Zum schlechten Aufbau = Katastrophe: die einzige Situation, die ICH erlebt habe und wo Aufbau und Ritualisierung schiefging, das war fast genau vor 40 Jahren. Ich war Teenager und hatte in einem typischen Gebrauchshundverein der DDR angefangen. Da wurden die Hunde noch über existenzielle Bedrohung "scharfgemacht". Sie lernten, über Aggression sich aus einer für sie ausweglosen, schmerzhaften Situation befreien zu können. Viele dieser Hunde landeten über kurz oder lang als Trassenhunde an der innerdeutschen Grenze, weil ihre Haltung zu gefährlich wurde. Meine Hündin war gar nicht mal stark betroffen, als Boxerin führte sie eh nur eine geduldete Existenz dort. Und mir fehlte die "Härte", meinen Hund drangsalieren zu lassen. Trotzdem, als wir auf der Kleinstadtstrasse unvermittelt dem "Scheintäter" begegneten, wollte sie ihm in Sekundenschnelle an die Kehle. Ist nix passiert, war aber Anlass, den Verein abzuschreiben.
Einige Jahre später fing ich mit der Nachfolgerin wieder mit dem Sport an, weil sie wirklich arbeitseifrig war und gefördert werden wollte. Im neuen Verein war der Aufbau ein ganz anderer, wie hier schon oft beschrieben, und keiner meiner folgenden Hunde war im Umgang mit Menschen anders als freundlich und vollkommen berechenbar. Gerade der Schutzdiensthelfer als Sparring-Partner war ausserhalb des Platzes der beste Kumpel, bei dem jeder Hund am liebsten ins Auto steigen wollte. Mehr als 30 Jahre ist mit meinen bis VPG3/IPO3/IGP3 geführten Hunden nix passiert. Und ich nehme sie mit in den Urlaub, in Restaurants, in Hotels. Auf Anfrage darf jeder in meinem Beisein streicheln.
Ich schätze an meinen ausgebildeten Hunden gerade ihre Selbstsicherheit, ihr Vertrauen in die eigene Kraft und meine Führung. Sie müssen nicht permanent fürchten, die "böse Welt" könnte ihnen etwas antun, und wegen schlechter Nerven proaktiv abwehren. Selbst starke Reize können sie aushalten und erst abschätzen, bevor sie reagieren. Diese Nervenstärke ist für meine Rasse ein hoch erwünschtes Nebenprodukt des Schutzhundesportes. Neue, ungewohnte Situationen verarbeitet so ein geistig reger, aber nervenfester Hund viel besser. Ich werde nie vergessen, wie ich mal eine CACIB besuchte. Boxerring und Bordeauxdoggenring lagen direkt nebeneinander. Die Bordeauxdoggen, mächtige Hunde, mussten fast ausschliesslich in gedrückter Haltung mit eingekniffener Rute durch die Halle und den Ring gezerrt werden, bei den Boxern marschierten schon die Kleinen mit aufgerichteter Rute und vollkommen selbstbewusst durch den Ring.
Das ist jetzt alles anekdotisch und bestimmt gibt es Gegenbeispiele, aber für mich ist der Schutzhundesport heute in all seinen Facetten ein wichtiges Korrektiv zur Ausstellungszucht.