Für mich klingt es sehr danach, als würde sich ein Teil des Problems schon in der Überschrift finden „mein Hibbelhund bekommt nie genug“.
Insbesondere dann auch in der Beschreibung der Aktivitäten:
Zur mentalen und körperlichen Auslastung betreiben wir Tricktraining, Grundgehorsamsübungen, er läuft gut am Fahrrad und wir tasten uns gerade an Zugsport ran. An den meisten Tagen machen wir lange Spaziergänge (2-4 Stunden) mit Wald-und-Wiesen-Degility hier und da. Zuhause sucht und bringt er mir die verschiedensten Objekte (vom Futterdummy über Spielzeuge bis zum Teebeutel) vorbildlich, draußen interessiert er sich nicht dafür. Auch Impulskontrolltraining mit Reizangel habe ich draußen schon probiert, aber selbst das wird ihm schnell langweilig und er sucht lieber wieder „echte“ Beute
Kurz zusammen gefasst: draußen besteht die Auslastung hauptsächlich aus körperlicher Aktivität, ohne groß das Köpfchen anzustrengen, sprich lange Spaziergänge, Zughundesport. Dafür gibt es drinnen viel fürs Köpfchen, gepaart mit ein bisschen körperlicher Betätigung, sprich Tricktraining, Grundgehorsamsübungen, Apportiertraining.
Zusätzlich kann der Hund eigentlich nie wirklich abschalten.
Bevor jemand fragt: Er bekommt auch viiiel Ruhe. Ich bin selbständig und arbeite viel daheim am Rechner. Er muß eigentlich nie alleine bleiben (und kann es auch noch nicht, noch so ein Thema…).
Denn weil er nicht alleine bleiben kann, ist der Mensch 24/7 um ihn rum..
Kein Wunder, dass der Hund bei dieser Kombi frei dreht..
Meiner Erfahrung nach mit meinen doch eher temperamentvollen Hunden (Mali und Border) ist die, dass es bei diesen Hunden eigentlich nie darum geht, dass sie „genug“ bekommen. Denn diese Hunde bekommen NIE genug. Zuchtziel dieser Hunde ist es seit Generationen, dass sie weit über jede körperliche und mentale Grenze gehen, bis hin zum völligen Zusammenbruch, wenn der Mensch es verlangt. Es sind nunmal Arbeitshunde. Sie sollen so lange arbeiten, wie der Mensch es braucht und nicht nach 10 Minuten aufhören, weil der Hund keinen Bock mehr hat. Mit so einem Arbeitshund kann man nix anfangen.
Daher muss man als Mensch bei solchen Hunden der limitierende Faktor sein. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie viel man von seinem Hund fordern kann und wann es zu viel wird.
Es ist nie die Frage „hat der Hund genug bekommen?“ sondern immer die Frage „wie viel kann ich ihm noch zumuten?“.
Man muss sich vor Augen halten: Hunde, deren Zuchtziel es ist, auf feinste Signale zu reagieren, haben aus diesem Grund naturgemäß nur einen schwachen Filter, sonst bekommen sie die feinen Signale ja nicht mit. Demzufolge strömt aber auch alles andere an Reizen ungefiltert auf die Hunde ein. Das muss man auch immer mitdenken, wenn es darum geht, wie viel man dem Hund zumuten kann.
Auch aus diesem Grund finde ich es für solche Hundetypen sehr wichtig, dass sie entspannt alleine bleiben lernen. Weil sie beim alleine bleiben eben keinen Mensch um sich rum haben, auf dessen Reize sie ja doch immer ein bisschen mit einem halben Ohr achten, auch wenn sie dösen oder schlafen.
Dass sich Hunde, die allgemein am Limit laufen von der Belastung, dann auch so heftig und quasi unkontrollierbar in Jagdreize steigern, ist auch ganz typisch. Das erzeugt Endorphine, Glücksgefühle, die sich solche Hunde dann gern gegen den Grundstress, den sie haben, holen.
Meine Herangehensweise wäre vermutlich, alles pushende erstmal zu lassen, weil der Hund ja insgesamt einfach viel zu hoch fliegt. Stattdessen den Alltag zu entschleunigen, möglichst die immer gleiche, langweilige Runde und parallel dazu das Alleine bleiben aufzubauen und zu etablieren. Damit der Hund überhaupt mal ne Chance hat, von dem Dauerstress runter zu kommen.