Und natürlich hat dein Bruder die Entschuldigung akzeptiert. Was hätte er denn sonst machen sollen? Die Abhängigkeit besteht bei Kindern doch so stark, dass sie nahezu alles als normal empfinden, auch, wenn es eben nicht gut tut.
Ich finde es wirklich erschreckend, wie sehr "Hand ausgerutscht" relativiert wird
Weiter weinen können?
Ich weiss ja nicht was du dir unter der Entschuldigung meiner Mutter vorstellst. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Meine Mutter hat sich zu ihm hingekniet, ihm tröstend durch die Haare gestrichen, ihm gesagt wie leid es ihr tue und sie ihm nicht weh tun wollte, sie aber durch den Schmerz einfach reagiert hat. Es war keine Absicht und sie wisse auch, dass er ihr nicht absichtlich weh getan hat.
Sie hat mit ihm zusammen dann eine Schoki für ihr Bein und seine Wange ausgesucht und die haben sie dann vor dem Laden zusammen gegessen.
Alles war miteinander geklärt.
Ich finde es eher erschreckend, dass alles immer gleich ins andere Extrem fällt.
Meine Mutter hat als Kind Zuhause Ohrfeigen bekommen und sich geschworen, das nie ihren Kindern anzutun. Sie hat uns nie auch nur ein Haar gekrümmt, wir durften immer sagen, wenn uns was nicht passt, hätte mein Bruder also die Entschuldigung nicht angenommen, sich freiwillig mit ihr versöhnt, wäre das völlig in Ordnung gewesen. Genauso hätte er es später auch nochmal ansprechen können.
Er war übrigens 4 Jahre alt und war aufgrund unserer Erziehung auch nicht gehemmt zu sagen wie er sich fühlt.
Ich mag ja gerne das gesunde Mittelmass. Heisst, man schlägt niemanden, aber man darf jedem seine Menschlichkeit auch mal nachsehen.
Aber das ist eben wie das unterschiedliche Verständnis mit den Zitaten im Buch. Ich sehe die Hilflosigkeit hinter den Geschichten (die mit den Schlägen, die in meiner Version ja auch nicht mehr vorkommt, ausgenommen) und ich kann solche Dinge lesen und mir anhören ohne gleich zu verurteilen. Ich bin wie gesagt aber auch ohne Gewalt aufgewachsen, mich triggert da also nichts. Andererseits kenne ich Menschen die Nervenzusammenbrüche hatten, das Kind gerne geschüttelt hätten, nur damit es doch bitte endlich mal still ist. Alle hatten das Glück Hilfe bekommen zu haben. Diejenigen die keine gefunden haben, auch aus Kraftlosigkeit, tun mir schlicht leid. Da ist kein Hauch von Verurteilung in mir drin.