Mit welchem Führsystem führst du deinen Hund denn und wie hast du die Leinenführigkeit aufgebaut?
Wie ist denn der aktuelle Erziehungsstand allgemein (Frustrationstoleranz, Kommandos durchsetzen, Abbruchsignal).
Läuft der Hund auch mal frei und darf Artgenossen treffen? Ist das Problem jetzt erst aufgetreten oder möglicherweise sogar erlernt, weil er als Welpe vielleicht an der Leine immer zu anderen Hunden durfte?
Ich würde zum einen jetzt erst mal Kraft raus nehmen durch ein entsprechendes Führsystem, das dich unterstützt wie z.B. Halti Harness (bitte nicht selbst anwenden, das muss dir ein Trainer erklären).
Falls die Leinenführigkeit auch ohne Ablenkung nicht gut ist, würde es sich anbieten, diese an einem Halti Harness noch mal ganz neu aufzubauen, indem man den Hund auf Halti Harness umschnallt, wenn man üben will und ansonsten zwischendurch wieder aufs alte Führsystem wechselt, wo der Hund dann (noch) ziehen darf.
Dann würde ich erst mal schauen, inwieweit der Hund noch leinenführig/ansprechbar ist bei kleineren/anderen Reizen.
Könntest du ihn z.B. an lockerer Leine an einem vollen Futternapf oder an einem Schweineohr vorbei führen?
Wenn das schon nicht geht, ist Hundebegegnung noch zu schwer, um direkt daran zu trainieren. Dann würde ich erst an diesen Stellvertreter-Konflikten üben, damit der Hund überhaupt eine Idee davon bekommt, dass du ihn führst und er nicht machen kann, was er will, wenn er an der Leine ist.
Mitten im Konflikt kannst du momentan wahrscheinlich nichts machen und durch Rumexperimentieren oder Ermahnen machst du es wahrscheinlich langfristig gesehen noch schlimmer und hast dann eine klassische Leinenaggression. Während des Trainings würde man diese Konflikte so gut es geht erst mal vermeiden oder im Zweifel, wenn vermeiden nicht mehr geht, NICHTS machen.
Es wäre sicher gut, wenn ein Trainer dich unterstützt, denn der sollte Hundebegegnungen stellen können, so dass du erst mal in Ruhe fernab der Realität üben kannst.
Dabei kommt es dann drauf an, dass man erst mal die Distanz zum anderen Hund wählt, in der dein Hund sich noch kontrollieren lässt.
Also erst mit einem ruhigen Hund, der sich nicht bewegt (angebunden ist), dann einen Hund, der sich bewegt auf weite Distanz, dann die Distanz verringern, je nach Trainingsstand. Dann mit verschiedenen Hunden und in verschiedenen Umgebungen, damit sich neu erlerntes Verhalten generalisieren kann.
Effektiver üben kann man immer, wenn man das Gegenüber beeinflussen kann und das kann ein Trainer, wenn er eigene Hunde oder Kundenhunde beim Training einsetzen kann. Das gibt dir die Ruhe, dich auf deinen Hund konzentrieren zu können und die Situation durchgehend kontrollierbar ist.
Ein Trainer, der direkt in der Hundebegegnung versucht, zu trainieren, hat seinen Job nicht verstanden.
Bei einem ersten Termin sollte er den Hund in ein paar Situationen testen, z.B. ob es Unterschiede gibt, auf welche Hunde dein Hund schwächer und stärker reagiert, ob es einen Unterschied macht, ob du an der Leine bist oder nicht usw.
Dann würde ein Trainingsplan erarbeitet und wahrscheinlich erst mal in anderen Bereichen vorbereitend trainiert (z.B. ein Abbruchsignal verbessern plus ein Alternativverhalten etablieren, auf das der Hund gut anspricht.
Und dann würde man das erst mal in ganz anderen Bereichen trainieren und erst später in die Hundebegegnung gehen.
Vorbereitung ist hier die halbe Miete. Erst Grundschule, dann Abitur.
Ein Trainer, der vorhat, mitten im Konflikt Aversivmittel (Disc-Scheiben, Wasserflasche, Rütteldose) einzusetzen, würde das Problem falsch angehen und es besteht die Gefahr, dass das Problem sich verschlimmert.
Die Anwendung aversiver Mittel wären bei einem entsprechenden Hundetypus die letzte Wahl und dann auch nur, wenn gewünschtes Meideverhalten vorab konditioniert wird. Dazu braucht es einen erfahrenen Trainer, der weiß, was er tut. Und der würde sich dafür nur in letzter Instanz entscheiden, um eine Ritualisierung des Verhaltens zu vermeiden. Aber auch hier würde gleichzeitig ein Alternativangebot an den Hund kommen.
Also schaue genau hin und besprich mit dem Trainer die Vorgehensweise VORHER. Der erste Termin sollte ein reiner Anamnese- und Testtermin sein und es kann gut sein, dass ein guter Trainer erst zuhause an Hausstandsregeln arbeitet und erst ganz zum Schluss an das wirkliche Problem ran geht. Und das wäre auf jeden Fall der bessere Weg, der langfristig und nachhaltend den größten Erfolg bringt.