Da der Hund das Ziehen und dass ihr dahin geht, wo er hin will, ja jetzt schon so lange gelernt hat, würde ich mir als Ziel setzen, erst mal nur kurze Sequenzen ordentliches Gehen an der Leine durchzusetzen, um überhaupt erst mal eine belohnenswerte Situation schaffen zu können.
Jetzt zu sagen, sie soll von jetzt auf gleich immer ordentlich gehen, wird nicht funktionieren.
Ich würde euch empfehlen, mit einem Wechsel von lange Leine/kurze Leine oder wahlweise Halsband/Geschirr zu arbeiten, damit der Hund erst mal eine Idee bekommt, was ihr jetzt auf einmal überhaupt von ihm wollt.
Also muss es weiter längere Sequenzen geben, wo sie ausdrücklich ihr altes Verhalten weiter zeigen darf und das wird erst nach und nach abgebaut.
Führt ihr am Halsband oder am Geschirr?
Ich erkläre das System mal mit einem Wechsel von langer und kurzer Leine.
Ihr braucht dazu eine Leine, die man verstellen kann, am besten lang 2 m, kurz 1 m.
An der langen Leine darf sie weiterhin ziehen und das wird auch nicht kommentiert, an der kurzen Leine muss sie ordentlich gehen.
Ihr überlegt euch also immer vorher, wann Training stattfindet und wann nicht, es gibt also einen Anfang und ein Ende.
Ihr geht zum Beispiel von zuhause los mit langer Leine. Sie darf ziehen, schnüffeln, pinkeln usw. wie gehabt, ihr lasst sie einfach machen. Wenn sie etwas Energie los gewroden ist, nehmt ihr sie kommentarlos zu euch ran und schnallt die Leine kurz und möglichst so deutlich, dass der Hund merkt, dass etwas passiert.
Ist die Leine kurz, geht ihr weiter. Überholt sie euch, dreht ihr kommentarlos und auf der Stelle abrupt um in die entgegengesetze Richtung, überholt sie wieder, das gleiche Spiel. Am besten nicht mit dem Hund reden und einfach gehen. Irgendwann wird sie sicher zu euch schauen und "fragen", was das soll. Da könnt ihr zum Beispiel belohnen und auch immer, wenn sie auf eurer Höhe an lockerer Leine geht.
Schafft sie dann ein paar Meter, dass die Leine locker ist, belohnen, Hund wieder zu euch ran holen und die Leine wieder sehr deutlich lang machen und sie kann wieder machen, was sie will, bis zur nächsten Trainingseinheit.
Am Anfang sind die Sequenzen sehr kurz und schließen immer mit einem Erfolg ab. Je öfter ihr diese Einheitten auf dem Spaziergang einbaut, desto besser. Im weiteren Verlauf werden die einzelnen Sequenzen zeitlich länger und somit die Führung an der langen Leine immer weniger.
Der Weg ist sicher viel länger als wenn man von Anfang an dran gearbeitet hätte, aber ich denke, er ist auch der für den Hund verständlichste, denn IHR habt ihm ja beigebracht, dass Ziehen ok ist.
Das gleiche Vorgehen geht mit Halsband und Geschirr, heißt, die Leine wird vom Halsband ans Geschirr umgeleint. Je nachdem, wie ihr sie jetzt führt, sollte das dann auch das sein, wo sie weiter ziehen darf, weil sie es damit ja gelernt hat. Für die neue Leinenführigkeit wird dann das neue benutzt.
Praktisch an dem System finde ich, dass man nicht immer im Zugzwang ist, permanent und konsequent zu üben, das ist im Alltag ja nicht möglich. Ständig stehen zu bleiben und zu warten, bis der Hund sich wieder an mir orientiert ist ebenso wenig praktikabel, wenn man einfach mal schnell mit dem Hund um dne Block muss, damit er Pipi machen kann.
Unverständliche Maßregelungen wie Zwicken in die Flanke würde ich unterlassen. Grundstätzlich habe ich kein Problem damit, einen Hund so zu maßregeln, aber eher als deutlichen Abbruch. Euer Hund weiß ja gar nicht, worauf sich das bezieht, denn sie weiß ja gar nicht, dass sie nicht ziehen soll.
Jetzt seid ihr gefragt, Geduld, Zeit und Ausdauer zu beweisen, um eurem Hund zu helfen, damit sie verstehen kann, was ihr überhaupt wollt.
Und wenn ihr viele belohnenswerte Situationen schaffen könnt, wird sie es schnell lernen.
Warum könnt ihr sie nicht frei laufen lassen? Klappt der Rückruf nicht zuverlässig? Das wäre dann eine andere Baustelle, wo ihr vielleicht auch noch mal ran müsst.
Und grundsätzliche glaube ich, dass bei einer Arbeitsrasse wie dem Labrador eine sinnvolle Arbeit angemessen ist wie zum Beispiel Dummytraining. Das könnt ihr Zuhause machen und später dann auch draußen. Der Hund lernt, dass Kooperation mit euch Spaß macht, kann das machen, wofür er gezüchtet ist und wird sich damit auch besser an euch orientieren.
Einfach nur spazieren zu gehen und dann auch nur an der Leine und der Hund kann machen, was er will und sucht sich dann unabhängig von euch seine Beschäftigung - das ist einfach zu wenig aus meiner Sicht.