Die Frage ist bei so was immer, ob man da gerade versucht zu bekämpfen, was man selbst verursacht hat - also, ob das Bedürfnis so hoch ist WEIL man immer wieder für jagdliche Sequenzen im Spaziergang sorgt oder der Hund tatsächlich genetisch so gelagert ist ...
Diese Frage würde ich mir tatsächlich stellen, wenn diese Beurteilung von mir stammen würde. Tut sie aber nicht.
Alle Trainer, aber auch die Richterin bei der Feststellung der Wesensveranlagung haben mich darauf hingewiesen, dass dieser Hund jagdlich ausgelastet werden MUSS, weil er eine so hohe jagdliche Veranlagung hat. Ich bin dann gemeinsam mit meinem Hund da reingewachsen.
Natürlich gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die kennzeichnend für unser Zusammenleben sind, die sich auch nur deshalb entwickelt haben.
So hat Amigo z. B. für sich erkannt, dass er durch das Starten einer Scheinjagd mir manchmal einen Arbeitsauftrag (Apport) entlocken kann.
Das tendiert allerdings gen Null, wenn ich seinen Jagdbedarf ausreichend bediene.
Wann fängt bei euch denn Jagen an? Ist schnüffeln am Boden nach Wildgerüchen schon jagen, was ihr nicht zu lasst? Wenn ja, wie unterscheidet ihr das, wonach euer Hund gerade am Boden schnüffelt? Lasst ihr hinterhergucken von Wild zu? Ist ja auch schon eine Form von Jagdsequenz.
Ich kann tatsächlich an seiner Körpersprache/Spannung erkennen, ob das was er da gerade mit seiner Nase inspiziert jagdliche Motivation betrifft oder nicht.
Was sich tatsächlich im Laufe der Zeit ergeben hat: Bis zu einem bestimmten Level lösen jagdliche Reize nicht mehr zwingend ein Abspulen von Jagdverhalten aus.
Hat zu Beginn jegliches Knacken im Gebüsch dazu geführt, dass Amigo dort impulsiv hinhechtete, so reagiert Amigo mittlerweile gar nicht mehr auf dieses Geräusch.
Es passiert sehr häufig, dass ich sehe, Amigo hat da einen jagdlich interessanten Reiz entdeckt - und er befasst sich kurz damit und entscheidet dann von sich aus, diesem Reiz nicht nachzugehen.
Alles kleine Bausteine die mir dabei helfen, meinen Hund einzuschätzen, sein Verhalten für mich kalkulierbar zu machen - und mein Management entsprechend anzupassen.
Das Sahnehäubchen ist der "Superrückruf" - der kein Rückruf ist.
Sondern ein Jagdangebot an Amigo, welches so verlockend für ihn ist, dass er es nicht ausschlägt. Das ist konditioniert, und deshalb so gelungen, weil die Basis dafür die hohe, intrinsische Motivation von Amigo ist, die ich damit bediene.
Jeder Hund ist genetisch anders gestrickt und beamt sich daher mit anderen Jagdreizen weg - sofern er sich wegbeamen möchte.
"sich wegbeamen möchte" setzt einen freien Willen voraus.
Ob es den überhaupt beim Menschen gibt, darüber streiten sich schon seit Jahrtausenden deutlich fähigere Köpfe (Gerhard Roth z. B.) als du und ich ...
Also dann fasse ich zusammen, ihr unterbindet alles an Jagdsequenzen, was euren Hunde in "Jagdrausch" verfallen lässt, aber nicht grundsätzlich jegliche Ansätze von Jagdsequenzen?
Ja und nein ... was verstehst du unter "unterbinden"?
Ich unterbinde z. B. auch, indem ich einen Hund erst gar nicht etwas kennen lernen lasse.
Präventives Arbeiten halte ich immer noch für den besten Weg, um erwünschte Verhaltensweisen zu bewirken. Leider macht einem das Leben manchmal einen Strich durch diese Rechnung.
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Kleine Anekdote aus meinem persönlichen Erleben:
Vor einigen Monaten begegnete mir ein Paar mit ihrem ca. 7 Monate altem Beagle. Der Hund lief frei, im Umfeld waren Felder, und diese waren zu der Zeit mit Wildgänsen belegt.
Wir kamen kurz ins Gespräch:
Ich: "Haben Sie keine Angst, dass ihr Hund die Wildgänse jagt?"
Paar: "Nö, der jagt nicht."
Ich: "Hm - die Wildgänse sind aber zum Teil ganz schön nah am Wegrand..."
Paar: "Nö - der JAGT nicht!"
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Okay ... ich habe dann gesehen, dass das Paar mit seinem Hund um die Ecke bog, und auch, dass dort nach dem auf der Ecke befindlichen Gebüsch auf dem Feld ungefähr 10-15m neben dem Weg eine größere Schar an Wildgänsen war.
Ich habe es gewusst, ich schwöre euch, ich habe es gewusst - und ich kann euch nicht sagen, warum ich das gewusst habe, aber es ist genau das passiert, wovor ich das Paar zu warnen versucht habe: Ihr Hund rannte zu den Wildgänsen ... und diese flogen auf, der Beagle hinterher, die Wildgänse setzen sich ein ganzes Stück weiter wieder auf das Feld, bis der Beagle sie erreichte, flogen wieder auf, der Beagle weiter hinterher, wieder das gleiche Spiel ...
Jegliches Rufen war vergeblich, das Feld war geschätzt 400/500m lang ... und es war Glück, dass die Feldbegrenzung keine Straße, sondern die Gärten der dort befindlichen Häuser war... der Hund konnte erst wieder eingefangen werden, als die Wildgänse sich entschieden, nicht mehr auf DIESEM Feld zu verweilen.
Seitdem kann der Beagle nur noch an der Leine geführt werden, weil er bei jedem geflügeltem Tier ausflippt ...
Wäre das wirklich so ein Akt gewesen, den jungen Beagle mal eben kurz an die Leine zu nehmen und diese Stelle, wo der Anreiz der Wildgänse so hoch war, mal eben völlig unspektakulär und ohne Interesse zu passieren?
"Unterbinden" kann auch Abbrechen sein - ich breche ein Verhalten ab, indem ich ein anderes einleite. Das kann durch ein Verbot sein, dass kann aber auch ein anderes Verhalten sein, welches ich über Signal vorgebe.