Hallo ihr Lieben,
ich hab mich heute erst hier angemeldet und "muss" leider gleich einen so nachdenklichen und eigentlich sehr traurigen Post schreiben...aber es muss eben mal raus! Und ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen, denn ich lese hier schon eine Weile als Gast mit, habe viele eurer Tipps selbst schon ausprobiert und mich jeden Tag immer wieder neu motiviert. Ich glaube mein größtes Problem ist aktuell: Mir fehlt bei meinen Problemen mit meiner Hündin einfach komplett die Einordnung. Einordnung im Sinne von: Wird das noch was? Oder müssen wir uns eingestehen, dass wir die falsche Familie für sie sind?
Ich möchte euch natürlich noch mehr Infos zu uns geben. Wir, mein Freund und ich, haben vor 5 Monaten unser Boxermädchen Mila (1 Jahr alt) aus einer Pflegefamilie hier in Deutschland adoptiert. Dort hat sie ca. einen Monat gelebt, nachdem sie aus einem Tierheim in Spanien nach Deutschland gekommen ist, wo sie auch - soweit wir wissen - geboren und die ersten Monate bis zum Umzug aufgewachsen ist. Wie genau, ob mit ihrer Mutter, eventuell Geschwistern etc. wissen wir leider alles nicht. Soweit so okay. Sie ist wild, manchmal sogar sehr, aber das ist okay. Jedenfalls war es anfangs ganz schlimm mit ihr. Sie war SO wild, hat eigentlich den ganzen Tag keine Ruhe gefunden und Gassi gehen war...naja...sagen wir mal abenteuerlich. Sie hat sich einfach vor allem erschreckt: Autos, vor allem in der Dämmerung, wenn diese die Scheinwerfer an hatten, ihr eigenes Spiegelbild (die Hoteltür in unserer damaligen Straße, die so schön gespiegelt hat und sich dann auch noch bewegt hat, wenn sie drauf zu gepöbelt ist, war ihr "bester Freund"), andere Hunde, Wind, Schiffe, Wasser. Das einzige was nie ein Problem für sie war und auch immer noch nicht ist sind Menschen. Auch keine Jogger, Fahrradfahrer oder sowas. Juckt sie nicht, zum Glück.
Nach 5 Monaten, viel Übung, einem Umzug in einen ruhigeren Stadtteil mit viel Grün drum herum (den sie übrigens super gut mitgemacht und überstanden hat!), Einzelstunden mit schlechten und guten Trainern, Hundeschule, Schweiß, Blut (ja, Blut, im wahrsten Sinne des Wortes) und Tränen ist das unser aktueller Stand:
Mila ist Zuhause super lieb, schmusig, dackelt uns gern ständig hinterher und will immer mit dabei sein. Sie kann aber auch schon richtig gut alleine bleiben, wenn wir mal einkaufen gehen oder so. Das klappt gut - sie macht nix kaputt, jammert nicht und kommt dann, wenn wir wieder da sind, einfach entspannt von der Couch geschlappt um uns zu begrüßen. Da sind wir echt froh drüber, dass sie Zuhause grundsätzlich so entspannt ist.
Aber jetzt zu den Dingen, die sich einfach nicht ändern wollen und uns wirklich große Sorgen machen:
Draußen ist Mila ein absolut unruhiger, pöbeliger, aggressiver Stressball, der sich einfach NIE entspannen kann. Sie hasst es zu warten, ob an der roten Ampel oder beim Kacke aufheben. Jede Minute "dumm rumstehen" ist ihr zu blöde. Das ist ihr Programm dann: Fiepsen, rumzappeln im sitzen (das muss sie immer machen an Ampeln) und wenn es dann immer noch nicht weiter geht fängt sie an zu bellen, steht auf, hüpft an der Leine rum oder greift diese aus Frust sogar an. Was fällt dieser Leine auch ein, sie nicht weitergehen zu lassen?!?!
Da bin ich echt abgebrüht mittlerweile und lasse mich auch durch verurteilende Blicke von anderen Leuten nicht mehr verunsichern. Die Ampel ist nunmal rot, also wird sich hingesetzt und nach einem "Schau" darf darf die Straße dann, wenn die Ampel grün ist, überquert werden. So. Ebenso mag ich es nicht, wenn ich allein mit ihr unterwegs bin und ich mit zappelndem Hund an der Leine und Beutel in der anderen Hand versuchen muss, ihren Kot aufzuheben ohne umzufallen, weil Mila so rumzappelt. Deswegen muss sie sich da auch immer hinsetzen. Klappt weniger gut als an der Ampel - ist ihr das so kurz nach dem "machen" irgendwie unangenehm, sich hinzusetzen oder interpretiere ich da zu viel rein?
Jedenfalls sind das zwar ein bisschen unangenehme Situationen beim Gassi gehen, aber da hab ich mittlerweile keine Probleme mehr mit, auch wenn sie wirklich "schreit" wie am Spieß. Sie kann Frust einfach überhaupt nicht ertragen. Das zeigt sich, denke ich, auch bei der Begegnung mit anderen Hunden:
Sie will hin. Immer. Unbedingt. Sie zieht hin, stemmt sich in die Leine, duckt sich in die Leine, damit sie noch mehr ziehen kann oder holt sogar Anlauf, um so richtig schön in die Leine zu preschen. Damit hat sie nie Erfolg. Das lasse ich nicht zu. So und dann geht's richtig los: Bellen, knurren, im Kreis rennen um mich rum, in die Leine springen - das volle Programm. Meine Reaktion ist eigentlich immer dieselbe: Ich sage "Lass es!" (schon bevor sie so aufdreht) und gehe weiter. Sofern das geht, weil dieses im Kreis drehen wirklich doof ist und sie schon unglaublich kräftig ist. Manchmal dauert es etwas bis ich sie hinter mir her kriege, aber was bleibt ist: Sie darf SO nie zum anderen Hund. Nie.
Im Freilauf ist alles gut und wenn sie dann mit den anderen spielen darf, zum Beispiel in der Spielstunde oder eben im Freilauf ist sie auch immer mit allen verträglich, lässt sich gern auch von fremden Hunden regulieren, wenn sie denen zu wild wird. Alles gut, kein Problem. An der Leine? RIESEN Problem.
Wir haben schon mit verschiedenen Trainern dran gearbeitet. Ob Leckerchen, Richtungswechsel, Bogen, Hinsetzen lassen - bringt alles nix. Sie WILL da hin und wenn sie nicht darf gibt's Ärger.
Und dann ist es gekippt. Sie beißt nun, wenn sie frustriert ist. Sie versucht es mittlerweile immer, wenn sie zu einem anderen Hund will und wir sie nicht lassen. Sie schnappt nach unseren Händen und hat mich schon ein paar Mal recht dolle in den Oberschenkel erwischt. Das war jedes Mal schlimm und schmerzhaft für mich, aber noch nie so wie letzten Samstag. Wieder dieselbe Situation wie immer, nur diesmal hat der andere Halter seinen Hund leider zu nah an sie ran gelassen. Nach kurzem Schnuppern haben die beiden sich sehr heftig angegangen und wollten sich, glaube ich, sehr gerne so richtig auf die Mütze hauen. Ich hab sie natürlich nicht gelassen. Da drehte sie sich knurrend und Zähne fletschend um uns biss mich in den Oberschenkel, diesmal noch doller als die Male davor und wirklich böse. Ich hab mich trotz Riesenschreck nicht beirren lassen und hab sie in die entgegengesetzte Richtung gezogen, um sie aus der Situation zu holen. Ich glaub mir ist es in meinem Leben selten so schwer gefallen, meine Tränen zu unterdrücken. Zum einen vor Schmerzen aber zum anderen auch vor Schreck und Enttäuschung und ehrlich gesagt auch Wut. Wir arbeiten wirklich mit ihr, geben uns solche Mühe und es will einfach nicht besser werden. Sind wir vielleicht an dem Punkt, an dem wir uns eingestehen müssen, dass wir die falsche Familie für Mila sind?
Ich danke schon mal jedem, der sich die Zeit genommen hat, diesen langen Post zu lesen. Ich musste das einfach mal loswerden. Und ich würde mich sehr über Antworten und Erfahrungswerte freuen.
Liebe Grüße,
Claudia