Hi zusammen,
wir haben seit knapp 4 Wochen unseren Lemsi bei uns. Da das alles glaube ich etwas komplexer ist, hier erstmal etwas Vorgeschichte. Die eigentliche Frage dann unten.
Er ist ein mittlerweile 6 Monate alter, etwa 15kg schwerer Straßenhund Mix aus Indien. Wir leben auch hier in Indien. Von seiner Vorgeschichte her wurde er wohl Ende August geboren. Ende Oktober wurde er gefunden in einem Mülleimer, es wurde versucht ob er zu den Straßenhund Würfen vor Ort gehört - nachdem er immer wieder alleine rumlief, in schlechtem Zustand war und wohl auch öfter angefahren wurde hat ihn eine TIerschützerin aufgenommen und am nächsten Tag bei einer Pflegestelle unter gebracht. Dort war er etwa 6 Wochen und wurde dann bei einer anderen Pflegestelle untergebracht. etwa 6 Wochen später zog er dann bei uns ein. Schon kein guter Anfang, dessen waren wir uns bewusst.
Direkt beim Kennenlernen wussten wir schon, dass er eher ein zurückhaltender Hund ist, der nicht zu jedem Menschen direkt geht und Aufmerksamkeit will. Das war uns ganz recht und konnten wir gut akzeptieren. Wir haben uns etwa eine Stunde zu ihm gesetzt, er ist irgendwann gekommen und hat sich auch anfassen lassen und sich irgendwann entspannt. Wir haben ihn direkt mitgenommen. Und darauf vertraut, dass er mit Zeit und festem Alltag und dem richtigen Maß an Spannung und Entspannung ein immernoch zurückhaltender aber glücklicher Hund werden kann.
Leider hatte er direkt ab dem zweiten Tag Krankheitssymptome: Zecken Fieber. Ist hier ziemlich verbreitet, geht einher mit Fieber, Verlust an Appetit und Anämie. Unbehandelt tödlich. Wir haben es zum Glück noch rechtzeitig mitbekommen und haben drei Tage Infusion bekommen und über 21 Tage AB sowie Aufbaupräparate (u.a. für die Leber). Es ging ihm ab dem 2. Tag auch besser, hat einen gesegneten Appetit und hat gerade zu Beginn noch viel Geschlafen, aber bereits nach einer Woche würde ich ihn als normalen energievollen Junghund bezeichnen.
Sauberkeit war/ist auch noch etwas spannend. Wie hier so üblich hat er gelernt, auf der Terasse sein Geschäft zu verrichten. Ist noch ein ganzes Stück Arbeit, ihn umzugewöhnen. Denn wir haben im ganzen Haus Steinboden wie auf ihrer Terasse. Der Standard Ansatz alle 3 Stunden raus, sowie nach Essen/Spielen/Schlafen war schwierig, da er draußen immer so abgelenkt war, dass er nicht konnte/wollte. Langsam ist der Knoten geplatzt. aber meist einmal am Tag passiert es noch, da er nicht meldet wenn er muss. Aber das bekommen wir noch hin.
Jetzt zur eigenlichen Situation im Moment:
Im Grund liebt er Hunde jeglicher Art, er ist liebenswert und hat uns denke ich schon als Rudel akzeptiert, ruhige Menschen und Kinder sind nach einiger Zeit auch Ok wenn sie ihm seine Zeit geben.
Im Haus und Garten ist er verspielt und typisch Junghund, kommt gut mit den Hunden in unserer Wohnanlage zurecht. Fremde Menschen werden angezeigt an der Haustür sowie am Zaun - wir arbeiten gerade daran, dass er anzeigen darf und dann aber auf seine Decke geht. Wir hatten jetzt gerade über drei Tage den selben Handwerker im Haus - jedes mal, wenn er ihn wieder durchs Fenster gesehen hat, hat er ihn wieder angezeigt, das würde ich ihm gerne abgewöhnen - das ist aber eine andere Frage.
Draußen ist er ein anderer Hund. Sobald wir Spazieren gehen hat er Angst vor:
- Menschen: stehend, laufend, langsamer als wir, auf uns zukommend, uns überholend
- Hunde: da ist er geteilt, entweder er will wie ein verückter hin rennen oder er will weg
- Autos/Verkehr
- Hupen/Lichter
Die ersten Tage war das gar nicht so dramatisch, er war mit etwas zureden immer zum weiter gehen zu überzeugen. Aber mit der Zeit wurden seine Ängste deutlich. Zu Beginn wollte er sich immer ablegen - ungünstig wenn Straßenhunde auf einen zukommen oder man mitten auf der Straße ist. Mittlerweile will er weg. Wir versuchen diesen Drang zu nutzen, üben mit ihm, dass er sobald einer seiner Trigger kommt, er die Seite auf der er läuft wechselt - so dass wir zwischen ihm und dem Trigger sind. Zusätzlich schaffen wir mit einem Bogen etwas Distanz. Funktioniert in der Theorie sehr gut, gerade die Straßenhund hier reagieren selber auch gut darauf und lassen uns eher in Ruhe.
Er beruhigt sich meist schnell und mittlerweile kann man so Spaziergänge bereits genießen also auch im hündischen Sinne.
Sobald aber mehrere Trigger auftauchen - also mehrere Menschen, Hunde, Autos - dann ist schlicht und ergreifend nicht mehr genug Spielraum für das Alternativ Verhalten und weil er quasi dauernd mit Auslösern konfrontiert wird, kann er auch nicht mehr zur Ruhe kommen.
Daraus folgt, dass wir nur noch früh unterwegs sind, wenn nicht so viele 'Trigger' da sind - auf dem Spaziergang sind es etwa 5 - 10 Situationen. Die Bogen Taktik funktioniert einwandfrei und nach dem Spaziergang ist er wunderbar groggy.
Daher hat sich mittlerweile folgende Tagesroutine entwickelt:
6.00 Uhr Spaziergang für etwa 30 Minuten
Frühstück
Ruhe bis etwa 11Uhr
Spielrunde mit den Hunden hier im Komplex
MIttag etwa 12uhr
Ruhe bis etwa 15 Uhr
Training zu Hause: Grundübungen, Suchspiele und dann relaxt er meist im Garten
Abendessen etwa 17Uhr
Ruhe bis 18/19Uhr
früher: Spaziergang
jetzt: Training
An den Wochenenden fahren wir meist aufs Land - da läuft er wunderbar - keine Angst aber eben auch keine Trigger.
Uns ist schon klar, dass wir das Vertrauen zwischen uns stärken müssen, ihm zeigen dass wir die Situationen draußen kontrollieren. Aber dazu haben wir aufgrund der großen Menge an Auslösern nicht die Chance - aber ein morgendlicher Spaziergang ist in meinen Augen nicht ausreichend. Wie können wir das Vertrauen zu uns noch stärken. Was habt ihr noch für Ideen? Ist es sinnvoll diese extremem Spaziergänge - die für ihn nur Stress sind - zu minimieren?
Ich danke euch sehr für das durch halten und durchlesen - und hoffe auf gute Ideen :)