Beiträge von Wandelroeschen

    Natürlich. 'Von mir aus' wäre auch noch Vieles möglich. Nur kann der Lernende halt einfach keine Gedanken lesen und wird es nie können. Es ist eine Philosophiefrage, ob ich mich selber oder den Hund ins Zentrum stellen will und kann.


    Ich hab kein Problem mit Abbrüchen. Ich finde sie für meine Zwecke einfach nicht dienlich und habe sehr viel sinnvollere Alternativen gefunden.

    Ich mach mir halt gerne so wenig Arbeit wie möglich und erziehe meine Hunde dahingehend, dass sie in den unterschiedlichsten Situationen selber die 'richtigen' Entscheidungen treffen lernen und ich nicht dauernd mit Argusaugen hinterherrennen und hindern und korrigieren muss. Aber wenn andere das so mögen, ist das doch völlig in Ordnung.


    Dazu passt dieses Beispiel von BellaMN ganz gut:

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    Was genau sollte ich aufbauen, wenn sie es dennoch versuchen oder einfach was finden? Das es jedes Mal eine Belohnung dafür gibt, wenn sie stattdessen zu mir kommen? Könnte ich machen, aber das würde darin enden, dass meine Hunde absichtlich anfangen zu suchen, was sie nicht fressen dürfen, damit sie mehr Leckerlies einheimsen können. Ist für mich nicht Sinn der Sache. Sie sollen das schlicht und einfach komplett lassen. "NEIN" ist ein vollständiger Satz.

    Meine Hunde lernen, Fressbares anzuzeigen. Ganz einfach. Da kann auf dem Weg liegen, was will, die Hunde zeigen mir das an. Ich schau nach, was es ist und gebe es frei, wenn ich denke, es ist nichts Gefährliches. Manchmal geb ich's auch nicht frei und dann kriegen alle eine Runde Kekse, wenn ich welche dabei habe. Ich bin happy, die Hunde sind happy.

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    Und ich hab bei meinen Hunden untereinander auch noch nie erlebt, dass sie sich beim deutlichen Aufzeigen einer Grenze danach hinsetzen, Alternativverhalten anbieten und sich erklären. Für die funktioniert das deutliche NEIN sehr gut untereinander.

    Ich bin kein Hund und bin deshalb überzeugt, nicht wie ein Hund handeln zu können. Ich glaube auch, dass mein Hund das auch weiss. Ausserdem halte ich mich im Allgemein für klüger als Hunde. Aus diesen Gründen benehme ich mich gerne doch einfach meiner Spezies entsprechend und überlasse (angebliche) Tierimitationen lieber anderen.

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    Aber meine Hunde werden auch mit 15 nicht verstehen, warum irgendwas draußen fressen nicht erlaubt ist. Die müssen das einfach so hinnehmen.

    Es geht nicht darum, dass Hunde (oder Kinder!) irgendetwas verstehen müssen. Auch Kinder können ein 'Nein' übrigens viel weniger häufig nachvollziehen, als wir uns glauben machen wollen. Selbst wenn wir es erklären. Das ist nicht der Punkt.

    Es geht darum, dass meine Tiere mit mir kooperieren und kooperieren wollen und nicht dauernd das Gefühl haben müssen, ich sei die Spassbremse. Sie sollen - im Gegenteil - den Eindruck haben, dass die Zusammenarbeit mit mir lohnenswert wert. Nicht, weil sie mich so mögen, sondern weil sie gelernt haben, dass es etwas zu gewinnen gibt. Hunde sind Opportunisten. Das macht sehr Vieles einfacher.

    Szenario: Dein Hund findet etwas aus seiner Sicht Fressbares, aber aus unserer Sicht Gefährliches auf dem Waldboden.

    Es gibt einige Möglichkeiten, wie Dein Hund nun reagieren kann. Wie er das tut, hängt sehr von seiner Erfahrung mit Dir als sein Mensch ab. Zwei davon wären:

    Variante A: Hund hat gelernt, dass der Mensch bei Fressen, dass der Hund spontan hat, häufig erregt wird und das Fressbare für sich beansprucht und es verbietet. Merkwürdigerweise lässt der Mensch das Zeug aber liegen ohne selber davon zu fressen, will aber gleichzeitig auch nicht, dass es vom Hund gefressen wird. Die meisten Hunde werden nun sehr schnell lernen, dass es sich lohnt, so schnell wie möglich alles, was geht, davon hinunterzuschlingen. Mensch und Hund haben nicht dasselbe Ziel und kommen in eine Konkurrenzsituation. Es kann nur einer gewinnen.

    Variante B: Hund hat gelernt, dass es sich lohnt, wenn er Fressbares anzeigt. Fressen darf er es nach Begutachtung des Menschen, es fällt aber immer etwas für ihn ab: entweder kriegt er das Leckere vom Boden oder den Keks vom Menschen. Manchmal gibt's auch beides. Der Mensch beansprucht das Fressbare nicht für sich. Es gibt keine Konkurrenzsituation. Alle sind zufrieden. Alle haben gewonnen.

    Bei Variante A streiten Hund und Mensch bei der nächsten Situation wieder um das Fressbare. Bei Variante B nicht. Der Mensch kann sich darauf verlassen, dass die Hunde die richtige Entscheidung treffen. Ich schlender also entspannt und gemütlich meines Weges und kann mich darauf verlassen, dass meine Hunde mir zeigen, wenn sie etwas Tolles gefunden haben. Ich muss nicht dauernd kontrollieren. Aber man muss natürlich schon wissen, wie man das richtig aufbaut. Ein bisschen Fachwissen, Lerntheorie und Köpfchen gehören dann halt schon dazu.

    Manche haben regelrecht das Wort "nein" aus ihrem Wortschatz gestrichen und wollen bloß nie anecken. Weil Grenzen setzen und auf deren Einhaltung achten furchtbar schrecklich schlimm ist.

    Dass sie damit keinen verlässlichen Rahmen bieten, egal ob Hund oder Kind, wird entweder nicht wahrgenommen oder erfolgreich verdrängt.

    Unter anderem deswegen finde ich das "Bauchgefühl" problematisch/kritisch, weil mancherleuts Bauchgefühl sagt: "Ich darf das nicht verbieten, nachher liebt mich Kind/Hund nicht mehr."

    Moment. Das sind doch zwei grundverschiedene Dinge, die hier vermischt werden.

    Nur weil jemand möglichst kein 'Nein' in seinem Training oder seiner Erziehung braucht, muss das doch überhaupt nicht bedeuten, dass man keine Grenzen setzt? Ich denke, das ist eines dieser wirklich klassischen Missverständnisse, wenn es um das Thema positive Verstärkung geht.

    Das Gegenteil ist der Fall: wenn Du nicht mit einfachem 'Nein' (also einem Abbruch) operieren willst, musst Du umso stärker an Alternativen arbeiten und vorausdenken, damit Du unerwünschtes Verhalten umlenken oder unterbrechen kannst. 'Nein' ist inhaltslos und bedeutet meist 'tu das nicht'. Das mag für einen Erwachsenen, der sich für rational denkend und vernünftig hält (haha...) oft logisch anfühlen. Für ein Kind oder gar einen Hund muss es das aber ganz und gar nicht sein. Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Lebewesen grundsätzlich das tut, was es in diesem Moment für richtig und sinnvoll (im Sinne von 'für sich zielführend') hält, ist ein 'Nein', das vom Erzieher / Trainer kommt, einfach keine Information. Es bedeutet meistens nur: 'Achtung, wenn Du Dein Verhalten nicht änderst, kriegst Du Ärger.' Wie man den Ärger aber vermeiden und stattdessen 'das Richtige' tun könnte, ist in dieser Information nicht enthalten. Für denjenigen, der 'Nein' sagt, mag die Handlungsalternative, also das, was (zumindest in seinen Augen) richtig ist, völlig logisch erscheinen. Fürs Kind oder für den Hund ist es das aber nicht.

    Ich fand - und finde - es also ungeheuer heilsam, einmal ganz bewusst eine Stunde, einen Tag, eine Woche auf ein 'Nein' oder jedwelche weiteren Abbrüche zu verzichten. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die Übung da aufhört und ich denke, hier liegt das grosse Missverständnis. Anstatt dass Du 'Nein' sagst, gibst Du demjenigen, den Du erziehen willst, eben gleich eine Alternative und ein Kommando mit der Information, was er stattdessen tun soll.

    Also konkret: Du siehst, dass der Hund einen Keks vom Couchtisch stehlen will. Anstatt dass Du einfach 'Nein!' sagst, rufst Du den Hund stattdessen zurück. Das klappt aber natürlich nur, wenn Du den Rückruf vorher sauber aufgebaut hast. Die Chance, dass der Hund Deinen Rückruf in so einer Situation auch befolgen wird, ist aber um ein Vielfaches höher, wenn er diesen Rückruf bisher nur mit einem freudigen (positiven) Erlebnis verknüpft hat. Hat er gelernt, dass es sich überhaupt nicht lohnt, für einen Rückruf zu Dir zu kommen, wird er sich den Keks trotzdem krallen und fressen.

    Kleine Anekdote am Rande: ich erziehe meine Hunde grundsätzlich ohne 'Nein', bringe es ihnen aber (über positive Verstärkung) dennoch bei. Meine Hunde sollen von ausgewählten, aber eben nicht zwingend lerntheoretisch geschulten Personen ebenfalls geführt werden können und weil ich will, dass meine Hunde 'Nein' oder 'Lass es liegen' ebenfalls verstehen, lernen sie, sich auf ein 'Nein' hin einfach zum Menschen hin zu orientieren. Das ist nämlich das, was die meisten Leute mit einem 'Nein' meinen, bzw. zufrieden sind, wenn der Hund sie daraufhin auf allen Vieren ruhig stehend anschaut.

    Ich bin aber absolut einig mit Euch, dass es niemandem hilft, wenn er keine Grenzen lernen kann und darf. Das muss aber damit, dass man versucht, kein Nein in seiner Erziehung zu verwenden, nichts zu tun haben.

    Ist man mit Langhaarcollie, Basenji, Airedale Terrier, Irish Terrier, English Setter, Kurzhaar Collie oder auch einem Bedlington Terrier Dauergast beim Tierarzt?

    Vielleicht noch kurz dazu. Das Problem an Inzuchtprodukten ist eben auch, dass sie ganz generell eine schlechtere Fitness aufweisen. Mit Fitness ist eine generelle Resilienz gegen die Umwelt gemeint. Umgekehrt könnte man sagen, ingezüchtete Tiere sind ganz besonders sehr anfällig für eigentlich fast alles, aber insbesondere was das Immunsystem betrifft. Das wird aber häufig überhaupt nicht mit der Inzucht in Verbindung gebracht. Es gibt so viele verschiedene Symptome, an denen Inzuchtnachkommen leiden können, dass sie statistisch kaum zu erheben sind, weil unklar bleibt, was nun 'einfach Pech' und was auf die Inzuchtproblematik zurückzuführen ist. Darunter fallen z.B. Fruchtbarkeitsprobleme, kleine Würfe, Welpensterben, jegliche Art von Allergien, Unverträglichkeiten, eine schlechte Verdauung, Probleme im Wesen (Unsicherheit, Hypernervosität, Hypersexualität oder eben auch verminderter Sexualtrieb, Sozialstörungen, Lernstörungen, etc.), eine besondere Anfälligkeit für gewisse Krebsarten, Epilepsie, Knochen-, Gelenk- und Muskelprobleme, Rheuma, Arthritis, Hautprobleme und vieles, vieles mehr.

    Es ist auch nicht so, dass alle Geschwister eines ingezüchteten Wurfes an genau denselben Schwierigkeiten leiden. Da kann es in einem 6-er Wurf schon mal passieren, dass 3 unter Epilepsie, 4 unter Verdauungsproblemen und 2 unter Wesensschwächen leiden. Das bringt man dann nicht unbedingt mit einer Inzuchtdepression in Verbindung und wird oft einfach als 'schlechte Verpaarung' angesehen. Oft genug werden Probleme aber unter den Teppich gewischt und / oder dem Züchter erst gar nicht mitgeteilt. Dass der Grundstein des Problems aber bereits in den vielen vorherigen ingezüchteten Generationen gelegt wurde, sehen nur ganz wenige. Das wird auch erst sichtbar, wenn jemand beginnt, ganze Populationen anzuschauen und nicht einfach nur von einem einzigen Züchter oder einer kleinen Population in einem einzigen Land ausgeht.

    Diese Daten sprechen dann schon eine ganz eigene Sprache und da wird auch sichtbar, dass wenn man Hunde in zwei simple Kategorien einteilt, die "Mischlinge" im Durchschnitt (und nein, nicht jeder einzelne!) älter werden und 'gesünder' sind als die "Rassehunde" (nein, auch hier nicht jeder einzelne und ja, beide Begriffe sind problematisch).

    ich glaube, du hast mich im Punkt der optischen Extreme falsch verstanden. Was bringt es, einen Beagle in die Französische Bulldogge einzukreuzen, wenn wir nach wenigen Genrationen wieder beim extremen Bild der Französichen Bulldogge sind? Das Bild muss sich verändern.

    Das natürlich auch. Andererseits ist es mit der Veränderung des Bildes, das man von einer Rasse hat, noch nicht getan: selbst wenn man aus einer vorhandenen 'reinrassigen' Population aus, sagen wir, Englischen Bulldoggen, wieder längere Schnauzen züchten könnte - das Inzuchtproblem wäre damit nicht gelöst. Meine Hoffnung besteht darin, dass es zwischen den Unbelehrbaren vielleicht doch ein paar Leute gibt, die das Problem erkennen und angehen wollen. Mit offenen Zuchtbüchern wäre das möglich.

    Oder man Möpse und Französische Bulldoggen kreuzt. Nur von einer Erhöhung der genetischen Vielfalt verschwinden doch nicht die Probleme dieser Rassen.

    Die fehlenden Nasen, die Rückenprobleme, etc. wird das nicht korrigieren, aber den Genpool erweitern. Insofern - und das ist das wirklich Zynische an der ganzen Sache - sind die ganzen Merle-, Sonderfarben- und Fluffyproduzenten unter den Vermehrern (aus genetischer Perspektive, und wirklich nur aus dieser) für die Rasse sogar fast als Segen zu sehen. Natürlich nur, solange mit den Sonderfarben keine weiteren gesundheitlichen Probleme auftreten und mit den Mischlingen nicht wieder Inzucht betrieben wird (was in der Realität ja häufig genug der Fall ist, darüber müssen wir nicht diskutieren).

    Ich finde Konzepte auch interessant, wo man die Hunde rein nach Arbeitsleistung beurteilt und selektiert. Klappt aber auch nicht immer so

    Wie gewünscht und angestrebt. Und wie man das auf Begleithunde übertragen möchte weiß ich nicht.

    Und nein, dass Hunde komplett durchgetestet werden versteht sich nicht von selbst. Das passiert in der Realität nicht. Und je unkontrollierter die Zucht, desto weniger passiert das. Rassehunde sind nicht kränker, nur, weil die Menschen ihre Mischlinge nicht auswerten lassen. Aber das sind auch so Gründe, wieso man sich das mit der Testerei mittlerweile lieber zweimal überlegen sollte. Wird einem mit Rassehunde doch zu gerne ein Strick draus gedreht.

    Das Länder mit härteren Umweltbedingungen robustere Hunde hervorbringen glaube ich gerne. Aber in Deutschland ist das so nicht umsetzbar und entspricht wohl auch nicht unserem Verständnis von Tierschutz. Hier selektiert man halt nicht mehr praktisch, sondern vor allem theoretisch.

    Hier sind wir uns völlig einig. Ich sehe genau das gleiche Problem, das Du im ersten Abschnitt auch schilderst: wie will man 'Arbeitsleistung' auf Familien- und Begleithunde übertragen? Ich hätte da zwar schon eine Idee - und zwar die Weiterführung dessen, was Domestikation seit jeher mit einer Spezies gemacht und gefördert hat - weiter auf Zahmheit, Trainierbarkeit und Fügsamkeit zu selektieren. Diese Meinung ist allerdings (vielleicht nicht ganz zu unrecht) gerade hier im Forum äusserst unpopulär. Da wird dann häufig eingeworfen, man könnte sich statt eines Hundes ja gleich ein Stofftier kaufen. In Skandinavien zum Beispiel wird andererseits aber sehr rigoros auf Freundlichkeit selektiert.

    Und gleichzeitig gibt es doch keinerlei Fremdblut, weil das Einführen von Pferden nach Island seit langer Zeit verboten ist. Es zeigt also: gesunde Rassezucht ist auch mit einer geschlossenen Population unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nur müssten dazu alle Züchter ein Grundverständnis von Genetik haben und dieses Wissen umsetzen bzw. die Vereine die entsprechenden Richtlinien vorgeben - das wird noch einige Jahre dauern, bis die Leute soweit sind...

    Die Populationen, die unter Inzuchtbedingungen weiterbestehen, sind eher die Ausnahme als die Regel. Aber ja, es gibt sie. Da, wo sie aber fortbestehen, herrschen ganz bestimmte und häufig unglaublich rauhe Bedingungen, die der Mensch selbst in einem von ihm bestimmten Zuchtprogramm keinesfalls reproduzieren könnte (die Ethik und die gängigen Tierschutzgesetze mal aussen vor gelassen). Eine Selektion, wie sie in der Natur stattfindet, lässt sich nun mal nicht auf ein domestiziertes Haustier übertragen. Ich glaube sogar, dass wir zu einer Selektion, wie die Natur sie vornimmt, schlichtweg nicht in der Lage wären, selbst wenn wir es wollten.

    Die Ansprüche an ein Haustier sind nun einmal völlig andere als diejenige an ein Wildtier und stehen diesen oft diametral entgegen. Deshalb ist auch die Bemerkung der Biologin, die sich auf Rückerts Beitrag auf Facebook gemeldet hat, in dieser Hinsicht leider wenig hilfreich und völlig unrealistisch.

    Aber die Frage ist doch, verändert es was?

    Und oft ist die Antwort doch leider: nein.

    Natürlich tut es das: die genetische Vielfalt wird erhöht. Der Inzuchtdepression wird vorgebeugt.

    Dann haben wir halt offene Zuchtbücher die immer noch zu Gebäudekatastrophen führen.

    Bei der Diskussion geht es ja selten wirklich um Krankheiten, sondern um optische Extreme.

    Mir zumindest geht es ausschliesslich um Krankheiten. Dass eine Katastrophe passiert, wenn man zwei Rassehunde unterschiedlicher Rassen verpaart und daraus dann irgendwelche furchterregende, schizophrene Gestalten entstehen ist nun wirklich reine Angstmacherei und Fantasie. So funktioniert Genetik nicht.

    Dass aber natürlich nicht viel Sinnvolles herauskommen kann, wenn man zwei eh schon kranke und erblich vorbelastete Individuen kreuzt - was bei Rassehunden nun einmal nicht ganz unwahrscheinlich ist, weshalb eben solide Gesundheitsuntersuchungen dazugehören sollten - versteht sich von selbst.

    Genetische Vielfalt hilft ja zum Beispiel nicht gegen übertypisierung.

    Jein. Kreuzt Du einen Windhund mit einem Mops wird der Nachwuchs im Durchschnitt sehr viel längere Nasen als der Mops und wahrscheinlich kürzere als der Windhund haben. Wir wissen sehr genau und können gut vorhersagen, wie Hunde aussehen, die sich über Generationen vom Menschen wenig oder kaum beeinflusst vermehren können.

    Für offene Zuchtbücher plädiere ich hier in diesem Forum ja schon ewig. Und darf dafür auch immer wieder heftigen Gegenwind erfahren. Die Tabelle und Carol Beuchats Blog habe ich übrigens auch immer wieder verlinkt.

    Ich freue mich also sehr über Rückerts Blogbeitrag. Vielleicht bringt das ja doch einige Leute zum Umdenken.

    Ich finde es gerade auf Käuferseite sehr schwierig, bei der Hundewahl ethisch einigermassen vertretbar zu handeln: ich bin überhaupt keine Gegnerin der systematischen Rassehundezucht, mag Rassehunde und sehe sie als wichtiges Kulturgut. Ich finde aber, dass die geschlossenen Zuchtbücher dringenst geöffnet gehören. Wer nach wie vor genetische Inzuchtkrüppel produzieren will, kann das meinetwegen ja trotzdem tun (auch wenn ich persönlich natürlich eine ganz klare Haltung dazu habe). Andererseits hätte auch ich gerne einen Hund, dessen Abstammung, Herkunft und Gesundheit untersucht und bekannt und dessen Eignung und Charakter einigermassen vorhersehbar sind.

    Das System der ISDS ("was hütet und sich verhält wie ein Border Collie, das ist auch ein Border Collie") liesse sich im Prinzip auch auf andere Gebrauchs- sowie auch auf Familien- und Begleithunde übertragen. Ja, es gäbe dann eben auch völlig legitim gemischte Rassemixe. Damit müssten 'Puristen' ja dann nicht züchten oder könnten für sich oder durch die Organisation in einem Verein festlegen, dass sie gar kein oder nur ein gewisser Prozentsatz an Fremdblut zulassen.

    wie schädlich ist das eigentlich für einen Hund, wenn er mehr oder weniger über den Tag verteilt kleine Portiönchen kriegt und sein Magen und Körper ständig Input bekommt? Sind Fresspausen nicht eigentlich auch wichtig, der Hund ist ja nicht drauf ausgelegt, wie ein Meerschweinchen ständig zu essen, sondern große Portionen zu fressen und dann längere Freßpausen zu haben :denker:

    Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Schau Dir an, wie Hunde domestiziert wurden und wie Strassenhunde und Hunde, die sich selbst überlassen sind, (was übrigens die Mehrheit der jetzt lebenden Individuen der Spezies Canis Familiaris ausmacht) leben. Dazu gibt es wirklich zig Studien. Freilebende Hunde dösen den grössten Teil des Tages. Begeben sie sich auf Futtersuche, fressen sie alles, was ihnen begegnet und ihnen als fressbar erscheint.

    Da liegen selten grosse Portionen herum, sondern es handelt sich meist um Häppchen, Abfälle eben, die (häufig) vom Mensch hinterlassen werden. Wenn Hunde jagen, dann praktisch ausschliesslich Klein- und Kleinsttiere. (Die meisten, aber nicht alle) Hunde haben im Gegensatz zu Wölfen die Fähigkeit entwickelt, Kohlenhydrate gut zu verdauen und zu verwerten. Auch bei Wölfen darf man sich übrigens nicht vorstellen, dass sie stets grosse Mengen an Fleisch zur Verfügung haben und sich nur von gerissenem Grosswild ernähren. Wölfe fressen überraschend häufig Kleintiere und eben auch alles, was sie sonst so im Wald finden und ihnen fressbar erscheint.

    Es ist - ganz im Gegenteil - also ziemlich unphysiologisch, einen Hund z.B. nur einmal pro Tag oder gar nur alle Tage zu füttern. Das finde ich zum Beispiel grausam! Viele Hunde haben ja schon nur mit Fresspausen von über 12 Stunden ein Problem und zeigen Nüchternbrechen und weitere Symptome. Das lässt sich oft ganz einfach damit beheben, dass man den Hund eben in kürzeren Abständen füttert.

    Ich frage mich aber, weshalb einige hier in dermassen absoluten Kategorien zu lesen (und zu denken?) zu scheinen. Kein vernünftiger Mensch wird seinen Hund doch ernsthaft zu Trainingszwecken über längere Zeit hinweg hungern lassen oder seinen Hund den ganzen Tag lang dauerzutrainieren ohne ihm die absolut nötige und wichtige Portion Ruhe und Schlaf zu gönnen?

    Und noda_flake: Ich glaube, das Missverständnis besteht darin, wie Munchkin1 gut erklärt, dass man dem Hund eben eigentlich gar nichts abverlangt und das, was er sowieso tut (und man gut findet), gleich noch belohnt. Martin Rütter würde mir z.B. sehr häufig vorwerfen, ich würde den Hund fürs reine Existieren belohnen. Damit liegt er noch nicht einmal so falsch: fürs reine Existieren ohne jemand anderem auf den Keks zu gehen, etwas kaputt zu machen oder nachzulaufen zum Beispiel. Belohnt wird eben auch, wenn er (also der Hund, nicht der Rütter) 'nichts' tut. Ich verlange nicht aktiv etwas vom Hund, damit ich ihn belohnen kann. Ich gebe keine Kommandos. Das läuft wirklich ganz nebenbei. So erziehe ich meinen Hund dazu, selbstständig in ganz vielen Situationen die für alle Beteiligten 'richtigen' Entscheidungen zu treffen. Aber das führt hier etwas weit.

    Ich habe nicht geschrieben dass die Mahlzeit AUSFÄLLT, also nicht statt findet, sondern dass sie eben in einer Trainingssituation gegeben wird. Bsp: Wenn meine Hündin morgens Mantrailing hat, gibts nur einen Snack und ihre Hauptmahlzeit kriegt sie dann da als Belohnung.

    Aber das kommt alle Jubeljahr mal vor, dass wir um diese Uhrzeit beim Mantrailing sind. Und, sie bekommt morgens in ihrer gewohnten Routine dennoch was zu fressen.

    Ich tue doch nichts anderes? Nur einfach regelmässiger?

    Und auch im positiven Training setze ich Grenzen.

    Wie denn?

    Ernsthafte Frage, ist jetzt keine Fangfrage oder so. Aber ich lese den Satz oft, kann mir darunter aber nicht so recht was vorstellen. Wie setze ich eine Grenze, wenn ich nicht "Nein" sagen darf?

    Wer keine Grenzen setzt, kann nicht trainieren. Ich glaube, viele haben ein falsches Verständnis von Training über positive Verstärkung. Es geht nicht um Kategorien wie 'niemals' und 'immer'. Das halte ich für sehr toxisch und nein, das funktioniert tatsächlich nicht.

    Du setzt Grenzen indem Du:

    1) Dir als Trainer ganz klar bewusst machst, was Du wann und wie belohnst und was nicht. Machen wir uns aber nichts vor: auch eine Belohnung vorzuenthalten wird vom Lernenden oft als bestrafend empfunden! Meiner Meinung nach gibt es absolut frustrfreies Lernen nicht wirklich. Wir können den Frust als kompetente Trainer aber minimieren.

    2) das Umfeld so gestaltest, dass dem Tier die 'richtige' Entscheidung möglichst leicht fällt und es 'falsche' Entscheidungen möglichst erst gar nicht treffen kann. Du fängst also, wenn ein Hund an der Leine zieht, also nicht gleich mitten im Stadtgetümmel an, sondern z.B. zuhause, wo der Hund eigentlich sowieso keinen Grund hat, an der Leine zu ziehen und schon den kleinsten Druck am Hals wahrnehmen wird, wenn Du die Leine anspannst um dem Hund beizubringen, diesem Druck nachzugeben.

    Dann baust Du das Verhalten, das Du trainieren möchtest so auf, dass der Hund schlichtweg keinen Grund hat, sich anders zu verhalten, als gewünscht, weil es sich bisher in jeder Situation, in der er war, ja sehr gelohnt hat, das auftrainierte Verhalten zu zeigen. Wenn Du das wirklich konsequent machst und dafür sorgst, dass der Hund die Erfahrung macht, dass es sich immer lohnt, für Dich zu arbeiten, wird er das auch in der einen Situation tun, wenn Du es wirklich brauchst, schlichtweg, weil er die die Erfahrung gesammelt hat, dass er auch anders handeln könnte.

    Das ist bei einem Rückruf z.B. Gold wert. Hat der Hund wirklich nie die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, einen Rückruf zu ignorieren, wirst Du ihn (beim ersten und, vielleicht, wenn Du sehr viel Glück, sehr solide trainiert und keinen besonders jagdlich ambitionieren Hund hast auch beim zweiten Mal) abrufen können, wenn er ein Reh hetzen will. Aber: sobald der Hund durch unsauberes Training lernt, dass es auch andere, belohnendere Dinge gibt, als das, was Du ihm bieten kannst, hast Du natürlich ein Problem. Bei einem absolut sauberen Aufbau (und der ist aus eigener Erfahrung z.B. auch mit jagdlich erfahrenen Deutschen Jagdterriern und Pointern möglich) ist das machbar.

    Das erfordert aber sehr viel Fachwissen vom Trainer und ist nicht ganz so einfach, wie manche sich das vorstellen. Strafen ist ganz klar einfacher und sehr viel belohnender für denjenigen, der straft. Wer versucht, möglichst häufig zu belohnen und möglichst selten zu bestrafen, muss sehr viel mehr darüber nachdenken, wie er den Trainingsaufbau gestaltet, als eben (per Strafe) 'nur' zu sagen: 'so nicht!'.

    Es ist genau dieses 'so', bzw. das 'so holst Du Dir eine Belohnung ab' worüber Du Dir im Vornherein schon Gedanken dazu machen musst, wenn Du nicht bestrafen willst.

    Es geht bei der positiven Verstärkung bei jedem Lernenden darum, die Balance zu finden zwischen 'bleibt motiviert bei der Sache' und 'geht frustriert weg'. Viele Leute, bei denen clickern 'nicht funktioniert', haben einfach nicht verstanden, wie häufig, wie schnell und wie hoch die Belohnung sein muss, dass der Hund weiterhin mit ihnen arbeiten möchte. Mit diesem (grundehrlichen) Feedback können sie dann nicht umgehen.

    Arbeitest Du über Strafe, kannst Du ganz alleine dem Hund die Schuld geben: der Hund will nicht, der Hund kann nicht, der Hund will Dich veräppeln. Über Dein eigenes Verhalten musst Du nicht zwingend nachdenken.

    Arbeitst Du über positive Verstärkung, wird das schwieriger. Weil Du das Tier nicht zur Mitarbeit zwingst (obwohl es gerade bei Hunden durchaus auch da Methoden und Wege dazu gibt...), musst Du Dich stets fragen, was Du als Trainer falsch gemacht hast, dass ihr nicht zum Erfolg kommt. Eine gute Lernkontrolle ist es daher, einmal mit Tieren zu arbeiten, die sich kaum zwingen lassen: Mäusen, Fischen, Katzen und Hühnern. Genau deshalb machen das sehr viele Leute, die über positive Verstärkung arbeiten.

    Hilft das?

    Was mein Problem ist, ist die Tatsache dass der Hund eben NUR dann Futter bekommt wenn er kooperiert und sonst nicht. Der Hund wird in einem gewissen Grad zur Kooperation gezwungen, weil sonst leerer Magen. In meinen Augen ist es schon ein Unterschied ob mein Hund seine Hauptmahlzeiten hatte und dann dennoch für Futter mit mir arbeitet, oder ob er dann eben hungern muss. Das ist schlicht und einfach nicht fair.

    Was 'fair' ist und was nicht, bestimmt sowieso der Mensch. Diese Erkenntnis finde ich wichtig. Der Hund hat dabei überhaupt kein Mitspracherecht. Wir alleine bestimmen, was wir für unsere Hunde 'fair' finden und was nicht. Wenn wir finden, wir hätten 'fair' gehandelt, fühlen wir uns besser. Ob das objektiv dann wirklich so ist und ob der Hund unser Handeln überhaupt als 'fair' empfindet (und ob er das überhaupt kann) bleibt offen.

    Es ist diese Doppelmoral, die mich stört: Tun wir doch nicht so, als ob unsere Hunde nicht sowieso zur Kooperation gezwungen würden. Ich kann den Hund belohnen, wenn er etwas 'richtig' gemacht hat oder ich kann ihn bestrafen, wenn er etwas 'falsch' macht. Ich ganz alleine bestimme, was ich als richtig und was als falsch bewerte (genauso, wie ich ganz alleine bestimme, was, wo und wann der Hund fressen darf). Wenn ich persönlich jetzt die Wahl zwischen Belohnung und Strafe habe, dann belohne ich lieber.

    Davon, dass der Hund hungern muss, kann bei dem von mir geschilderten Vorgehen ja wohl nicht ernsthaft die Rede sein. Das (übriggebliebene) Futter gibt's immer. Kompromisslos um Punkt 12 und Punkt 20 Uhr. Nur bleibt meist gar nichts liegen, weil ich bei einem Hund im Training eben dafür sorge, dass er für jede noch so kleine 'richtige' Entscheidung (ich bleibe ruhig auf meiner Decke liegen, wenn der Mensch aufsteht und umhergeht; ich setz mich hin, wenn ich etwas will; ich springe nicht ungefragt auf Tische, sondern übe mich in Impulskontrolle, etc.) ein entsprechendes Feedback in Form von Futter erhält.

    Nochmal: es geht dabei um Hunde im Training. Vielleicht stellt sich mancher das etwas anders vor, als es tatsächlich ist: es geht um (häufig als gefährlich eingestufte, völlig un- und untersozialisierte) Hunde aus dem Tierschutz, die intensives Training benötigen. Diese Hunde haben noch nie gelernt, dass mit Menschen überhaupt kommunziert werden kann. Dass Menschen in irgendeiner Weise berechenbar sind. Das sind keine netten Haustiere, die auf dem Hundeplatz mal 'Sitz' machen sollen. Das sind Hunde, die kennen tatsächlich einfach gar nichts. Wenn ich über positive Verstärkung arbeiten will - und ich sehe wirklich nicht ein, weshalb ich ein Lebewesen auch noch dafür bestrafen sollte, dass es Pech im Leben gehabt hat und das, was ich von ihm verlange, schlichtweg noch nicht lernen durfte - bleibt mir nichts anderes übrig, als mit Futter zu arbeiten.

    Wie gesagt: bei Hunden, die das 1x1 des Zusammenlebens bereits gelernt haben, käme es mir nicht in den Sinn, dauernd mit Futter herumzurennen. Meine eigenen Hunde und die, die schon länger hier sind, kriegen ihr Futter allermeistens aus dem Napf.

    Netter kleiner Nebeneffekt: ich hab eigentlich nie Hunde, die vom Boden irgendwas fressen. Auch die eigentlich verfressendsten Vertreter nicht, obwohl ich das nicht mit Absicht trainiere. Die Hunde haben schlichtweg gelernt, dass ich was Besseres hab. Und dass sie das auch zuverlässig von mir bekommen, wenn sie das andere liegenlassen.

    Einem Hund mal eine Mahlzeit ausfallen zu lassen, oder die Mahlzeit ausnahmsweise mal beim Training zu füttern, damit kann ich gut leben. Aber das generell so zu machen? Ich weiss nicht. Am Ende kann das jeder machen wie er denkt und will, aber ich für meinen Teil finde das nicht schön :ka:

    Eben. Du kannst damit gut leben. Das ist aber Deine eigene Einstellung, Deine eigene Moral und nicht zwingend das Verständnis von Fairness, das Dein Hund hat. Was macht es für Dich akzeptabeler, das Futter 'mal' oder 'ausnahmsweise' ausfallen zu lassen? Das dünkt mich aus meiner Perspektive nun willkürlicher als mein Vorgehen.

    Vielleicht noch ein Wort zu denjenigen, die ihrem Hund stets einen gefüllten Napf mit Trockenfutter offerieren. Ganz ehrlich, das wäre meine Idealvorstellung und ich probier das auch immer mal wieder. Mit einigen Hunden geht das einigermassen, mit anderen leider gar nicht. Nicht alle Hunde sind gleich.