Beiträge von *Sascha*

    Um was es dir geht ist mir auch immer noch nicht klar.

    Ich kann gerne nochmal versuchen, es dir zu erklären.

    Meine erste Annahme ist die, dass Tiere grundsätzlich dazu in der Lage sind, ein eigenständiges Verhalten zu zeigen. Die sogenannte Tiergefahr. Diese ist niemals zu 100% von einem Menschen zu kontrollieren.

    Meine zweite Annahme ist, dass die Strafbarkeit einer Handlung eine Schuld des Angeklagten voraussetzt, also die individuelle Vorwerfbarkeit einer Tat. Allein die Tatsache, dass jemand ein Tier hält, reicht für diesen Vorwurf nicht aus.

    Aus diesen beiden Annahmen ergibt sich ein Bereich, in dem sich eine tiertypische Gefahr verwirklichen kann, ohne dass der Halter diese hätte vorhersehen oder vorher unbedingt mit geeigneten Mitteln entgegnen hätte müssen. Dieser Bereich muss individuell vom Gericht festgelegt werden.

    Wenn ein Gericht nun zu dem Schluss kommt, dass allein die Feststellung, dass der Halter zum Tatzeitpunkt nicht über eine ausreichende Kontrolle verfügte, ausreicht, um eine Schuld des Halters zu beweisen, dann schrumpft dieser Bereich zwischen Kontrolle und Tiergefahr quasi auf Null, denn jede Verwirklichung einer Tiergefahr hätte durch andere Mittel im Vorwege verhindert werden können. Es obliegt daher dem Gericht festzustellen, welche Sicherungsmaßnahmen im Vorwege angemessen und im Verkehr erforderlich gewesen wären.

    In diesem Fall kommt das Gericht zu dem Schluss, dass allein die Tatsache, dass die Hundehalterin drei Hunde mit einem Gesamtgewicht von 72kg gleichzeitig ausführte, eine GROBE Fahrlässigkeit begründete. Diese Entscheidung ist rasseunabhängig, unabhängig vom Erziehungsstand der Hunde und unabhängig von irgendwelchen Vorauffälligkeiten getroffen worden.
    Dazu kommt, dass diese Entscheidung eben dadurch begründet wurde, dass es ausreichte, dass die Hundehalterin einmalig an diesem Tag die Kontrolle verlor, was dann zu dem tragischen Vorfall führte. Für die Frage, ob eine Handlung grob fahrlässig oder fahrlässig war, spielt die Schwere des Vorfalls jedoch keine Rolle, diese beeinflusst lediglich das Strafmaß. Natürlich sind die Folgen des Kontrollverlustes in diesem Fall in besonderem Maße tragisch! Das ändert jedoch nichts an den Bewertungsmaßstäben für eine Fahrlässigkeit.
    Wenn es ausreicht, dass sich eine Fahrlässigkeit dadurch zeigt, dass sich eine Tiergefahr erstmals verwirklichen konnte, dann kann ich dies auf jeden Fall von verwirklichter Tiergefahr anwenden, denn es gibt immer eine Möglichkeit im Vorwege noch besser zu sichern. Das würde allerdings in der Konsequenz bedeuten, dass Tiere eigentlich nicht mehr zu halten sind, da sich ein Tierhalter nicht darauf verlassen kann, dass er keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten hat, wenn er seine Tiere sachkundig und unter allgemein üblichen und anerkannten Sicherungsmaßnahmen hält und erzieht. Und bitte hier Strafrecht nicht mit Zivilrecht (Haftung) verwechseln). Das sind zwei paar Schuhe.

    Ich möchte eigentlich nicht wieder Parallalen zum Straßenverkehr ziehen. Aber wenn ein Autofahrer durch Missachtung der Vorfahrt einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht, dann wird er wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Auch wenn er vorher noch nie im Straßenverkehr auffällig war, noce vorher einen Unfall verursacht haT.

    Wenn du es unbedingt mit dem Straßenverkehr vergleichen möchtest. Der Vergleich hinkt für mich, da Tiere grundsätzlich unberechenbar sind und Autos nur defekt sein können.

    Wenn bei dem Auto ein technischer Defekt vorlag und es deswegen auf die Kreuzung rollte, so liegt in der Regel keine Fahrlässigkeit vor. Bei einem Tier ist immer damit zu rechnen, dass es sich tiertypisch unberechenbar verhalten könnte. Die Frage ist, mache ich den Tierhalter strafrechtlich! dann tatsächlich für jedes unvorhergesehene Verhalten seines Tieres verantwortlich. Denn wenn dem so ist, dann darfst du eigentlich keinen Hund mehr frei laufen lassen, denn kein Hund steht immer 100% unter der Kontrolle seines Halters.

    Woher weißt Du, daß es keine Relevanz bei der Beurteilung der Situation hatte?

    Und Du wärst jetzt für keine Verurteilung gewesen?

    Um es genau zu wissen, wird man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten müssen. Da es aber keine weiteren Zeugenbefragungen etc. gab und die Verhandlung nach 30min vorbei war und auch die von der Presse wiedergegebenen Äußerungen von Richter und Staatsanwaltschaft sich nur auf die 3 gleichzeitig geführten und 72kg schweren Hunde bezogen, ist das zunächst mal so anzunehmen.

    Ob ich für eine Verurteilung gewesen wäre, kommt darauf an, was eine Ermittlung ergeben hätte.
    Hätte ein durchschnittlich sachkundiger Hundehalter sofort erkannt, was das für eine dumme Idee ist, diese drei Hunde allein und gleichzeitig zu führen? Das wäre für mich grob fahrlässig. Hätte ein durchschnittlich sachkundiger Hundehalter erkannt, dass das vllt keine so gute Idee sein könnte, dann wäre es fahrlässig.
    Wenn die Hunde bisher immer unauffällig waren und die Halterin ihre Hunde auch zusammen immer sicher führen konnte, dann neige ich nicht dazu, eine grobe Fahrlässigkeit zu erkennen. Eine einfache schon eher, denn grundsätzlich muss man sich natürlich der Kraft und dem Potenzial seiner Hunde bewusst sein. Und das würde ich glatt pauschal einmal auf die Rasse beziehen.

    Hundehalter: “Hund hat nicht gebissen/ kam nicht ran. Alles tutti.”

    Außenstehender: “Hund hat alle Anzeichen gezeigt, war kurz vor dem Auslösen / das war knapp!”

    Mich stört einfach der Fakt, dass die Frage, ob die Hunde vorher schon Auffälligkeiten zeigten, keine Relevanz für die Beurteilung der Situation hatte.
    Es reichte für die Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit völlig aus, dass die Halterin die drei Hunden im entscheidenden Moment nicht unter ihrer Kontrolle hatte. Es spielte ja gar keine Rolle, ob mit diesem Angriff zu rechnen gewesen war, egal ob nun wegen der Rasse, vorheriger Auffälligkeiten oder anderem. Das heißt, egal wie lieb und gut hörend Hunde sind, passiert etwas, dann droht dem Halter eine strafrechtliche Verurteilung, auch wenn der Vorfall im Vorwege noch so abwegig schien.

    Und für die Angehörigen muss es ebenfalls furchtbar sein. Nicht umsonst gibt es trauernden Angehörigen etwas inneren Frieden, wenn ihnen zb von Ärzten gesagt wird, jemand wäre schnell und friedlich gegangen.

    Die besondere Grausamkeit der Tötung durch die Hunde wurde ja auch vom Richter betont und schlug sich dementsprechend in der Höhe des Schmerzensgeldes wieder.

    Beim Schmerzensgeld geht es übrigens nicht darum irgendwie den Tod aufzuwiegen, sondern das wird für die erlittenen Schmerzen der Angehörigen gezahlt, die natürlich umso höher zu bewerten sind, umso grausamer der Tod war.

    Das Gericht bestraft den Halter, nicht das Tier. Es stellt sich allein die Frage, welchen Anteil der Halter am entstandenen Schaden hat und welchem Vorwurf ihm zu machen ist.

    Ich finde das Gerichtsurteil angemessen, darum gehts mit nicht.

    Ich kann es nur nicht fassen, dass hier geschrieben wird, dass es jedem mal passieren kann, dass man seinen Hund nicht mehr kontrollieren kann (das verstehe ich) und dass es doch dann auch passieren kann, dass der Hund einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht, wäre ja doch das selbe "Ergebnis - toter Mensch."

    Und du bist der Meinung, dass die Halterin aus Naarn grob fahrlässig Sicherungsmaßnahmen unterließ, weil sie hätte damit rechnen müssen, dass ihre Hunde so austicken würden?
    Was hätte sie denn konkret anders machen sollen als jemand anderes, der ebenfalls mit drei Hunden unterwegs ist. Wie gesagt, wir gehen hier erstmal davon aus, dass die Hunde nie auffällig waren, weil dies eben auch nicht Gegenstand der Verurteilung war.
    Dass Hunde ein derartig übersteigertes Beutefangverhalten zeigen, ist höchst selten (und auch bei dieser Rasse höchst selten). Mein Rechtsempfinden sagt mir, man hätte der Halterin zumindest nachweisen müssen, dass sie irgendwie damit hätte rechnen müssen, dass sowas mit ihren Hunden passieren könnte. Dass es nun heißt, sowas kann grundsätzlich und jederzeit mit jedem Hund passieren und deswegen müssen Hunde entsprechend immer absolut 100% sicher geführt werden, das gefällt mir nicht, denn das bedeutet eigentlich, dass jeder Hundehalter immer mit einem Bein vor der Verurteilung steht.

    Der Unterschied zum Autounfall ist für mich, dass diese 3 Hunde, obwohl angeleint geführt und 2 davon mit Maulkorb, zielgerichtet auf einen Menschen losgegangen sind, um diesen zu töten, und da wurde auch nicht abgelassen, egal, was die Halterin probiert hat. Blutrausch. So stellt sich mir das da.

    Das macht einen Unterschied bzgl. der Gefährlichkeit des Hundes, aber nicht bzgl. der Schuld des Halters. Im Strafprozess geht es allein um die Schuld des Halters.
    Wenn z.B. ein Hundehalter seinen Hund trotz des Wissens, dass dieser Hund jagt und vermutlich auf die Straße geraten könnte, ableint, Dann sprechen wir hier z.B. sogar schon von bedingtem Vorsatz. Der Halter weiß, dass sein Hund einen Unfall verursachen könnte, aber er nimmt es billigend in Kauf.

    also geht ihr davon aus, dass das drei süße, liebe, gut sozialisierte Hunde waren, die noch nie auch nur irgendeinen Anschein gemacht haben, dass sie aggressiv reagieren könnten?

    Nicht unbedingt. Aber vor Gericht stellt sich die Frage nach der Beweisbarkeit. Soweit es bekannt ist, gab es keine amtlich bekannten Vorkommnisse, weder mit den Hunden noch mit der Halterin. Mindestens zwei der Hunde hatten eine Zuchtzulassung und der Rüde sogar einen Wesenstest. Die Hundehalterin ist mit den Hunden in die Hundeschule gegangen und auch dort nicht negativ aufgefallen. Alle Indizien sprechen zunächst einmal dafür, dass die Halterin verantwortungsvoll mit ihren Hunden umging und die Hunde vorher keine nennenswerten Auffälligkeiten zeigten. Alles andere wäre halt erstmal zu beweisen gewesen. Dies spielte im Prozess aber scheinbar keine Rolle, da alleine die Tatsache, dass es zu diesem Vorfall kommen konnte eine grobe Fahrlässigkeit begründete und damit wird unter dem Strich durch dieses Urteil deutlich. Wer alleine mit drei Hunden unterwegs ist, der handelt grob fahrlässig, wenn es zu einer Situation kommt, in der er seine Hunde nicht kontrollieren kann. Und das Urteil wirft zumindest auch die Frage auf, ob dies gleichfalls auch gilt, wenn man nur einen Hund führt, den man in einer Situation nicht kontrollieren kann.
    Und da Tiere grundsätzlich unberechenbar sind, was der Gesetzgeber ja auch anerkennt, dann erschreckt mich das etwas.

    Würde das von mir beschriebene Szenario mit der Rehhetze eintreten, würde mir vielleicht sogar grobe Fahrlässigkeit bescheinigt, denn mir war immerhin bekannt, dass mein Hund schon Rehe gehetzt hat und dann nicht mehr kontrollierbar war.

    Da würde ich die grobe Fahrlässigkeit auch sofort unterschreiben, es sei denn, du bringst etwas vor, dass die Vermutung nahelegt, dass dein Hund aufgrund bestimmter Ereignisse/Training nun keine Rehe mehr jagt.

    Aber ich würde auf keinen Fall sagen, dass jemand, der seinen Hund von der Leine lässt, grob fahrlässig handelt, wenn der Hund bisher keinen Anlass dazu gegeben hat, zu denken, dass er aufgrund einer Rehsichtung nicht mehr auf den Rückruf hören würde. Allein die Tatsache, dass der Hund in diesem Moment dann einem Reh erstmals folgt, würde für mich keine grobe Fahrlässigkeit begründen, nur weil Hunde grundsätzlich sogar dazu neigen (nicht nur dazu fähig sind) zu jagen. Noch weniger, wenn der Hund angeleint wäre und seinen Halter beim Durchstarten umreißt.

    aber man kann doch nicht ernsthaft gleichstellen wollen, ob ein Tier einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht oder ob das Tier einen Menschen tot beißt?

    Das Gericht bestraft den Halter, nicht das Tier. Es stellt sich allein die Frage, welchen Anteil der Halter am entstandenen Schaden hat und welchem Vorwurf ihm zu machen ist.