Das Bellen hat erstens etwas mit der Veranlagung Deines Hundes zu tun und zweitens mit der Situation.
Dein Sheltie ist ein typischer Belltie, dem hier aktiv beigebracht wird, dass es in Ordnung ist, den anderen Hund unter Kontrolle behalten zu wollen und dass Bellen dann angebracht ist.
In ihrer Art erinnert sie mich sehr an andere Shelties, aber auch an meinen Welsh Sheepdog, die Rough Collies und die Bearded Collies, die ich kenne. Hütende Corgis kenne ich leider keine. Mit der grossen Ausnahme des Borders gehen viele britische Hütehunde ihrem Job genau so nach. Läuft es nicht nach Plan oder muss ein Schaf aktiv zur Bewegung aufgefordert werden, ist das erste Mittel der Wahl nicht das Zwicken, sondern das Verbellen. Bellen tritt bei diesen Hunden also auf, wenn das Erregungslevel zu hoch ist oder dann, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht: reisst ein Schaf aus, wird es unter Umständen bellend zurück getrieben. Steht die Herde still und man möchte als arbeitsamer britischer Hütehund doch seinem Job nachgehen, wird eben gekläfft. An- oder zurückgetrieben wird also über Bellen geregelt.
Man sieht in dem Video schön wie ritualisiert das Bellen bei ihr ist: es wird intensiver wenn der Ball fliegt und der andere Hund losrennt und dann, wenn ihrer Meinung 'nichts' passiert und sie gerne wieder etwas mehr Bewegung in der Sache hätte. Typisch fürs Hüten sind auch ihre Kreise und Halbkreise. Ihr Interesse am Ball ist dabei gering - sie interessiert sich für Euch und den anderen Hund. Sie mag es wohl, dem Ding hinterher zu hetzen, genauso wie sie das bei einem ausbrechenden Schaf tun würde, wenn sie es dann aber hat, weiss sie wenig damit anzufangen und schreit als Übersprungshandlung. Sie wirkt bei den Zerrspielen mit Dir viel interessierter als beim 'Ball-Holen' - das ist nicht ihr Ding. Sie tut es, aber mehr um Deinem Befehl Folge zu leisten als aus Eigenmotivation, ganz im Gegensatz zum anderen Hund, dem das Bällchenwerfen viel mehr Freude macht. Schön ist auch zu sehen, dass sie keinerlei Interesse am Frisbee hat, als dieser zu Boden geht. Sie ist viel zu sehr mit Hüteversuchen beschäftigt.
Sie ist dem anderen Hund gegenüber (noch?) relativ 'höflich' in ihren Hüteversuchen, rempelt ihn nicht an, zwickt ihn, überrennt ihn oder schneidet ihm den Weg ab, sondern kreuzt seinen Weg hinter statt vor ihm. Ganz typisch ist auch das Umrunden der Personen, des Wurfobjektes und des anderen Hundes in diesen Situationen. Du gehst im Video praktisch immer schnurgerade auf sie zu, was sie nicht einschätzen kann und deswegen wieder mit Übersprungshandlungen kompensiert. Mich würde interessieren ob sie sich auch hütehundtypisch im 180 Grad Winkel zu Dir um den Ball herum bewegt wenn Du beginnst, Dich im Abstand von 5 bis 10 Meter in einem Kreis zu bewegen?
Ihrer Meinung nach herrscht in dieser Situation das totale Chaos, das einer kontrollieren sollte - nur hat ihr niemand gezeigt wie das funktioniert. Ihre Aufgabe besteht darin, wild zu kläffen und Hüteansätze zu zeigen - das ist ihre Lösungsstrategie für diese Situation.
Die Bellerei wird durch Euer Verhalten und die Aufmerksamkeit, die Du ihr dadurch gibst 'psst', 'Abby nein!' absolut gefördert. Es gibt keinen Grund für sie, dieses Verhalten zu verändern. Als sie um 3:20 herum endlich eine Aufgabe bekommt ist sie freudig dabei und - oh Wunder - auch plötzlich ruhig. Du möchtest sie nach der kleinen Übung sofort wieder losschicken, sie aber würde gerne weiter machen und bettelt nach mehr. Hat sie eine klare Aufgabe, die sie versteht, ist sie sofort ruhig und arbeitet zufrieden mit.
Um 4:30 herum reisst sie sich redlich zusammen nicht zu bellen, zeigt aber ganz deutlich, dass ihr der unkontrolliert herumrasende andere Hund nicht geheuer ist und eigentlich unter Kontrolle gebracht werden sollte. Du schickst sie weg und überlässt ihr die Entscheidung, was sie mit der Situation anfangen will. Das Resultat ist vorhersehbar: sie macht ungelenke Hüteversuche und schreit.
Dein Hund scheint gerne mit Dir zusammen zu arbeiten und möchte unbedingt gehorchen. Als erstes würde ich dafür sorgen, dass sie versteht, dass es ok ist, wenn der andere Hund herumrennt. Jede Ruhe wird belohnt - in diesem Fall würde ich versuchen über Futter zu arbeiten. Wenn ihr mit dem anderen Hund spielt, braucht sie ebenfalls eine Aufgabe. Das kann ein Platz Bleib sein, stets neben Dir im Fuss zu bleiben, etc. - irgend etwas, was ihr ein klares Alternativverhalten aufzeigt. Jede, aber auch absolut jede Ruhe würde ich belohnen und daran dann aktiv üben.
Ich finde es ganz wichtig herauszustreichen, dass es Euer Verhalten ist, das den Hund zum Dauerbeller macht - das ist nicht der Fehler des Hundes, sondern ein hausgemachtes Problem. Möchtet ihr also, dass sie sich anders verhält, würde ich mir zuallererst überlegen, wie ich die Situation so gestalten kann, dass sie nicht in die Bellerei verfallen muss bevor ich überhaupt anfange an ihr herum zu erziehen.