Nur weil ich mir nicht klar mache, dass was ich tue jemanden verletzt, ist es trotzdem die Tat eines (Gewalt-) Täters.
Ach ja?
Folgendes Szenario:
Ein Paar sitzt im Außenbereich eines Lokals und wartet auf seine Bestellung.
Plötzlich hält ein Kleinbus vor dem Lokal, und es kommt eine kleine Gruppe von Menschen mit dem Trisomie 21 Syndrom mit ein paar Begleitern in das Lokal, und setzt sich an einen Nachbartisch bei dem Paar.
Das Paar fühlt sich dadurch gestört, verlangt den Wirt zu sprechen und erwartet, dass dieser die Gruppe entfernt.
Der Wirt verweigert dies, das Paar fühlt sich gezwungen diese Situation entweder auszuhalten, oder aber dem Zwang (der Machtausübung) des Wirtes zu weichen und geht, ohne auf die Bestellung zu warten.
Gemäß eurer Definition ist das, was die Gruppe oder der Wirt auf das Paar ausüben, GEWALT.
Und wenn man sich gedanklich innerhalb der Lerntheorie bewegt (muss man ja nicht), dann ist das einzige Kriterium, dafür was Belohnung und was Strafe ist, die Wirkung auf den Empfänger.
Bleiben wir doch mal bei den Lerntheorien, und wechseln vom Behaviorismus zum Kognitivismus - Lernen aus Einsicht.
Dazu ein Beispiel aus meinem (früheren) Berufsleben:
In einer meiner Tanzklassen gab es einen etwas verhaltensoriginellen Jungen (ca. 9 Jahre alt). Im Sitzkreis hat er es immer nach kurzer Zeit geschafft, für Unruhe zu sorgen.
Die ganzen Ermahnungen, die vorprogrammiert waren, hingen mir selber nach einiger Zeit zum Halse raus.
Dann kam mir eines Tages, nachdem er wieder mal als erheblicher Störfaktor glänzte, die Idee, ihn auf die an der Seite stehende Holzbank zu setzen.
Er ging betreten dort hin.
Als er da saß habe ich ihn gefragt, ob er wüsste warum ich ihn da hin setze.
Er meinte: "Ja, als Strafe, weil ich wieder gestört habe."
Ich habe ihm dann Folgendes erklärt - und auch genau so gemeint: "Ja, du sitzt da weil du mal wieder gestört hast. Es nervt einfach, und hält uns auf, wir verlieren dabei Zeit für die schönen Dinge, die wir eigentlich noch machen wollen.
Mich nervt aber auch, dass ich dich dann immer ermahnen/mit dir meckern muss. Ich will das nicht, ich mag gar nicht mit dir schimpfen. Du sitzt jetzt da auf der Bank, weil du dort niemanden stören KANNST - und ich brauche nicht mehr meckern. Du sitzt also dort, weil ich dich schützen will - davor, dass du andere störst, und davor, dass ich dann mit dir meckern muss. Verstehst du das? Deshalb kommst du auch einfach wenn wir gleich mit Tanzen weiter machen, wieder zu uns und machst mit. Du musst mich nicht um Erlaubnis fragen, du bist nicht ausgeschlossen."
Er HAT es verstanden.
Meine Intention war wichtig - und es war wichtig, dass er diese Intention versteht.
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Erwähnenswert: 2 oder 3 Wochen später ist er VON SICH AUS nach kurzer Zeit aus dem Sitzkreis aufgestanden und zur Bank gegangen. Ich habe ihn lächelnd gefragt, was er da macht, und seine Antwort war: "Ich kann mich da besser konzentrieren, und dann störe ich auch keinen."