Ich kann nirgendwo lesen, daß Ohrfeigen als "wegweisend" im Sinne eines Allheilmittels analog dem "Schönfüttern, clickern, -reden, -zeigen" bezeichnet werden. Das ist wieder so eine Pauschalisierung, die gegenteilige Meinungen abwerten soll.
Es wird einfach negiert, daß die Intentionen eines Hundes nicht nur aus Hilflosigkeit, Angst, Unsicherheit, Sensibilität usw. resultieren müssen. Hunde sind kein Kindersatz, der wie ein Säugling vor der großen, bösen Welt dauerbeschützt werden muß. Hunde sind auch autonome Raubtiere, die durchaus fähig sind und sein müssen, mit unangenehmen Situationen fertigzuwerden und zu lernen. Dazu KANN gegebenfalls eine Maßregelung wie die Ohrfeige der TE gehören, OHNE daß damit das Seelchen irreversiblen Schaden nimmt.
Ich hatte vor vielen Jahren mal einen Angstbeißer, der 12 Jahre seines Lebens an der Kette verbracht hatte und dessen menschlicher Kontakt aus Schlägen bestand. Null Vertrauen mehr, dafür sofortiger Einsatz der Zähne, wenn er Angst bekam, und das bekam er anfangs oft. Bei ihm habe eben Konfliktvermeidung betrieben, alles sachte eingeführt, viel mit Leckerchen und später Handfütterung gearbeitet, die Stärke der Reize ganz, ganz langsam erhöht. Ich bin mehrfach gebissen worden, habe stillgehalten und mir jede Schreckreaktion verkniffen, um den Hund nicht zu verunsichern. Weil ich ja mit meiner Fehleinschätzung der Situation an seiner Überforderung selbst schuld war. Mit den Jahren wurde es besser.
Jahre später holte ich mir zu meinem ruhigen, ausgeglichenen, sehr nervenstarken Boxerrüden einen hochtemperamentvollen, selbstbewußten Welpen dazu. Der Zwuck hing dem Älteren bald permanent am Hals, der regelrecht blutig gebissen wurde von seinen Milchzähnchen. Mein Großer versuchte alles, um den Zwerg davon abzubringen, er drehte sich weg, er ging weg, er brummte. Nix half, das Claudio-am-Hals-hängen war einfach ZU schön...ein tolles Spiel! Bis mein Claudio EINMAL klar machte, und zwar maßvoll, aber deutlich, daß er diese Beißerei NICHT schätzt und NICHT mehr akzeptieren wird. Klein-Quarus war erschrocken, stark beeindruckt und betete Claudio zukünftig an. Mit dieser Maßregelung war das Problem gegessen und tauchte nie wieder auf. Beide spielten bis zu ihrem Tod respekt- und vertrauensvoll miteinander, Claudio blieb der wohlmeinende Boß bis zum letzten Tag.
Nun hätte es natürlich weitere Möglichkeiten gegeben: Claudio würgt dem Kleinen Futter vor und bestätigt ihn damit positiv, wenn er seine Zähne aus dem Hals löst. Oder er wirft ihm ein Spielzeug hin. Oder er rennt zu "Mami" (mir), um das Problem von mir lösen zu lassen. Hat er aber nicht. Er hat den Weg eines erwachsenen, souveränen Rüden gewählt, dem Kleinen nachhaltig und schadlos klarzumachen, was angemessenes Verhalten ist, und was nicht. Und ich habe ihn gelassen, weil ich seinem Urteil vertraut habe.
Nach der hier vertretenen Theorie hätte Quarus für's Leben traumatisiert sein müssen, sein Verhältnis zu Claudio irreparabel zerstört, und Claudio hätte zukünftig grundsätzlich unter Zahneinsatz Quarus mißhandelt.
Es ist mir bewußt, daß nun Menschen keine Hunde sind - andersherum sind aber Hunde auch keine Menschen!