Danke erst mal für die ausführliche Antwort.
Bei deinem Zitat kam das bei mir anders an.
Ich meine zu verstehen, wo der Knackpunkt bei diesem ganzen Austausch liegt:
Das ist aber etwas Anderes, als so weit reichende Empathie, dass diese den Hund befähigen würde, abstrakte menschliche Sozial- und Moralkonzepte zu übernehmen wie z. B. den „instinktiven Schutz eines schwächeren Nichtverwandten um seiner Schwäche willen“. Was ja noch nicht mal ein allgemeingültiges menschliches Konzept ist (nehmen wir konsequente Anhänger von Levinas mal aus).
Das menschliche Abstraktionsvermögen ist sicherlich nicht mit dem Denkvermögen unserer Hunde gleich zu setzen.
Die Moral, wie wir sie als Menschen heute definieren, ist aber nicht aus dem Nichts entstanden, sondern hat sich im Laufe der menschlichen Evolution entwickelt.
Moral war dabei lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, es hat ja auch lange gedauert (und ist bei vielen Menschen noch nicht wirklich angekommen), dass Tieren überhaupt Gefühle zugestanden wurden, Einfühlungsvermögen (Empathie) Tieren zuzugestehen fällt da noch schwerer - wie unmöglich ist da die Annahme, Tiere könnten moralisch handeln?
Es wird ja immer mit dem menschlich-abstrakten Moralverständnis verglichen, darin besteht eben auch die Gefahr, die du siehst: Hunden werden Maßstäbe übergestülpt, die eigentlich der menschlichen Befähigung entsprechen, und damit wird eine Erwartungshaltung auf den Hund übertragen, die ihm gegenüber ungerecht ist, und die er auch nicht erfüllen kann.
Wie z. B. dein oben im Zitat aufgeführtes Beispiel des "instinktiven Schutzes eines schwächeren Nichtverwandten um seiner Schwäche willen".
Das wäre auch ein Beispiel für falsche, weil völlig überzogene Vermenschlichung von Hunden.
Nach allen heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben Hunde Gefühle, Empathie und auch die Fähigkeit für moralisches Handeln.
In ihrem Sozialverhalten sind sie dem Menschen näher als ihrem Vorfahren, dem Wolf (Feddersen-Petersen).
Das liegt alleine daran:
Zitat
„Aufgrund der engen Verbindung zwischen Hund und Mensch haben sich die beiden Spezies miteinander entwickelt – und das hat mit der Zeit dazu geführt, dass sie die Gefühlsregungen des anderen lesen können. Das ist außergewöhnlich für zwei Spezies“, sagt Julia Meyers-Manor.
Ein Zitat aus dem von dir verlinkten Text - und der Schlüssel liegt in diesem "miteinander entwickelt".
Genau diese Entwicklung, auf der Basis des hoch entwickelten Sozialverhaltens von Hunden und der hohen Anbindung an den Menschen, macht es möglich, Hunden unsere eigenen Maßstäbe für Verhalten nahe zu bringen - nahe zu bringen heißt nicht 1:1 übertragen, aber es heißt, es für den Hund begreiflicher, nachvollziehbarer zu machen, und das beeinflusst sein eigenes Verhalten.
Das gelingt aber nur durch Lernen/entsprechende Lernerfahrungen.