Aus meiner Erfahrung hat ein Hund, der an der Leine pöbelt, meistens auch noch andere Baustellen. Die Leinenführigkeit ist oft auch ein Spiegel der Mensch-Hund-Beziehung.
Ein Training zuhause würde somit vielleicht auch erst mal anders woanders ansetzen und erst dann wird an der Leinenaggression gearbeitet.
Grundsätzlich ist es schon möglich, dass ein guter Trainer, den Hund entsprechend vorarbeitet (schnellere Erfolge), damit der Halter den Hund, wenns gut läuft, mit ein bisschen Trainingsvorsprung weiter trainieren kann. Das Training mit dem Halter selbst muss dadurch aber nicht kürzer ausfallen, weil es letztendlich auch am Halter liegt, wie gut der Trainingsinhalte umsetzen kann.
Ein Problem sehe ich darin, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass der Trainer an der Leinenaggression gar nicht arbeiten KANN, weil es bei ihm gar nicht vorkommt.
Gerade wenn der Hund beim Trainer einzieht, wird der Hund sich erst mal neutral und möglicherweise verunsichert verhalten. Er muss ja erst mal checken, welche Regeln dort gelten und wie der Mensch so tickt. Ein erfahrener Trainer wird sich den Hund somit auch direkt einstielen und es ist wahrscheinlich, dass die Leinenaggression bei ihm gar nicht stattfindet.
Er hätte also gar nichts zu trainieren, weil der Hund sich direkt anders verhält.
Gerade Leinenaggression ist recht komplex und hat immer auch was mit der Beziehung zum Halter zu tun, weil es sich meistens um erlerntes und ritualisiertes (möglicherweise sogar territorial auftretendes) Verhalten handelt.
Rituale und der territoriale Aspekt (Hunde lernen personen- und ortsbezogen) würden sich durch den Umzug in eine neue Umgebung, vor allem, wenn der Hund beim Trainer mit im Haushalt lebt, ja sofort auflösen.
Kommt der Hund ins alte Zuhause zurück, hat man möglicherweise eine Zeitlang Ruhe und könnte da eventuell noch mal mit Training ansetzen, aber machen muss es der Halter trotzdem selbst, er hätte es möglicherweise nur etwas einfacher.
Für mich würde stationäres Training nur Sinn machen bei Dingen, die nicht mit der Mensch-Hund-Beziehung zu tun haben, wenn es also um einfache Konditionierungen geht oder um Dinge, die der Hund neu lernen soll.
Machbar ist so was wie Rückruf (z.B. durch eine Neukonditionierung auf Pfeife), Leinenführigkeit mit einem neuen Führsystem, vielleicht auch ein Abbruchsignal, reine Dressurkommandos oder Dinge wie am Fahrrad laufen, Apportiertraining usw. Da hätte ein Trainer in kürzerer Zeit mehr Effizienz, dem Hund Dinge neu beizubringen, die der Halter dann als Vorteil für sich nutzen kann, wenn der Hund schon etwas gelernt hat und der Halter es nur noch weiter führen muss. Sobald dieser aber nicht dran bleibt, wird auch das wieder schnell gelöscht oder verändert.
Ich glaube, dass es zunächst einmal Sinn macht, dass ein erfahrener Trainer eine Anamnese vor Ort macht und sich dabei erst mal anschaut, wie der Hund lebt, wie er sich zuhause verhält, wie das Verhältnis zwischen Halter und Hund insgesamt ist und da könnte man sehr wahrscheinlich schon einige Dinge verändern, um erst mal einen Ansatz zu haben.
Langfristige Erfolge wird man nur haben, wenn man selbst dran bleibt, wenn man den Hund grundsätzlich anders führt und zwar für immer.
Symptome kann man mit allen mögliche Mitteln schnell mal eben unterdrücken, aber dann kommt meistens an anderer Stelle wieder etwas anderes hoch oder das alte Problem schleicht sich wieder ein.
Man kann also nicht nur am störenden Verhalten arbeiten, sondern muss den Hund auch im Gesamten sehen und dazu gehört der Lebensraum des Hundes und auch die Menschen um ihn herum, die Strukturen und die Beziehungsgeflechte, die ja auch nicht starr sind, sondern immer wieder Veränderungen unterliegen.
Ein guter Trainer würde einen beraten können, was extern möglich ist und würde aber auch mögliche Grenzen aufzeigen und von stationärem Training abraten, weil er weiß, dass das höchstens einen kurzfristigen Erfolg bringt und er den Halter nur bedingt beeinflussen kann. Mit dem Halter steht und fällt am Ende immer der Erfolg jeden Trainings.
Es gibt einige wenige Hundeinternate, die so was anbieten und die nehmen richtig Geld dafür und der Hund wird mehrere Wochen, teilweise Monate und meistens auch isoliert gehalten (damit wird bewusst gespielt, um die Motivation des Hundes zu erhöhen) und bekommt Trainingseinheiten. Losgelöst aus seiner gewohnten Familienstruktur wird jeder Hund bereit sein, zu arbeiten, wenn er für zwei Mal eine Stunde am Tag aus dem Zwinger geholt wird.
Mit der Realität, in der er sich später wieder bewegen wird, hat das aber nichts zu tun. Übergaben finden da meistens nur in Kurzform statt, weil den Haltern vorgegaukelt wird, dass der Hund jetzt alles kann und sie nur diese und jene Kommandos geben sollen, die der Hund ja nun gelernt hat.
Das mag dann die erste Zeit zuhause dann gut gehen, weil der Hund nach den Wochen woanders zuhause erst mal kleine Brötchen backt, aber das Problem wird sich unabhängig vom Training sicherlich sehr schnell wieder einschleichen. Nur die Unterbrechung im Hundeleben zeigt zunächst etwas anderes. Und über reine Dressur wird sich das Verhalten und vor allem das Grundgefühl des Hundes nicht verändern können. Hier geht es vielmehr um echte Erziehung und dazu gehört zwangsläufig nunmal auch Beziehung.
Kein Trainer dieser Welt bräuchte Wochen und Monate, um auf einer neutralen Basis und unter Ausnutzung des Trainereffekts, an einer Leinenaggression zu trainieren. Weil es sich bei ihm gar nicht direkt zeigen wird (höchstens in einigen Ausnahmefällen) und er es aber direkt im Ansatz unterbinden wird.