ist einfach: wenn wir unterwegs sind und uns kommen andere Leute entgegen, ist sie total gestresst. Sie knurrt oder sie gähnt, aber sie zeigt immer ein Anzeichen von Stress und lässt die Leute nie aus den Augen, dreht sich sogar um, wenn sie an uns vorbei sind. Ich möchte ihr gern Sicherheit geben, weiß aber nicht wie. Ich habe es eine Weile mit Leckerlies probiert. Und ich habe sie auf die andere Seite genommen, mich selber selbstbewusst bewegt, damit sie weiß, dass ich die Situation unter Kontrolle habe. Aber irgendwie bringt das alles nichts. Ich würde mich so freuen, wenn ich sie etwas zur Entspannung bringen könnte.
Am liebsten würde ich mal einen Hundepsychologen hinzu ziehen, doch derzeit fehlt es mir leider noch an dem nötigen Kleingeld.Was meint ihr, wie kann ich ihr zeigen, dass die schlechten Zeiten vorbei sind und ihr niemand mehr etwas tun wird?
- Vor einem Moment
- Neu
Hi,
Interessiert dich dieses Thema ? Dann schau doch mal hier *.
-
-
Novali war auch ganz, ganz dolle ängstlich. Besonders ab der Dämmerung war sie unglaublich empfindlich. Sogar Steine haben ihr Angst gemacht.
Ich habe angefangen ihr die gruseligen Sachen schön zu markern/clicken. Hab sie auch immer auf die andere Seite genommen und je näher der Auslöser war, umso näher hab ich sie zu mir geholt (mit Leckerlis etc.).
Nachdem ich aber das Gefühl hatte, dass das nur minimal wirkt, habe ich ihr anfangs L-Theanin und später Zylkene gegeben. Der Unterschied war nach 2 Wochen spürbar. Jetzt läuft sie fast automatisch abgewandt und nah bei mir wenn ein Auslöser kommt. Sie vertraut mir, weil ich ihr zeigen konnte, das ich die Führung übernehme. Ihr Stressniveau war nur ohne Zylkene zu hoch um etwas zu lernen. Sogar die alten Männer mit Besen oder riesigen Einkaufstüten sind fast kein Problem mehr.Die Basis ist bei uns also Zylkene und ein sehr gut konditioniertes Markerwort.
Noch etwas zum Zylkene: das kann auch enthemmend wirken, sodass ein nicht bissiger ("nur" knurrender) Hund zum bissigen wird, weil er sich jetzt "traut"
-
Du hast die 2 Grundprobleme doch bereits erkannt: fehlendes Grundvertrauen und fehlende Sicherheit.
Die Erfahrung mit unserem Denis, der vor 2 Jahren als Straßenhund aus Griechenland zu uns kam, hat mir gezeigt, dass es lange dauern kann, bis der Hund wieder zu einem Grundvertrauen findet. Doch nicht unbedingt gegenüber anderen (fremden) Menschen, das kann für immer "angeknackst" bleiben. Geht es uns Menschen nicht oftmals ähnlich? Viel wichtiger ist doch, dass Dein Hund DIR vertraut. Und das scheint er nicht wirklich zu tun.
Dein Hund zeigt durch das (Angst-)Knurren und (Unterwürfigkeits-)Gähnen eindeutige Unsicherheitssignale. Für ihn ist das Gassigehen (fremdes = unsicheres = womöglich "feindseliges" Territorium) bzw. der Kontakt mit Fremden dort purer Stress. Wie Du bereits erkannt hast, liegt das daran, dass Du ihm als Rudelführer nicht die erforderliche Sicherheit vermittelst. Er hält Dich als Rudelführer schlicht und einfach für - entschuldige bitte - "inkompetent", und kann Dir daher nicht vertrauen. Er ist gezwungen, Deine Rolle als Rudelführer zu übernehmen, was ihn total überfordert und somit seine Unsicherheitssignale auslöst.
Du solltest unbedingt im täglichen Miteinander (nicht nur beim Gassigehen) auch auf kleinste Verhaltensweisen von Dir achten, die dem Hund in SEINER Sprache Deine Kompetenz übermitteln. Dazu gehören z.B.:
Du gehst immer zuerst aus jeder Tür (der Hund darf erst nach Aufforderung folgen) und gehst immer zuerst in jede Tür. Hintergrund in Kürze: Im wildlebenden Rudel beschützt das Leittier sein Rudel, indem es zuerst nachsieht, ob alles in Ordnung ist.
Der Hund hat Dich immer zuerst zu begrüßen. Wenn Du zur Tür rein kommst, muss er zu Dir kommen, um Dich zu begrüßen, NICHT Du zu ihm. Kommt der Hund (z.B. vom Gassi mit anderem Familienmitglied) nach Hause, muss wieder er Dich zuerst begrüßen. In einem wildlebenden Rudel wird niemals das Leittier seine Rudelmitglieder hofieren.
Selbstverständlich teilst Du mit dem Hund nicht Dein Essen vom Tisch und auch nicht Dein Bett. Im wildlebenden Rudel liegen Leittiere i.d.R. immer etwas serarat und wenn möglich erhöht. Niemals würde sich ein Rudelmitglied erlauben, dem Leittier sein Futter oder Schlafplatz streitig zu machen.
Du schreist nicht und wirst möglichst nie laut gegenüber dem Hund. Leittiere haben das nicht nötig. Im wildlebenden Rudel genügt meist ein lautloses Heraufziehen der Lefzen oder ähnliche Signale.
Reagiere möglichst nicht hektisch und gestresst, das überträgt sich SOFORT auf den Hund. Achte auf Deine Körperhaltung (aufrecht), auf Deine Körperbewegungen (rumfuchteln = Missverständnisse/Unsicherheit für den Hund).
Alltägliche Rituale geben dem Hund Sicherheit und Vertrauen. Gib ihm abends regelmäßig als Entspannungsritual eine Nagestange/Kaurolle. Nichts entspannt Hunde mehr als das genüssliche Nagen.
Gib dem Hund beim Gassi gehen keine Leckerlis und nehme ihn auch nicht auf die andere Seite (bringt erfahrungsgemäß beides nix). Gehe einfach aufrecht und souverän an den Menschen vorbei. Nimm den Hund bereits rechtzeitig eng an Deine Seite - nicht erst kurz vor der direkten Begegnung mit einem Passanten. Und geh einfach zügig weiter. Laufe noch ein gutes Stück, bevor Du ihn wieder lockere Leine gibst. Versuche in dieser Zeit seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, indem Du mit ihm leise sprichst, etwas flüsterst, notfalls ein leises Liedchen singst ;-) Nur loben, wenn er Dir diese Aufmerksamkeit schenkt, nicht wenn er sich nach anderen umdreht oder sonstwie aufgeregt ist.
Verunsichere ihn nicht durch Clicker (das bedeutet noch mehr Stress für den Hund), und pumpe ihn bitte nicht mit Medikamenten zu. Versuche einfach nur, Dich auch im Alltag kompetent zu zeigen, dadurch sein Vertrauen zu gewinnen und ihm letztendlich dadurch Sicherheit zu geben. Lass ihn einfach "nur HUND" sein, alles andere ist Dein Job.
Informiere Dich im Internet z.B. über die Suchbegriffe "Hundesignale" und "Beschwichtigungssignale", dann lernst Du nicht nur viel über Deinen Hund, sondern auch mit Deinem Hund so zu kommunizieren, dass er Dich versteht und respektiert.
Und obwohl mein Text sooo lang geworden ist (sorry), möchte ich noch folgendes anmerken:
Ich setze meine empfohlenen kleinen Verhaltensweisen selbst bei unseren Hunden um - mein Mann leider nicht. Das Ergebnis ist: bei mir sind die Hunde gehorsam, ruhig und entspannt - bei ihm das krasse Gegenteil.Alles Gute für Dich und Deinen Hund!
-
Ich habe auch einen Angsthund. Er kam im Alter von 4 Monaten als Straßenhund aus Rumänien zu mir und ist mittlerweile drei Jahre alt.
Das Gähnen und sich umdrehen sind gute Zeichen. Denn durch das Gähnen beschwichtigt sie nicht nur, sondern beruhigt sich auch selbst. Mein Kleiner hat früher Leute angebellt, die ihn länger fixiert oder sogar angesprochen haben. Mittlerweile gähnt er die an und guckt dann weg. Sobald er das gemacht hat weise ich ihm per Handzeichen einen neuen Platz zu, der etwas weiter von der "gefährlichen" Person entfernt ist. Das "sich Sachen angucken" ist gut, weil er dann in der Lage ist zu lernen, dass die DInge nicht so aufregend oder gefährlich sind, wie sie scheinen. Lass den Hund viel beobachten und kommentiere die Situation dabei nicht.
Generell würde ich dem Hund beibringen auf Handsignale zu achten. Damit kannst du ihn auf eine andere, der Situation abgewandte, Seite dirigieren, ohne dass du, wie bspw. durch Ruppen an der Leine, eine Situation verstärkst. Parallel dazu habe ich meinem Hund den Befehl "Touch" beigebracht, bei dem er die Nase in meine Handinnenfläche drückt. Dadurch kann ich ihn zB durch eine Gruppe Kinder bewegen (vor denen er Angst hat). Er empfindet das als Spiel und knufft mich manchmal in den Oberschenkel wenn er Kinder sieht (nach dem Motto, "wollen wir nicht das tolle Touch-Spiel spielen?). Wie du merkst hat es aber mehr als zwei Jahre gebraucht um an diesen Punkt zu kommen und es hat viele Rückschritte, aber eben auch Fortschritte gegeben.
Ich würde dir das Buch "Angst bei Hunden" von Martin Rütter empfehlen. Es ist sehr verständlich geschrieben und hat mir sehr geholfen. Es zeigt vor allem auf, dass Angsthunde Struktur brauchen, dass das aber ebensowenig mit Strenge als mit Verhätscheln zu tun hat. Vor allem aber wird dir und deinem Hund Zeit und Geduld helfen. Das wird schon!
PS: Den Kommentar von Bonnie deutet an, was mit Struktur gemeint ist. Manche Sachen wie "Der Hudn muss dich sofort begrüßen" finde ich aber kleinlich und halte ich für eine Mähr. Das ist auch ein bisschen eine Glaubensfrage. Martin Rütter zB. würde sagen es hat kein großes Begrüßungs-Tohuwabohu zu geben, der Rudelführer kommt und geht wie es ihm passt und da hat es keine großen Szenen zu geben. Im Grunde kannst du dir deine Regeln nach dem Bauchgefühl gestalten, wichtig ist nur, dass du sie mit liebevoller Konsequenz durchsetzt und DU sie bestimmst und vorgibst
-
Deine Beschreibung kommt mir sehr bekannt vor. Könntest meinen beschrieben haben.
Markern und schönfüttern ist gut. Was hier gut hilft, das Stresslevel runterzukriegen, ist Körperkontakt. Gerade bei Menschen funktioniert das eigentlich ganz gut, die bewegen sich ja nicht so schnell (im Gegensatz zu Fahrrädern, Motorrad usw). Zumindest kannst du es mal probieren: wenn ich merke, der Hund verspannt sich, nehme ich ihn in den Arm (also hinknien) und wirklich festhalten, bis du merkst, dass er runter kommt. Bei reduziertem Stress kommst du auch mit Markern wieder weiter.
Wäre ein Versuch, ob es funktioniert, kann man nicht sagen. Später reicht vielleicht auch eine Berührung mit der Hand irgendwo als Entspannungssignal.
-
-
Hallo liebe TS,
ein Hund im Stress lernt nicht, da im Gehirn alles blockiert ist. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass Leckerchen nicht weiter helfen. Unserer Hündin hat letztlich nur der Körperkontakt geholfen, erstens um sich zu beruhigen und zweitens danach wieder aufnahmefähig zu sein. Wir handhaben es so, dass wir sie bei akuten Anzeichen von Stress auf den Arm nehmen, das ist mit ihren 40cm und knapp 10kg noch ganz gut machbar. Im Grunde so etwas ähnliches, was Camillo09 auch beschreibt. Also, ohne große auf den Hund einwirkende Dramatik wie tröstende Worte oder Ablenkungsversuche durch Leckerchen etc., einfach der schlichte ruhige Körperkontakt, das reicht in der Regel völlig aus. Vielleicht auch mal in Richtung Tellington Touch informieren!). Da ich ebenfalls ein Gegner von Medikamenten bin, die den Hund körperlich und mental stark beeinträchtigen, habe ich davon bisher auch immer die Finger gelassen. Da wir aber gemerkt haben, dass es in gewissen Situationen ohne ein "Beruhigungsmittel" wohl nicht mehr gehen wird, bin ich ebenfalls auf L-Theanin gestoßen. Es hat eine beruhigende Wirkung ohne dabei auf den Hund betäubend zu wirken bzw. ihn in seinen körperlichen und mentalen Funktionen zu belasten oder einzuschränken (Vorsicht bei Mitteln mit den Inhaltsstoffen Acepromazin, Alprazolam oder Diazepam!).
Weitere Infos zu L-Theanin:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=5543
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!