Hallo Liz,
nächste Woche holen wir endlich unseren Welpen ab – seit Wochen/Monaten bin ich damit beschäftigt, Erziehungsbücher, Foren und das Internet allgemein zu durchstöbern. Mit meiner Hündin scheine ich unglaubliches Glück gehabt zu haben, da ich anscheinend unglaublich viel falsch gemacht habe und sie trotzdem ein ziemlich unkomplizierter Hund war.
Naja, was heisst 'falsch' - nur weils im Erziehungsratgeber x anders steht muss das ja nicht unbedingt heissen, dass das der Weisheit letzten Endes ist. Wenn Deine Methoden für Hund und Halter stimmen, den gewünschten Erfolg bringen und nicht im Widerspruch zum Tierschutzgesetz stehen, dann müssen sie nicht unbedingt falsch sein.
Nun fühle ich mich ganz gut vorbereitet nur eine Sache verstehe ich nicht richtig bzw. weiß es nicht praktisch umzusetzen: Wie manage ich erwünschten bzw. unerwünschten Hundekontakt? Also toll wäre es, wenn ich es hinbekäme, dass er einen Hund sieht, mich anschaut und ich dann entweder den Kontakt freigebe oder eben auch nicht.
Die schwierige Sache ist, dass ob erwünschter, bzw. unerwünschter Hundekontakt stattfindet, nur zu 50% von Dir abhängt und sich deshalb manchmal fast nicht vermeiden lässt. Lässt Dein Gegenüber seinen Hund einfach laufen, kann es trotzdem sein, dass unerwünschter Hundekontakt entsteht. Ich finde es deshalb wichtig, dass ein Hund wenn immer möglich auch lernt, mit 'unerwünschtem Kontakt' umzugehen, bzw. ihn zu dulden oder ihm Strategien aufzuzeigen, wie er mit diesen Momenten umgehen kann. Es geht hier weniger darum, dass der Hund selbst entscheidet, wie er sich bei ungewünschten Kontakten verhält, sondern dass er eine Anleitung hat, wie er sich verhalten soll, bis ich eingreifen und das für ihn regeln kann. Im Normalfall greife ich natürlich ein, bevor das nötig ist, aber eben - die 'reale' Welt draussen lässt sich eben nicht immer genau vorhersehen und planen. Da ist es mir lieber, dass mein Hund meinen Plan B ebenfalls kennt. Das ist natürlich nicht bei jedem Hund möglich, bei einem gut gezogenen und sozialisierten Welpen sollte dies allerdings drin liegen.
Situation 1: beide Hunde an der (kurzen) Leine
Hier möchte ich keinen Kontakt zulassen – kann ich mit entsprechender Ablenkung durch Spielzeug/Leckerlie o.ä. erreichen. Falls das nicht klappt, ist er ja immer noch angeleint. Dürfte kein Problem sein.Situation 2: beide Hunde im Freilauf
Das wird nur im (relativ menschen- und hundefreien) Wald sein, da ich ja erst mal den Rückruf trainieren muss. Wenn uns dort ein Hund entgegen kommt, würde ich auch erst mal versuchen, ihn abzulenken. Aber wie soll ich mich dabei mit dem anderen Hundebesitzer verständigen, ob die Hunde sich beschnuppern/spielen dürfen? Sobald ich meine Aufmerksamkeit auf den anderen HH richte, wird sich der Hund doch auch umorientieren. Oder soll ich jedes Mal vorsichtshalber die (Schlepp-)Leine anlegen? Aber dann verknüpft er doch: Anderer Hund: Ich werde angeleint. Nicht so prickelnd – vor allem wird er dann ggf. erst recht nicht mehr zu mir kommen, sobald er einen anderen Hund wahrnimmt und gern dorthin möchte?!Situation 3: mein Hund an der Schleppleine, der andere frei
Ich werde oft an in der Nähe gelegenen Seen spazieren gehen, dort sind ziemlich viele Hunde unterwegs. Bis der Rückruf zuverlässig funktioniert, werde ich ihn an der Schleppleine lassen. Was ist, wenn uns da ein unangeleinter Hund entgegen kommt? Wieder das Problem mit der Verständigung mit dem anderen HH während des Ablenkungsversuchs.
Deine Trainingsideen klingen alle hervorragend - auf dem Papier. In der Praxis, wage ich zu behaupten, sieht das dann alles etwas weniger klar aus. Es ist deshalb wichtig einen Plan B in der Tasche zu haben.
1) Das wird so lange klappen, bis ein 'Objekt des Interesses', zum Beispiel ein Hundehalter, bzw. sein Hund die Distanz unterschreiten, in der sich Dein Hund noch konzentrieren kann. Wenn Du möchtest, dass Dein Hund sich wieder auf Dich konzentrieren kann, musst Du diese Distanz wieder herstellen, das bedeutet, dass Du Dich mit Deinem Hund wahrscheinlich etwas entfernen musst.
2) Wenn Du Freilauf nur im '(relativ menschen- und hundefreien) Wald' zulässt - erhält der Hund anderswo noch Möglichkeiten, Artgenossen kennen zu lernen? Möglichst ausgesuchter, aber häufiger Hundekontakt ist wichtig, nur so lernt Dein Hund den korrekten Umgang mit Artgenossen. Besonders wichtig ist hier allerdings Qualität vor Quantität, sonst stehst Du möglicherweise mit einem sozial völlig überforderten Hund da, der plötzlich andere Hunde überhaupt nicht mehr ab kann.
3) Während ich die Schleppleine gerne und häufig nutze, denke ich, ist sie an einem See, wo sich viele andere Hunde tummeln, keine gute Option. Entweder Du meidest also den See ganz bis Dein Hund im Abruf so zuverlässig ist wie Du es gerne hättest oder Du überlegst Dir etwas anderes und lässt den Hund kontrolliert mit den (hoffentlich gut sozialisierten und sorgfältig ausgewählten) Artgenossen am See zwar toben, rufst ihn aber nicht, sondern sammelst ihn einfach wieder ein. So kannst Du vermeiden, dass Dein Hund lernt, Dein Kommando zu ignorieren oder es mit dem Angeleintwerden verbindet.
Ein für mich sehr wichtiger Grundsatz ist, den Hund möglichst wenig Fehler machen zu lassen, die dann Korrektur benötigen, sondern Situationen so zu managen, dass er Erfolg haben und die richtigen Entscheidungen fällen kann. Dann kann ich nämlich loben und kann Strafe auf ein Minimum reduzieren. Vielleicht hilft Dir das auch.