Vorab, es wird sehr lang. Und was ich mit dem Thread erreichen will, weiß ich selbst nicht so genau. Vielleicht Erfahrungswerte, falls ihr mal in einer ähnlichen Situation wart.
Aron lebt jetzt seit knapp 1,5 Jahren bei mir. Auf Sizilien geboren, dann über eine Pflegestelle in Deutschland bei mir gelandet. Von dem Tierschutzverein als 1 Jähriger vermittelt, von Tierärztin und Trainerin zum damaligen Zeitpunkt eher auf 3-4 geschätzt. Sagen wir also, er ist jetzt um die 5 Jahre alt. Mit einer Palette an Mittelmeerkrankheiten im Gepäck, die wir so gut es geht behandelt haben und die seit einigen Monaten auch keine Probleme mehr machen.
Gestern habe ich mal wieder mit dem Gedanken gespielt, ob Aron woanders nicht besser aufgehoben wäre. Bei jemandem, der mehr Geduld mitbringt, vielleicht kompetenter in Sachen Erziehung ist, dem Arons Macken weniger ausmachen oder der so wohnt, dass die gar nicht so zum Tragen kommen.
Ich weiß, dass Aron an alldem NIX kann. Der hat sich nicht ausgesucht, bei mir zu landen. Das ich furchtbar naiv war und bei seinem Aussehen alle Alarmglocken hätten schrillen müssen, welches den Jagdhund schon sehr deutlich hervorhebt.
Wobei ich wahrscheinlich trotzdem davon ausgegangen wäre, dass man auch jagdlich sehr motivierte Hunde so trainieren könnte, dass ihnen die Zusammenarbeit mit ihrem Menschen wichtiger ist oder sie sich zumindest konsequent abrufen lassen. Geht vielleicht auch, wenn man damit etwas Erfahrung hat.
Mich nervt gerade fast alles, was die Hundehaltung eigentlich ausmacht. Morgens Aufstehen, um im dunklen Wald mit einem Hund rumzuschlappen, der die ganze Zeit die Nase am Boden hat und von links nach rechts hechtet, um sich den nächsten Jagdkick zu holen. Der Stress, der ja schon grundsätzlich an der Haustür anfängt. Wenn ich Glück habe, scannt Aron beim Rausgehen 'nur' aufmerksam, ob der Bernersennenrüde (=Erzfeind) vom einen Ende der Straße in Sicht ist. Wenn ich Pech habe, ist der Berner kurz vor uns da lang gelaufen (oder auch einfach ein anderer Hund) und Aron ist direkt auf 180 und quasi nicht mehr ansprechbar. Und natürlich weiß ich, dass es überhaupt nix bringt, dass ich dann auch wütend werde. Aber ich komm da nicht raus. Ich habe schon so oft völlig die Beherrschung verloren und Aron in den Boden gebrüllt. Dieses permanente Scannen, ob jemand in 'seinem' Revier ist, nervt mich so unglaublich. Wenn ich halbwegs entspannt spazieren will (entspannt heißt in dem Fall aber auch nur den Stress am Anfang möglichst gering zu halten), klettere ich einen steilen Trampelpfad gegenüber unserem Haus direkt in den Wald hoch, damit ich weder am Bernersennen am einen Ende der Straße, noch an draußen lebenden Riesenschnauzern am anderen Ende der Straße vorbei muss. Die Schnauzer wohnen so, dass man ein ganzes Stück gerade auf deren Grundstück zulaufen muss und Aron sich richtig schön reinfixieren kann. Ich bekomme es aber auch absolut nicht hin, das zu unterbinden. Wenn die Schnauzer dann ihrerseits schon Rabatz machen, ist das einfach nur ätzend. Ja, ich kann ihn da vorbeimanagen, 20kg lassen sich ja problemlos halten, aber trotzdem fängt der Spaziergang, egal in welche Richtung, einfach schon mega anstrengend an und ich bin quasi vom Start weg genervt. Trainertipp war, den Spaziergang erst zu starten, wenn er sich vor der Tür wieder komplett entspannt, aber das Glotzen selbst scheint so befriedigend zu sein, dass wir auch 2 Stunden draußen stehen könnten. Ich sag aber auch ganz ehrlich, dass ich das einfach nicht jeden Tag und auch nicht bei jedem Spaziergang konsequent leisten kann, auch ich kann selbst im Homeoffice nicht ewig draußen rumstehen und nachmittags gehört meine Zeit überwiegend meinem Sohn, dem gegenüber es dann auch unfair ist, wenn unsere begrenzte Zeit dann ständig dem Hund gewidmet wird.
Woanders hinfahren krieg ich unter der Woche nicht hin und zum anderen steigert er sich dann stattdessen dort eben einfach in die neuen Gerüche rein.
Im Wald selbst will er einfach nur der nächsten Spur nach. Oder scannt eben in den Wald rein. Wenn er 2m Leine hat, läuft er irgendwann an einer gespannten 2m Leine (er lässt sich dann schon erinnern, dass er den Zug lassen soll, aber kurz darauf ist er wieder wie im Tunnel. So geht das die ganze Zeit), wenn er an der 15m Schlepp hängt, läuft er eben irgendwann an der gespannten Schlepp (mit Schleppleine hat das bei uns eh nix zu tun, ich könnte die niemals nicht aus der Hand geben und wirklich schleppen lassen). Wenn wir das Pech haben und tatsächlich Rehen, Katzen oder Waschbären über den Weg laufen, hängt er brüllend in der Leine.
Wochenlang bin ich ausschließlich an kurzer Leine mit ihm durch den Wald, um erstmal die Aufmerksamkeit mir gegenüber zu stärken. Jeder noch so kleinen Blick positiv bestätigt. Aber Leckerlis nimmt Aron gerne nach SEINEN Regeln. Wenn er gerade Bock hat, klebt er quasi an mir, um das nächste Leckerli abzustauben, wenn er ne interessante Spur hat oder ihn sonst ein Reiz triggert, ist es ihm völlig egal, wer da hinten an der Leine hängt. Er reagiert zwar mittlerweile mehr auf Ansprache, aber von sich aus könnte er in der Regel eine Stunde vorneweg laufen, ohne mich mal eines Blickes zu würdigen. So hab ich mir Spaziergänge mit Hund einfach nicht vorgestellt.
Die Spaziergänge sind damit in geschätzt 7 von 10 Fällen einfach nur ne Pflichtveranstaltung und nichts, was ich wirklich genieße. Denn aufmerksam muss ich ja trotzdem immer 100% sein, weil er bei Hundebegegnungen ja auch noch schwierig ist. Manchmal kann ich ihn mit Abstand super zu mir umorientieren und belohne ihn dafür auch ausgiebig, bei der nächsten flippt er (trotz Abstand) dann wieder völlig aus. Egal ob Hündin oder Rüde, groß oder klein. Der Chip, den er testhalber seit Ende November hat, hat daran absolut nichts geändert.
Ich beneide so sehr jeden Hundehalter, der entspannt mit seinem Hund durch die Gegend laufen kann, der Hund mal hier, mal da schnüffelt und man die gemeinsame Zeit offensichtlich genießt, während wir keinen Spaziergang sondern einen Spazierkampf veranstalten. Gemeinsam mit jemandem Gassi gehen ist nur anstrengend, denn in dem Moment, wo meine Aufmerksamkeit nicht 100% beim Hund ist, lässt er mich das sofort spüren und hängt in der Leine.
Zuhause ist er größtenteils entspannt und liegt unauffällig irgendwo rum und pennt und stellt quasi keinerlei Ansprüche an mich. Die Nachbarshunde werden natürlich auch nach wie vor von drinnen angekläfft, wobei er sich da wenigstens mittlerweile abbrechen lässt. Bis die Klingel geht, dann flippt er aus. Ich habe versucht das Klingeln klassisch zu konditionieren, also Klingel ->ruhig bleiben -> Leckerli. Der Hund ist aber nicht dumm. In dem Moment, wo er sieht, dass nicht ich draußen stehe, rastet er völlig aus. Spiele ich die aufgenommene Klingel über eine Bluetoothbox ab merkt er das sofort und reagiert nicht. Der Ton der Klingel lässt sich leider nicht verändern, um das umzutrainieren. Bei normalem Besuch meldet er 'nur', bei Paketboten wird es immer schlimmer. Mittlerweile springt er bei denen wie ein Irrer kläffend an der Haustür hoch. Er lässt sich zwar dann von mir auf die Decke schicken (wobei ich das schon nachdrücklich durchsetzen muss) und bleibt da auch (kläffend) sitzen, aber dass er überhaupt so einen Terz veranstaltet, richtig, n-e-r-v-t mich. Gestern ist mir deswegen mal wieder die Hutschnur geplatzt und ich habe ihn fast durch den Flur auf die Decke geschmissen und ihm verbal die Decke auf den Kopf fallen lassen. Er hat vor Schreck unter sich gepieselt, was mir dann mega Leid tat. Hat sich deshalb bei ihm eingeprägt, dass dieses Verhalten nicht gewünscht ist? Ich bezweifle es. Nicht falsch verstehen, es ist absolut nicht mein Wunsch, ihn unfair und mit Härte zu erziehen. Aber da ihm Leckerlis einfach auch egal sind (bzw. nicht nachhaltig das erwünschte Verhalten fördern), verzweifel ich einfach immer öfter und werde immer schneller laut.
Er beschwichtigt dann schnell extrem, nervt mich damit total und wir befinden uns in so einer richtigen Abwärtsspirale.