Alles weitere ausser Acht lassend, würde ich mich zuerst damit beschäftigen, was denn überhaupt das Ziel sein soll und wie die Zukunft aussieht: wie alt ist der Hund? Wenn es absehbar ist, dass dieser Hund die äusserst moderne (vor dem späten 19. Jahrhundert ging keiner im heutigen Sinn mit einem Hund 'spazieren') Idee des Spazierengehens eigentlich gar nicht mehr erlernen muss, würde ich dafür sorgen, dass er sich in seinem gewohnten Umfeld angstfrei aufhalten und da leben kann, ihm ab und zu Beschäftigung bieten und ihn wirklich zur Ruhe kommen lassen. Ja, das ist ganz bestimmt nicht Forumskonform und würde wohl auch nicht den hiesigen Gepflogenheiten (und Gesetzen) entsprechen. Eurem Hund sind diese aber wahrscheinlich herzlich egal.
Ängste lassen sich auch bei Hunden nicht durch aussen aufgedrängte Hau-Ruck Therapien lösen. In vielen Fällen lernen die Hunde einfach, dass sie sich nicht wehren können und ergeben sich. Die menschlichen Betreuer haben dann oft das Gefühl, sie hätten dem Hund gezeigt, dass er keine Angst haben braucht. Dabei hat das Tier nur gelernt, dass er dem Menschen ausgeliefert und Widerstand zwecklos ist. Eine echte Auseinandersetzung mit der für den Hund schwierigen Situation findet aber nicht statt. Natürlich kann man so trainieren. Es ist ethisch aber ziemlich verwerflich und schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund enorm. Deshalb würde ich Euch sehr davon abraten, den Hund ein- oder auch mehrmals täglich nach draussen zu schleppen und mit ihm 'spazieren zu gehen'. Ich kenne Euren Hund nicht: möglicherweise gibt er sich irgendwann einfach auf und lässt es mit sich geschehen. So, wie Du die Situation mit den bereits vorhandenen Panikattacken allerdings schilderst, würde ich in diesem Fall eher nicht davon ausgehen. Die Methode der 'Zwangsspaziergänge' versucht ihr ja schon länger: gefruchtet hat es nicht.
Genau deshalb würde ich ein anderes Vorgehen vorschlagen und weniger darauf achten, was ihr für den Hund gut findet, sondern darauf eingehen, was er denn zeigt, dass ihm (in dieser Hinsicht) gut tut. Hört ihm zu, beobachtet ihn: in welchen Situationen ist er entspannt? Bis wohin wagt er sich? Stellt ihm ehrliche Fragen, wenn ihr etwas Neues ausprobiert: 'Kannst Du schon...?' und achtet auf seine Antwort und nehmt ihn ernst, wenn er 'nein' sagt. Gebt ihm 20 Möglichkeiten, dass er auf Euer 'Kannst Du...?' mit 'Ja' antworten kann und probiert erst dann vielleicht etwas Schwierigeres. Ist die Antwort 'nein', geht ihr eben einen Schritt zurück, bis ihr ein 'Ja' erhält. Ein guter Indikator ist immer, ob der Hund noch fressen annimmt. Man kann Hunde übrigens auch wunderbar dahingehend trainieren. Nimmt er in einer bestimmten Situation eine Futterbelohnung nicht mehr an, müsst ihr so weit zurück bis der Hund wieder frisst.
Training und Beschäftigung sollten übrigens nicht stundenlang dauern. 3 x 3 Minuten pro Tag reichen vollkommen. Bei sinnvollem Training geht es um Qualität, nicht Quantität. Halte Dich strikt an diese drei Minuten und setze einen Timer. Dann 'darfst' Du auch 5 oder 10 Mal an einem Tag üben, wenn Dir der Sinn danach steht und Du die Musse dafür hast. Verschwende keine Zeit darauf, den Hund minuten- oder gar stundenlang in irgendwelche Situationen zu zwingen, die ihn nur weiter traumatisieren und Dich frustrieren, sondern nutze die wenige Zeit, die Du hast, mit ihm zusammen ein Stück (Angst-)Freiheit zu erarbeiten. Versetz Dich in Deinen Hund und überlege Dir, wie Du selbst geführt werden möchtest. Sei zuverlässig, berechenbar, rücksichtsvoll, grosszügig, transparent, klar und gütig.
Ganz ehrlich - und das zu hören ist bestimmt nicht so schön: dieser Hund ist für Euer jetziges Leben eigentlich nicht geschaffen. Ihr erlebt, was manche Menschen in Deutschland mit ihren Importhunden auch durchmachen. Wer noch nie mit einem wirklich panischen und für die Umwelt, in der er sich bewegen muss, absolut unsozialisierten Hund zu tun hatte, kann sich nicht vorstellen, was das bedeutet. Auch nicht, was das mit der Seele so eines Hundes anstellen kann, wenn man ihn 'zu seinem Glück zwingt.' Macht für den Hund und Euch das Beste daraus.