Hattet ihr mal eine ähnliche Situation mit einem Hund und wie habt ihr sie aufgelöst?
Ich habe eine mittlerweile 8jährige Bracken-Terrier-Mix-Hündin, die 5jährig aus dem Tierschutz zu mir kam. Absolut hyperaktiv, null Frustrationstoleranz, null Impulskontrolle und mit Hang zu Zwangshandlungen (Steine kauen, Tennisball kauen, Sachen zerreißen). Sie war schnell auf 180 und entsprechend nur sehr bedingt verträglich mit fremden Menschen und Hunden. Einfach alles hat sie überfordert. Dazu kommt Jagdtrieb ohne Ende, so dass sie draußen kaum ansprechbar war - im Wald hat sie das viele Wild verrückt gemacht und im Ort die vielen Leute und Hunde; überall war alles zu viel.
Ich hatte wirklich schlimme Phasen, in denen ich mir nicht sicher war, ob sie bei mir in den richtigen Händen ist. Sie ist mein erster eigener Hund und ich hatte mir das, obwohl ich sie schon aus dem Tierheim kannte, irgendwie anders vorgestellt.
Was uns wirklich sehr geholfen hat, war die Arbeit auf dem Hundeplatz. Das mag jetzt bei so einem Hund kontraproduktiv klingen, aber ihr hat die Struktur dort extrem geholfen - immer das gleiche Umfeld, immer die gleichen oder ähnlichen Hunde und Leute drumehrum. Nur dort habe ich es geschafft, mit ihr wirklich gemeinsam zu arbeiten. Und ich hatte tolle Trainer, die uns alle Zeit der Welt gegeben haben - denn wir brauchten für alles VIEL mehr Zeit als ein "normales" Mensch-Hund-Team. Dort hat Candy gelernt, dass man überhaupt mit einem Menschen kooperieren kann (kannte sie vorher nicht wirklich), sie hatte unglaublich viel Spaß daran, sich Dinge zu erarbeiten, lernte sehr schnell und war mit großer Motivation dabei. Langsam aber sicher sind wir zu einem Team zusammen gewachsen, und das hat sich langsam und stetig in den Alltag übertragen. Sie wurde auch "draußen" ansprechbarer und empfänglicher für mich. Dann konnte ich auch im Alltag viel besser mit ihr trainieren.
Mittlerweile ist sie seit gut 3 Jahren bei mir und hat sich zu einem halbwegs souveränen Hund entwickelt. Ich nehme sie problemlos mit in den Urlaub, sie geht mit mir (auch in größeren Gruppen) wandern, mit ins Restaurant oder Café usw. Ich muss noch immer managen, sie kann einfach nicht alles, was ein "normaler" Hund kann. Sie braucht mehr Ruhepausen. Ich muss ihre aufkonditionierte Decke überall mit hinschleppen, weil sie ohne die nur sehr schwer zur Ruhe kommt (im Café z.B.). Ich kann sie nur bedingt frei laufen lassen; in bekannten Gebieten läuft sie völlig entspannt ohne Leine in meinem engen Umkreis, in unbekannten Gebieten ist sie überwiegend an der Schleppleine. Daran wird sich wahrscheinlich auch nicht mehr viel ändern. Manchmal pöbelt sie immer noch fremde Hunde an. Manchmal nimmt sie bei großer (auch positiver) Aufregung noch einen Stein ins Maul. Während sie früher aber komplett zu machte, können wir den Stein jetzt gegen ein Lecker tauschen, legen den Stein dann an die Seite und gehen zusammen weiter.
Ich nehme sie so, wie sie ist. Und ich nehme mich, wie ich bin - was mir noch viel schwerer fiel. Ich bin Perfektionist durch und durch, und ich kenne aus meinem Umfeld fast nur völlig unkomplizierte, hervorragend sozialisierte und unauffällige Hunde. Aber ich habe mir irgendwann mal die Frage gestellt, ob ich diesen Hund jemals wirklich abgeben könnte. Ich habe mir wirklich vorgestellt, sie an andere Leute zu übergeben und sie nicht mehr bei mir zu haben. Das war so dermaßen unvorstellbar, dass ich dann beschlossen habe, dass das eben keine Option ist. Ich bin nun schon ihr viertes Zuhause, und ich habe ihr versprochen, dass es ihr letztes ist.
Ich musste lernen, mir nicht von jedem reinreden zu lassen, Belehrungen und vor allem Vorwürfe an mir abprallen zu lassen. Vielleicht hätte sie jemand anders besser erzogen. Aber sie ist nunmal bei mir und das ist verdammt gut so.