Bei einem Tierschutzwelpen aus dem Ausland wird man leider selten die Wahl haben, einen Hund unter 4 Monaten zu bekommen. Legal ausreisen dürfen sie vorher nicht.
Schöner wäre es natürlich, wenn der Hund bis dahin schon ein bisschen mehr von der realen Welt gesehen hat als die Tierheimumgebung. Positiv könnte sein, dass der Hund lange mit Mutter und Geschwistern zusammen war. Das hängt aber auch davon ab, wie die Mutter drauf ist und ob die Hundefamilie Ruhe hat und entspannt ist oder ob sie Stress im Tierheim haben.
Weißt Du, wie die Hunde im Tierheim gehandhabt werden? Haben die vielleicht auch Kontakte zu anderen Hunden? Wird mit den Welpen ein bisschen was gemacht? Haben sie ausreichend Kontakte zu Menschen? Gibt es vielleicht Gassigänger, die sich einen Welpen mal mitnehmen und außerhalb des Zwingers was mit ihm machen? Haben die Tierheimmitarbeiter ein bisschen Zeit investieren können, die über füttern und sauber machen hinaus geht?
Wie ist die Mutterhünding? Offen und stabil oder eher unsicher? Wenn sie mit Menschen unsicher ist, wird sie es auf die Welpen übertragen. Und das schon im Mutterleib.
Sind die Welpen dort geboren oder wie ist die Vorgeschichte?
Ist sicher immer schwierig, das zu beurteilen, weil die Hunde in gewohnter Umgebung und im Familienverband durchaus locker und entspannt wirken können, bei einem Umzug in eine völlig andere Welt aber auch schnell einbrechen können.
Es ist schon ein gewisses Risiko dabei, wenn man einen jungen Hund aufnimmt, der vielleicht eher reizarm aufgewachsen ist. Deprivationsschäden sind oft ein Leben lang nicht mehr reparabel - man kann aber auch so einen Hund an neue Dinge gewöhnen, kontrollieren und managen, aber dafür braucht man definitiv ausreichend Erfahrung.
Wenn Du Dir die Aufgabe zutraust und Dir auch Gedanken über "was ist, wenn" vorab machst, ist es sicher schön, einem Tierschutzhunde zu helfen, ein schönes Leben zu bekommen.
Es kann auch alles ganz einfach sein und der Hund schafft es locker, sich schnell an was Neues zu gewöhnen.
Aber auf jeden Fall bedenken, dass schlechte Erfahrungen immer besser sind als keine Erfahrungen. Schlechte Erfahrungen kann man mit guten Erfahrungen aufwiegen und auch wieder löschen - keine Erfahrungen: wo nichts ist, kommt auch nicht mehr viel hin. Es fehlen wichtige Synapsenverknüpfungen im Gehirn und die Erfahrung, auf neue Situationen entsprechend reagieren zu können, in welcher Form auch immer. Dieses Defizit begleitet deprivierte Hunde ein Leben lang in allen neuen Situationen und der Stress- und Cortisolspiegel wird deutlich erhöht sein.
Vorteile, wenn ein Hund in diesem Alter und aus einer Tierheim-Situation umzieht, gibt es aus meiner Sicht kaum bis gar nicht.
Wenn er bis dato bei jemandem wäre, der das entsprechend auffangen kann und den Hund auf ein neues Leben halbwegs vorbereiten kann, ginge es noch.
Wenn Du Hundeanfänger bist, könnte es durchaus schwierig werden. Kann, muss aber nicht.
Der Verein sollte Dich entsprechend beraten können, auch nach Übernahme, und für mich wäre Tierschutz auch, dass man, wenn man als Verein Welpen aufnimmt, diese auch entsprechend vorbereitet und das wichtige Zeitfenster bis zum 4. Monat nicht ungenutzt verstreichen lässt. Bei allem Respekt für die viele Arbeit, die man als Tierschützer sonst so hat, aber Tierschutz heißt halt auch Verantwortung und da sollte man sich überlegen, ob man einen Wurf aufnimmt und nicht nur versorgt, sondern auch "abgabefertig" macht.
Vielleicht wäre es einfacher, einen jungen Hund aufzunehmen, der schon hier auf einer PS ist und wo man dann genauer sehen kann, wie der mit unserem Leben hier zurecht kommt und ob man sich die Aufgabe zutraut.
Direkte Übernahmen aus dem Ausland - da sollte man schon etwas Erfahrung mitbringen. Egal, wie alt der Hund ist. Bis zum 4. Monat sind die wichtigsten Entwicklungsfenster bereits wieder geschlossen, die Hirnentwicklung so gut wie abgeschlossen.