Jeder kennt sie, nicht jeder liebt die, die Tutnixhunde, die jeden Hund begrüßen möchten.
Jeder kennt auch die anderen, auch sie liebt nicht jeder, die Leinenpöbler.
Zum Grübeln gebracht hat mich, dass einige Trainer sagten, es sei durchaus nicht unnormal, wenn ein Hund in der Pubertät laut bellt, um den Fremdhund zu signalisieren "geh weg!". Das dies nicht gewünscht ist und trainiert werden muss, ist absolut klar.
Da würde ich doch denken, dass es wesentlich subtilere Methoden gibt, um zu signalisieren "Geh weg" oder "Komm nicht her". Da muss ein Hund ja nicht laut werden. Mein Hund bellt wirklich nie an der Leine, was ich sehr angenehm finde. Er signalisiert aber dennoch schon ziemlich früh, was er signalisieren will, also entweder "Weißt schon, wer hier der Babo ist, gell" über "ich bin der Tollste" bis "Hau ab und komm nie wieder!". Alles über Körperspannung, Gangbild, Blicke, Ohren, Rute... Körpersprache eben.
Es kommt aber denk ich auch auf die Rasse an. Collieartige oder Spitze sind wohl wesentlich "gesprächiger", und letztlich kommt es auch auf die Motivation des Leinenpöblers an. Ist es Aufregung, Übersprung, Frust oder echte Aggression?
Meine Schäferhündin damals hat zum Leinenpöbeln geneigt, die musste dann eng im Gehorsam geführt werden, um ein Bellen zu verhindern. Die hätte aber auch gern aus jedem Fremdhund ihr Abendessen zubereitet.
Zudem kommt noch dazu, dass Hunde, die an der Leine pöbeln, manchmal ohne Leine total anders sind, ohne die direkte Verbindung zu ihrem Menschen über die gespannte Leine. Da können die dann plötzlich kleine Brötchen backen und sind freundlich deeskalierend unterwegs.
Ich finde es schwer, hier selbst etwas abzuleiten. Von meinem Ansatz her, würde ich tatsächlich zweite Sorte als "normal" betiteln. Begründung: Wenn zwei Wolfsrudel aufeinander treffen, rufen die sicher auch nicht "hey Leute, schön euch zu sehen, lasst uns eine Pyjamaparty schmeißen!!!". Nun sind Wölfe und Hunde aber durch Selektion schon in einigen Bereichen etwas von einander entfernt.
Was Wölfe angeht, habe ich für mich mitgenommen aus dem, was ich gelesen habe, dass es im Grunde sehr oft um Deeskalation geht, aber natürlich auch um Ressourcen und Erhalt des Rudels. Heißt, ein einzelner Wolf würde einem intakten Rudel im Normalfall immer aus dem Weg gegen, außer er ist kühn genug, das fremde Rudel zu übernehmen.
Und was ich noch mitgenommen habe, ist, je leiser, umso gefährlicher. Wirklich töten, das wird ein Wolf oder ein Hund nicht mit Pauken und Trompeten ankündigen. Deshalb halte ich von böse bellenden Hunden natürlich trotzdem Abstand. Aber betrete ich ein Grundstück und sehe einen Aussie da zur Statue erstarrt mich fixierend stehen, dann geh ich da rückwärts wieder raus. Denn diese Warnung empfinde ich als wesentlich deutlicher und ernster gemeint als Gekläffe.
Aber ist dieses Verhalten aus Hundesicht wirklich "normal"?
Du meinst jetzt das Leinenpöbeln? Naja, aus Hundesicht ist es auch nicht normal, am Schnürchen um den Hals herumgeführt zu werden. Das eine hat aber irgendwo mit dem anderen zu tun.
Je nachdem. Wenn der Hund daraus Befriedigung zieht und einen Gewinn aus seiner Sicht, zudem der Mensch ihm nicht was anderes beibringt... woher soll er denn wissen, dass das doof ist?
Ich empfinde Leinenpöbler erstmal als Nervensägen. Ich weiss, dass bei manchen Hunden da mehr dahinter steckt und es trotz viel Training und Engagement nicht komplett weggeht.
Die meisten Hunde hier sind aber eher Typ unerzogener Begleithund, der sich komplett ausleben darf. Da empfinde ich das Gebelle als relativ normal, weil der Hund die Alternative nicht kennt, nämlich leise vorbeigehen und Leckerli und Lob einsacken. Und oft wird der Hund auch viel zu eng und mit zu wenig Abstand an Stressoren vorbeigeführt. Das fördert natürlich Aufregung, Stress und damit Bellen.