Hi erstmal,
du hast da ein ziemliches Energiebündel, das dazu neigt zum Nervenbündel zu werden, sobald der sympathische Teil ihres vegetativen Nervensystems angeregt wird. Dazu nachher mehr.
Und direkt nach dem schimpfen sich zu mir drängt und sich umdreht oder die Schnauze mit angelegten Ohren auf mein Bauch legt oder mich abschleckt.. da ist es für mich oft nicht einfach weiterhin böse zu sein,
Auch diese (übertriebene) Beschwichtigungsreaktion ist Zeichen von Stress.
Wobei es mir überaus sympathisch ist, dass du ihr nicht lange böse sein kannst!
Also bei dem Programm vom Anfangspost würden meine beiden Border Collie (!) - Mixe, ausgewachsen und erwachsen, ihre Sachen packen und gehen.
Meine beiden ausgewachsenen Golden sind mit einem solchen Programm absolut zufrieden zu stellen. Allerdings haben Beide dieses Programm nicht in ihrer Jugend gehabt, da wäre es tatsächlich zu viel gewesen, mental und körperlich. Das Programm wurde ihrem jeweiligen Vermögen angepasst, und wenn ein Tag mal sehr stressig war, gab es danach ein paar Tage die ruhiger verliefen.
Dazu wurde nicht unbedingt der Spaziergang gekürzt, aber ich habe dann Bereiche aufgesucht, die wenig stressige Außenreize boten.
Nun zum vegetativen Nervensystem: Dieses besteht aus dem Parasympathikus, welcher für Ruhe und Erholung des Organismus sorgt, und dem Sympathikus, welcher für Anregung des Organismus sorgt. Unabhängig vom Hundetyp (Nervenbündel oder Schlaftablette) sind diese in Balance, d.h. sie beeinflussen sich gegenseitig und sorgen dafür, dass nicht eine Seite Überhand nimmt.
Dabei benötigt deine Hündin Hilfe, denn deinen Beschreibungen nach übernimmt der sympathische Teil des vegetativen Nervensystems zu sehr die Regie und lässt deine Hündin kopflos reagieren.
"Ruhe lernen" heißt nicht, dass deine Hündin nach (von euch angebotener Aktion) ins Körbchen oder sonst einen Platz gehen muss, um dort vor sich hin zu dösen.
Ruhe heißt viel mehr, gar nicht erst so hochzufahren, dass der Stress ihr Verhalten bestimmt.
Ihr Verhalten anderen Hunden gegenüber sehe ich nicht einzeln trainierbar, sondern als Gesamtpaket.
Dazu sind drei Aspekte die Basis, um diesem Gesamten gerecht zu werden:
1. Das von dir beschriebene Verhalten schon im Vorfeld durch entsprechendes Management gar nicht erst aufkommen lassen
2. Gezielt den Parasympathikus fördern
3. Erlernen intrinsischer Impulskontrolle
Zu 1.: Ich würde an eurer Stelle euren Hund gar nicht mehr in die Situation bringen, zu einem anderen Hund so einen Anlauf nehmen zu können. Heißt: Wann immer es möglich ist, mit dem ANGELEINTEM Hund die Distanz zum anderen Hund verkürzen, und ihn erst dort losmachen und zur Interaktion freigeben. Sucht euch dafür die Hunde gezielt aus, macht die Interaktion gerade lang genug, dass sie nicht in dieses Rüpelverhalten abgleitet, und leint sie freundlich aber bestimmt an, wenn sie wieder dahin abzugleiten droht.
Was du mit der Wasserflasche machst: Du setzt sie ein, wenn deine Hündin sowieso schon sehr unter Stress steht. Die Wasserflasche wirkt als Schreckreiz, der noch weiteren Stress produziert (Schreckreiz wirkt auf das biologische System des Aversionsverhaltens und kurbelt die Produktion der Stresshormone an) - du fügst also dem sowieso vorhandenen Stress deiner Hündin noch weiteren Stress zu!
Du kannst sicher nachvollziehen, dass du hier möglicherweise das Verhalten zwar abbrichst - aber mit einem für deine Hündin noch größeren Stresslevel, der für alles Mögliche sorgt - nur eben nicht dafür, das Verhalten wirklich abzubauen. Im Gegenteil, du machst dadurch dieses Verhalten für die nächste Gelegenheit noch wahrscheinlicher...
Wenn du ihren Stress mittelfristig abbauen willst, solltest du also IN EINER SOLCHEN SITUATION selber Ruhe (und Freundlichkeit) reinbringen.
zu 2.: Der Parasympathikus wird gestärkt durch längeres Futtervergnügen, ruhiger Zuwendung, ruhigen Spaziergängen, ausreichenden Ruhezeiten.
Längeres Futtervergnügen lässt sich z. B. erzeugen durch das Füttern aus einem Kong, die Gabe von Fleischknochen, sonstige Kausnacks. (Ich nehme auf langen Spaziergängen immer ein Butterbrot für mich und ein längeres Kauvergnügen wie Rinderohren oder Ochsenziemer, manchmal auch ein Stückchen Ochsenschwanz für meine Hunde mit; eine solche "Auszeit" auf einem langen Spaziergang fährt die Hunde wunderbar runter, wenn sie sich einmal daran gewöhnt haben - diese Gewöhnung hat deine Hündin noch nicht, wird aber sehr schnell kommen. So bekommst du auch bei einem langen Spaziergang schnell ein Phase zum Runterkommen hinein = Aktivierung des Parasympathikus und Erholung des gesamten Organismus)
Ruhige Zuwendung heißt längere Streicheleinheiten ohne Aktion; kreisende Massagebewegungen (Tellington-Touch wäre für euch vielleicht eine gute Möglichkeit?) fahren den Parasympathikus hoch und den Sympathikus runter, und es kommt zu Oxytocin-Ausschüttung.
Ruhige Spaziergänge heißt: Wenig Neues auf den Spaziergängen, lieber länger und langweilig, im ausgewogenen Wechsel zwischen Erfüllung der hündischen Bedürfnisse und dem Beschäftigen mit dem Hund. Für einen Hund, der schon mit einer hohen Erwartungshaltung auf solche Spaziergänge geht (also schon gestresst ist) kann es sein, dass die Länge der Spaziergänge heruntergefahren werden muss in der ersten Zeit. Aber auch viele Hundebegegnungen auf einem Spaziergang können für einen zu Stress neigenden Hund to much sein.
Evtl. ist in der ersten Zeit bei euch anzuraten, die Spaziergänge getrennt zu machen - auch um eurer Labbidame willen. Sonst muss sie möglicherweise wieder als "Prellbock" herhalten, zum Stressabbau eurer Rakete ...
Nach stressigen Aktionen (also auch Spaziergängen, denn Bewegung aktiviert den Sympathikus) ist Ruhe angesagt. Ich gebe z. B. die Hauptmahlzeit für die Hunde NACH diesem langen Spaziergang - wobei Hauptmahlzeit hier aus Stückfleisch besteht, das die Jungs ganz artgerecht reißen können. Danach sind sie platt (vorherige Bewegung) und satt = glücklich - und RUHEN.
zu 3.: Impulskontrolle .... uaaah, jaaaa ... ein leidiges und oft fehlverstandenes Thema...
Ich habe extra "intrisisch" fett und unterstrichen geschrieben, weil es eben NICHT um die Kontrolle der Impulse des Hundes von Außen geht - sondern darum, dass der Hund selber lernt seine eigenen Impulse besser zu kontrollieren.
Das geht eigentlich nur über DENKEN - der Hund muss selber DENKEN bevor er (impulsiv) handelt. Stress schaltet Denken aus ...
Wir können einen Hund nicht zum Denken zwingen - aber wir können ihm die Möglichkeiten schaffen für Zeitfenster, in denen Denken MÖGLICH wird.
Dazu zwei Beispiele:
1. Kontakte zu anderen Hunden: Ein Hund der 20m RENNT um zum anderen Hund zu gelangen, baut 20m zusätzlichen Stress auf, weil schnelle Bewegung nun mal den Sympathikus aktiviert. Der Hund landet also als Hormonbombe beim anderen Hund - was wird er da wohl als Verhalten zeigen? Sicher keine ruhige, höfliche Kontaktaufnahme ...
Ein Hund der weiß, dass er zu dem anderen Hund darf, dies aber im moderaten Tempo geschieht, weil er eben gemeinsam mit seinem Menschen (angeleint) dort hin GEHT - der baut diesen Bewegungsstress nicht auf und hat zeitgleich einen längeren Zeitraum zur Verfügung um den anderen Hund beobachten zu können. Er kann also dessen Signale ausreichend lange lesen - und sein eigenes Verhalten darauf einstellen.
Die Krux ist: Hunde, die schone in anderes Verhalten der Annäherung erlernt haben (wie deine Hündin; sie wird ja gerne zur Rakete) werden erst mal wie blöd an der Leine ziehen, um wie gewohnt SCHNELL zu diesem Hund zu kommen. Eigene Freundlichkeit und Ruhe bei der Annäherung, und der Einsatz von Superleckerchen (Leberwursttube z. B.) sind da sehr hilfreich, um so langsam ins Hirn des Hundes sickern zu lassen: "Ey - ich DARF ja zu dem anderen Hund - nur eben langsam, gemeinsam mit meinem Menschen!"
2. Beispiel: Impulskontrolle im Training mit Apportübungen
Nicht immer, aber immer mal wieder den Hund warten lassen, weil man ihm eine andere Variation anbietet. Man kann z. B. ZWEI Dummies auslegen, dann einen Standortwechsel vornehmen und den Hund von dort aus zu einem der Dummies schicken. So lernt der Hund dass sich Warten lohnt, weil dieses Warten ihm für die bevorstehende Aufgabe Informationen gibt, die er bei der Aufgabe verwenden kann. Das wird natürlich kleinschrittig aufgebaut, weil Überforderungen den Hund auch wieder kopflos machen. Die Aufgaben müssen dem Vermögen des Hundes angepasst sein, sie müssen für ihn lösbar bleiben.
Denken macht auch Hunden Spaß - und Denken führt dazu, dass die Hormone zumindest deutlich weniger die Regie beim Handeln übernehmen.
Ein quirliger Hund wird dadurch nicht (niemals!!!) zur Schlaftablette - aber eben zu einem denkenden, quirligen Hund!
So - jetzt habe ich einen ganzen Roman geschrieben, Danke wenn du es bis hierhin geschafft hast 
Ich fand diesen "Ruheaspekt" in deinem Fall allerdings erläuterungsbedürftig; zum Einen das, was mit Ruhe überhaupt gemeint ist, zum Anderen, dass diese Ruhe eben nicht mit einem einfachen Runterfahren des Programms zu bewirken ist.
Ich hoffe, diesen Unterschied zu erklären ist mir gelungen.
Nun habe ich natürlich "mein eigenes Bild" von deiner Hündin im Kopf, das muss jetzt nicht nahtlos auf deine Hündin passen.
Vielleicht kannst du aber einige Anregungen davon für euch mitnehmen 
Lieber Gruß
Moni