Ich verstehe, was Dagmar Jung meint.
Wissenschaftliche Untersuchungen dazu müsste es von Gansloßer geben, meine ich.
Seit ich Ganslossers 'Verhaltensbiologie für Hundehalter' und das noch viel plakativere 'Kastration und Verhalten beim Hund' kenne, stehe ich Ganlossers 'wissenschaftlichem' Anspruch - jedenfalls was Hunde betrifft, über seine Arbeit mit Kangurus kann ich nichts sagen - äusserst skeptisch gegenüber. Ein kurzes Durchblättern seiner Hundebücher hat aber auch da keine Info ergeben - kannst Du mir vielleicht die genaue Quelle angeben?
Weniger skeptisch stünde ich sicher Forschern wie Dorit Feddersen-Petersen, John Bradshaw, Adam Miklosi und seinem Team, Stanley Coren (früher) und noch anderen mehr gegenüber, die regelmässig in international hochstehenden und anerkannten Journals wissenschaftliche Beiträge publizierten.
Bei einem Hund mit ernsthaften Verhaltensproblemen würde ich eher nicht mit Futter aus der Hand oder erzwungener Kooperation arbeiten wollen und mit einer Existenzangst oder einer Abhängigkeit vom Menschen als Nahrungsspender spielen. Zum Beispiel würde ich das bei vielen Auslandshunden nicht machen.
Genau das ist das Missverständnis: ist die Kooperation erzwungen, läuft etwas gewaltig schief. Als Trainer setze ich die Erwartungen so tief, dass mein Hund sie jederzeit mühelos erreichen kann: ein Blick in meine Richtung? Je nach Hund liegt dann ein Viertel seiner Tagesration vor ihm. Ich arbeite hauptsächlich mit Hunden mit mittleren bis schweren Verhaltensstörungen, die schlecht sozialisiert wurden und völlig unerzogen sind. Bei diesen, aber auch unseren Auslandhunden habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, besonders wenn der Mensch bisher als Ressourcenkonkurrenz betrachtet wurde.
Der Stress wird ausgelöst, wenn der Hund nur für Kooperation mit dem Menschen bzw. für Leistung Nahrung erhält.
Nein. Das ist eine Verallgemeinerung, die so nicht hält. Wir sind uns aber völlig einig darin, dass Leistungsdruck und erzwungene Kooperation im Hundetraining so wie wir es betreiben, nicht nötig ist.
Da er nicht jeden Tag unbedingt was ableisten kann bzw. sich der Mensch vielleicht auch missverständlich ausdrückt und der Hund es einfach nicht besser machen kann, kann bei einzelnen Hunden eine Abhängigmachung über etwas existenzielles wie Nahrung durchaus zu erhöhtem Stress führen. Da spielen dann wieder Hormone eine Rolle, die den Hund im Denken und Handeln blockieren und im schlimmsten Fall habe ich dann einen Teufelskreis geschaffen, der weiteres Lernen unmöglich macht bzw. dem Hund zusätzlichen Stress verschafft.
Hier bringst Du einiges durcheinander. Ich glaube, Du klammerst Dich zu stark an den Gedanken, dass es nur bei Leistung Futter gibt. Wer als Trainer von seinem Hund nach einem Tag Training erwartet, dass dieser im Handstand mit einem rohen Ei auf der Nase neben ihm Fuss läuft, setzt die Kriterien falsch und wird zwangsläufig gegen eine Wand laufen.
Und: Hunde sind von uns abhängig, ob wir das wollen oder nicht. Wir entscheiden so oder so, ob und wann wir unseren Hunden einen Napf vorsetzen oder ihm eine Handvoll Futter geben. Wir entscheiden wo er schläft, was er frisst, wann er raus darf, wo wir spazieren gehen. Wir erziehen ihn nach unseren Wünschen, kontrollieren sein Aussehen, beeinflussen und kontrollieren sein ganzes Leben. Ob wir dem Hund täglich Punkt vier seinen vollen Napf vor die Nase stellen oder ihn über den Tag verteilt füttern ändert nichts daran, dass wir bestimmen, wann er wo was und wieviel frisst. Wir lügen uns selber in die Tasche wenn wir behaupten, es sei nicht so.