Beiträge von AnnetteV

    Konfuzius soll einmal gesagt haben:

    Erzähle es mir und ich werde es vergessen. Zeige es mir und ich werde mich vielleicht erinnern. Lass es mich tun und ich werde es verstehen.

    So sehe ich das auch im Hundesport. Natürlich kann ich mir den besten Trainer der Welt von Anfang an an die Seite holen. Ich glaube allerdings, wer sich Dinge selber erarbeitet (das gilt für Mensch und Hund), der hat mehr gelernt als jemand, dem es nur gesagt oder gezeigt wurde. Anfänge kann man sich doch häufig selbst erarbeiten um herauszufinden, ob eine Sportart einem selbst und dem Hund liegt. Durch die eigene Erfahrung ('lass es mich tun'), erhalte ich das beste Feedback und kann versuchen zu verstehen, wieso etwas funktioniert und etwas anderes vielleicht nicht. Es ist meiner Meinung nach die schwierigste, aber sicher auch die potentiell erfüllendste Variante. Die Option, das Ganze dann wettbewerbsmässig zu betreiben und mir einen Trainer hinzu zu holen, habe ich ja immer noch - und ist natürlich absolut nötig, sobald ich einen Sport ernsthaft betreibe.

    Es behauptet doch keiner, dass ein völliger Anfänger selbstständig und ohne Trainerfeedback bis zur höchsten Stufe (oder vielleicht auch nur bis zur Prüfungstauglichkeit...) kommt. Aber nicht jeder, der sich ein paar Dummies kauft und mal ausprobieren möchte, will das dann später auch auf Prüfungsniveau tun. Und sind wir ehrlich: dem Hund ists völlig egal, auf welchem Niveau er läuft. Hauptsache, es macht Spass.

    Ich bin da ganz auf derselben Seite wie @Liv. Sich informieren, sich einlesen, verstehen, was man da genau machen will, warum das so und nicht anders sein soll und dann einfach mal ausprobieren. Klar wird es Dinge geben, die ein geübter Trainer vielleicht schneller lösen oder besser aufbauen würde. Aber vergessen wir nicht: es handelt sich hier um einen Sport - ein reines Freizeitvergnügen. Ich suche mir doch auch keinen Trainer, wenn ich einfach mal ausprobieren möchte, ob joggen oder radeln etwas für mich sein könnte. Ich versuche es eben und wenn es funktioniert, mache ich weiter. Klappt es überhaupt nicht und ich will nicht aufgeben oder komme ich an einen Punkt, wo ich sage, jetzt möchte ich das aber ernsthaft tun, dann fange ich an über einen Trainer nachzudenken.

    Und bezüglich falschem Aufbau: natürlich kann man eine ganze Reihe Fehler machen. Aber ich behaupte, das Kind ist doch nicht für immer und ewig in den Brunnen gefallen nur weil ich meinem Hund jetzt etwas Falsches beigebracht habe. Ja, es dauert länger Fehler wieder auszubügeln und es ist sicher einfacher, wenn ich schon weiss, wohin die Reise gehen soll - aber genau so geht doch ein Lernprozess vonstatten. Das nächste Mal werde ich gewisse Fehler sicher nicht mehr machen und auf für die Zukunft davon profitieren. Ein Hund ist nicht grundsätzlich verdorben, weil er etwas falsches gelernt hat - sofern man einigermassen vernünftig trainiert. Ich glaube, man sollte das nicht allzu eng sehen. Es geht hier um eine Dummyprüfung - keinen lebensrettenden Ernstfall.

    Es ist beim eigenen Aufbau und Training genau wie sonst auch im Leben: wer sich und seinen Hund ehrlich einschätzen kann, wird mit diesem Vorgehen erfolgreicher sein, als einer, der dazu eben nicht fähig ist.

    @Die Swiffer

    Wenn wir schon bei der Optik bleiben wollen:

    PON und Schapendoes wurden ja schon genannt, aber vielleicht wären auch der rauhaarige Berger des Pyrénées, der Bergamasker, der Puli oder der Tibet Terrrier etwas? Obwohl ich die letzteren beiden jetzt eher weniger als aktive Zughunde sehe. Den Beardie halte ich in jedem Fall für geeignet - auch als Zughund. Ich nehme ja nicht an, dass Du mit Deinem Gespann unbedingt das nächste Iditarod gewinnen möchtest.

    Der Elo oder der Wäller entsprächen Deinen Vorstellungen vielleicht auch, aber mit diesem ketzerischen Vorschlag zöge ich ganz bestimmt den heiligen Zorn der Dogforum-Gemeinde auf mich, weshalb ich also lieber schweige... ;)

    Ach, was ich dabei vielleicht doch auch noch erwähnen sollte - ein Hund, der sich gerne in die Leine hängt oder gerade Menschen gegenüber 'unberechenbare' Ausraster hat, läuft bei mir in der freien Wildbahn

    a) stets anständig gesichert (wenn nötig mit Maulkorb - lieber einmal zu viel als einmal zu wenig) und
    b) immer an der kurzen Leine, sprich nie weiter als einen Meter weit weg von mir.

    Freilauf, Laufen an der langen Leine (Flexi oder Schlepp) und ähnliche Spässe passieren nur in bestens kontrollierter Umgebung auf gesichertem Gelände.

    @AnnetteV
    Wie hast du das Let's go genau aufgebaut :) ?

    Wenn der Hund eh schon in einer locker-freudigen Stimmung ist, klatsche ich in die Hände, schlage mir auf die Schenkel (Achtung, das ist bei ängstlichen Hunden keine grossartige Idee - da braucht es feinere Aufforderungen), rufe seinen Namen und daraufhin gleich 'Let's go!' und laufe in die entgegen gesetzte Richtung. Je nachdem was dieser Hund mag, bin ich dabei mehr oder weniger enthusiastisch und mache mich zum Affen. Einige Hunde mögen gelockt werden, das möchte ich aber möglichst vermeiden. Der Hund soll selber auf die Idee kommen, dass die Party steigt, wenn er zu mir kommt. Ist er bei mir, laufen wir ein Stück zusammen, dann zergeln wir, laufen zu einem Spielzeug um die Wette oder es wartet ein Leckerlifest.

    Der Hund soll so richtig Gas geben und dafür eine tolle Belohnung kassieren. Der Hund soll lernen, dass mit mir rennen toll ist und sich lohnt. Diese Übung beginne ich in einer möglichst reizarmen Umgebung, wo der Hund eh nicht viel anderes zu tun hat als auf mich zu achten - also zum Beispiel im Haus oder im Garten. Ich achte penibelst darauf, den Hund herauszufordern, ihn aber nicht allzu sehr zu pushen - was wir auf jeden Fall vermeiden wollen, ist dass der Hund so hochfährt, dass er hochspringt oder gar schnappt. Es ist also ein feiner Grat, den Hund für die eigene Sache zu begeistern, ihn aber nicht allzu sehr aufzuheizen.

    Der Witz an der Übung soll ja sein, dass er im Ernstfall eine Handlungsalternative geboten kriegt, seine Anspannung über einen kontrollierten Sprint ausleben kann und dabei klar im Kopf bleibt. Im Grunde genommen ist es wie ein 'Schau mich an' aber mit Bewegung. Das 'Let's go' übe ich dann immer wieder in für den Hund völlig unvorhersehbaren Situationen, aber natürlich auch solchen, in denen er gerade noch ansprechbar ist. Zieht der Hund im Ernstfall beim 'Let's go' nicht mit, warte ich nicht auf ihn, sondern laufe los und nehme ihn einfach mit. Sobald er das Spiel wieder mitspielt, wird belohnt.

    @AnnetteV
    Aber wenn so plötzlich aus dem nichts wie gestern ein Kind angerannt kommt und es glatt ist, kann ich leider weder frühzeitig reagieren noch laufen :( Da ging ja nur managen über Hund einfach mit sich mitnehmen.

    Man kann immer reagieren, man muss es nur tun. Das Dümmste ist es, einfach stehen zu bleiben und zu beobachten, wie sich die Situation entwickelt - nimm sie selbst in die Hand! Notfalls drehst Du Dich (natürlich mit dem Hund an der Leine) schnell um Dich selbst - auch das kann man üben.

    Heute waren in der Entfernung Menschen, die er komisch fand und eine Frau mit zwei heulenden Kindern. Da ging es gut, dass er sich auf Ansprache umorientiert hat, mit mir ein paar Meter vom Reiz weg ist und dann wieder darauf zu, bis wir irgendwann dran vorbei waren. Das klappt nur leider nicht immer (v.a. bei überraschenden Situationen, die nicht schon von weitem erahnbar waren).

    Das dünkt mich für eine 'Real Life'-Situation zu langwierig. Und nicht jeder steht ja als Trainingsobjekt so lange in der Pampa herum, bis ich meinem Hund gezeigt habe 'der ist gar nicht so böse wie er aussieht'. Das Let's Go kann bei entsprechendem Aufbau nämlich auch prima dazu verwendet werden, schnell an einem unangenehmen Objekt vorbei zu rauschen. Genau für solche unvorhersehbaren Situationen ist das Let's Go ja gedacht.

    @AnnetteV
    Aber heute ging gar nix. V.a. Weil wir direkt links neben der Weide waren und nicht weiter nach links ausweichen konnten, weil da ein Wall zur Autobahn losgeht und zurück oder nach vorne wäre ja wieder weiter gehen, was ja keine sofortige Entfernung zum Reiz hergestellt hätte und was er in dem Moment nicht hinbekommen hat. In solchen Situationen ist es immer sehr schwierig. Ich habe ihn dann über Sitz immer wieder gebremst (das einzige, was immer bei ihm ankommt), habe dann zu ihm aufgeschlossen (2m Leine, da dauert das ja nicht lang), ihn gelobt beim ruhigen Gucken und bin dann zusammen mit ihm weiter. Sobald er wieder mit Bürste seitlich zu den Pferden hinreißen wollte, das selbe Spiel von vorne. :ka:

    Das zeigt Dir, dass 'Sitz' das einzige Kommando sein dürfte, das bei Deinem Hund bis in die hohen Reizlagen gefestigt ist.

    Mh also dann einfach weitergehen tu ich ja auch. Das "Nein" bezieht sich bei mir auch nicht auf das Fixieren. Tut er nur das, gibt es ein "weiter" und wir gehen weiter. Dabei wird gelobt.
    Steht er aber in der Leine und ich fliege im Schneematsch fast auf die Nase...gibt es auch ein "nein". Das ist unser Abbruchwort.
    Ich könnte ihm in dem Moment eine zwei kg Fleischwurst vor die Nase halten, sie zerfetzen und verstreuen, er nimmt es nicht an. Er nimmt auch kein Spielzeug oder ähnliches wahr. Also ginge zergen o.ä. auch nicht.
    Oft laufe ich dann einfach mit ihm dran vorbei, nur im Matsch war das schlecht.

    Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Hunde, die auf gewisse Reize ganz extrem reagieren und dann 'unansprechbar' in der Leine hängen, auf zwei Dinge sehr schlecht reagieren:

    - Verbote und
    - Tadel

    Beides kommt im eh schon überforderten Hundehirn entweder gar nicht an, oder wird eben als zur unangenehmen Situation gehörig empfunden. Dem Hund wird weder mit Strafe, noch mit einem Verbot ('Nein') gezeigt, dass sein Mensch eine Idee dazu hat, wie man die Situation auch noch anders lösen könnte. Um hier mit Strafe durchkommen zu können, muss die Strafe so massiv aufgebaut sein, dass sie als Reiz denjenigen, der den Hund in der Leine hängen lässt, noch übertrifft. Und da müsste man dann schon mit ziemlich massivem Geschütz auffahren. Ob man das will, sei jedem selbst überlassen. Mein Weg ist es nicht.

    Wessen Körper so voller Adrenalin ist, dass er nur noch 'unansprechbar' in der Leine hängt, der ist mit der Klärung der Situation, vielleicht sogar mit schierem Überleben beschäftigt - und der frisst und spielt nicht. Das sind nämlich Dinge, die man tut, wenn man sich in einer weniger hohen Erregungslage befindet.

    Zwei Dinge kommen allerdings nach entsprechendem Training sehr gut an:

    - rechtzeitiges Reagieren und
    - Strategien zur Konfliktlösung

    Konkret bedeutet das, dass ich den Hund, schon bevor er in der Leine hängt und nicht mehr 'ansprechbar' ist, umlenke und ihn hochwertig belohne solange er noch in einer Reizlage ist, die das zulässt. Ob der Hund noch frisst oder spielt (je nachdem was ihm wichtiger ist), zeigt Dir schön an, wie er sich fühlt. Das ist eine grossartige Trainingshilfe für Dich, die Du Dir zunutzen machen kannst. Stelle sicher, dass Dein Hund niemals in eine Situation kommt, die er - bzw. ihr beide zusammen - noch nicht händeln könnt. Passiert es trotzdem, ist das nicht schlimm, möglicherweise musst Du dann einfach einen Schritt weiter hinten nochmal beginnen.

    Bei reaktiven Hunden arbeite ich auf verschiedenen Ebenen. Mein Notanker ist jedenfalls das Kommando 'Let's go' - bei dem ich mich auf dem Absatz umdrehe und mit dem Hund schnell in eine entgegengesetzte Richtung davon gehe, laufe oder je nach Situation - auch renne. Nach oder sogar noch während dieser Lauf-Einheit wird der Hund belohnt, das Kommando soll ausgelassene, freudige Action bedeuten. Das 'Let's go' ist mein Sicherheitsnetz, das ich dann einsetze, wenn ich einer Situation sofort ausweichen muss und ich vermeiden will, dass der Hund sich in die Leine hängt. Wichtig dabei ist auch hier das rechtzeitige Reagieren, aber auch das Tempo in dem ich mich mit dem Hund entferne - ich gebe dem Hund beim 'Let's go' die Möglichkeit, seinen Stress, seine Überforderung in Bewegung umzuwandeln - deshalb muss das sehr zügig von statten gehen. Nicht nur muss der Hund bei 'Let's go' plötzlich auf mich achten, er muss auch mit mir mithalten können, was ihn davon abhält, sich mit dem stressauslösenden Objekt zu beschäftigen, weil wir uns davon ja entfernen. Der Hund empfindet dieses 'Davonlaufen' im Übrigen nicht - wie mancher Mensch vielleicht - als Schwäche, sondern er ist einfach froh, dass er der Situation entkommen ist. Danach kann ich an der schwierigen Situation (falls jetzt noch sinnvoll oder möglich) wieder aus für den Hund angemessener Distanz arbeiten.

    Erfahrungsgemäss reagieren Hunde nach solidem Aufbau darauf sehr gut, denn im Gegensatz zu einem simplen 'Nein', weiss der Hund dann, was gerade geschieht.

    Entspannungskommandos funktionieren in solchen Situationen nicht sehr gut. Stell Dir vor, Du stehst auf einem Bungee-Turm, kurz vor Deinem Sprung, schaust in die Tiefen und da kommt einer, flüstert Dir zu 'Entspann Dich!' und hält Dir womöglich noch ein Stück Schokolade vor die Nase...

    nur dass so ein Hund dann eben richtig leidet. Was vor paar Seiten geschrieben wurde, das sich auch solche Hunde an neue Umstände gewöhnen, stimmt vielleicht für gut durchgezüchtete Hunde wie den TWH, beim SWH nur bedingt. Und beim AWH für Tiere mit wenig Prozenten. Je höher die Prozente gehen sind diese Tiere nur noch fürs Gehege geeignet. Mein Rüde hat sich so eng an mich gebunden, dass Freunde mit ihm viel machen können wenn ich dabei bin, normalen Kontakt haben können. Bin ich aber weg, dann ist er ein anderes Tier und lässt niemanden in seine Nähe. Also den würde ich zerstören, wenn ich ihn im Stich lassen würde.

    Sprich: je mehr Hund also in diesen 'Hybriden' ist, desto weniger leiden sie. Achtung, rhetorische Frage: Was genau war dann nochmal der Sinn darin, Hunde mit einem Wolf zu kreuzen? Vielleicht, damit man sich mit einem Hund mit Wolfsanteil (und sei es noch so geringem) brüsten kann? Oder dass man danach noch jahrelang an der Prozentzahl herumschrauben kann nur um herauszufinden, dass ein hoher Wolfsanteil nicht das Gelbe vom Ei für einen Begleithund - denn zu etwas anderem taugen diese Tiere ja nicht - ist?

    Auf Seminaren wurde mir erzählt, dass die Border Collies, die als Koppelgebrauchshunde in England arbeiten, extrem sensibel auf Umweltreize reagieren. Das interessiert mich jetzt.
    Sie sollen sehr leicht hemmbar und schon bei einem lauteren Wort oder dem Wedeln mit einer Plastetüte beeindruckt sein. Das würde die Ausbildung, die ja über Hemmen verläuft, erleichtern und der Grund sein, warum die Hunde auf noch auf großen Distanzen so gut kontrollierbar sind.
    Sprich da werden Hunde gezüchtet, die übermäßig stark auf optische und akustische Reize reagieren und deswegen in einer Umgebung jenseits von einer stillen Farm nie mit der Umwelt klar kommen würden.

    Nicht so?

    Umweltreiz ist ja sehr generell. Ist der Umweltreiz, von dem wir sprechen', ein Schaf, dann reagieren die Hunde tatsächlich mit feinsten Antennen darauf. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob hier sensibel das richtige Wort ist. Die Hunde sind einfach hundert Prozent auf ihre Schafe - und den Besitzer - fokussiert, egal was daneben abläuft. Ein Hund, der auf jeden kleinsten Umweltreiz reagiert, sich vielleicht sogar von seinen Schafen abwendet und erst einmal diesen Reiz verarbeiten muss, ist kein tauglicher Arbeitshund.

    Dass die Hunde dafür aber im Allgemeinen vom Besitzer relativ leicht zu hemmen sind, ist allerdings kein Widerspruch. Vom Hund wird erwartet, dass er sich von nichts und niemandem beeinflussen lässt als den Schafen und dem Schäfer. Du brauchst einen Hund, der seine Aufmerksamkeit selbst bei grösster Distanz noch sowohl auf Dich, wie auch auf die Schafe richtet. Und was man vielleicht auch häufig vergisst: kommen keine Befehle vom Schäfer (diese sollen sich ja sowieso auf ein absolutes Minimum beschränken), arbeitet der Hund selbstständig in einer Art 'Autopilot'. Wäre er generell empfänglich für alle Umweltreize und wartete er dabei nur verzweifelt auf das nächste Kommando vom Chef wäre das wohl sehr stressig und ein selbstständiges Arbeiten an den Schafen nur schwerlich möglich.

    Gehemmt wird - jedenfalls bei guten Schäfern - wirklich nur das Allernötigste und bei jungen Hunden häufig erst bei fortgeschrittener Ausbildung. Stattdessen wird viel gemanagt in dem man bei unerwünschtem Verhalten dem Hund schlicht den Zugang zu den Schafen verwehrt. Wird er von seiner Arbeit abgehalten, sollte ein guter Hund seine Entscheidung überdenken und die Strategie ändern. Der Schäfer wird dem Hund nicht erklären können, wie dieser das Problem zu lösen hat - er muss selbst eine Lösung dafür finden. Erst wenn der Hund wieder das richtige Verhalten zeigt, erhält er wieder direkten Kontakt zur Herde und kann ungehindert seinem Instinkt folgen. Fällt ein Hund bereits zusammen, weil seine erste Strategie nicht aufgeht, wirst Du mit ihm nicht besonders weit kommen. Und hemmst Du einen guten Hund zu stark - und ein typischer britischer Hüterich ist in dieser Hinsicht wirklich unglaublich weich - wird er zwar seine Anlagen nicht verlieren, aber möglicherweise verdirbst Du ihn und er wird nicht mehr für Dich arbeiten. Wir hatten erst letzthin wieder den Fall einer Hündin, bei welcher der Schäfer ehrlicherweise sogar zugab, dass sie ein guter Hund sei und alles Talent der Welt hätte, er zu Anfang allerdings zu hart mit ihr gewesen sei, und sie nun nicht mehr für ihn arbeite. Mit jedem anderen zeigte der Hund sich ungehemmt und begabt an den Schafen, aber sobald ihr Besitzer am Horizont auftauchte, fiel sie in sich zusammen.

    Auf so einer Farm geht es im Übrigen in keinster Weise ruhig und still zu und her. Das ist ein verklärtes Bild. Schäfer halten fast immer mehr als einen Hund, was an sich schon für Trubel sorgt. Diejenigen, die mit ihren Hunden zu Trials gehen, transportieren die Hunde häufig ziemlich unvorbereitet and laute, lärmige Farm Shows und Trial Grounds und trotzdem steigen die guten Hunde aus, schütteln sich und fragen 'Wo sind die Schafe?' Nervosität bei Lärm, Überforderung in neuen Situationen und Hypersensibilität zeichnet nie einen guten Arbeitshund aus.

    Hilft das?

    Ist aber selbst Hüten nicht in den allermeisten Fällen auch bloss Sport? So hart es halt tönt, aber ist ja so… die wenigsten haben Schaffarmen, um ihr Leben damit zu finanzieren. Ja, auch viele Arbeitslinien-Züchter aus England machen das nur aus Hobby…

    Auf dem Kontinent vielleicht, im Norden Englands, in Teilen von Schottland, Wales und Irland ist die Schafzucht jedenfalls sicher kein Hobby. Die einfachen Leute, also häufig diejenigen, die heute noch Schafe halten, hätten für derartige Hobbies weder Zeit noch Geld.

    Auch ist es Ehrensache vernünftige Hunde zu züchten, die einen Grossteil ihrer Fähigkeiten bereits mitbringen. Da wird nichts sozialisiert oder gross erzogen - entweder taugt der Hund oder er tut es eben nicht und verschwindet. Das ist nicht schön, das ist nicht romantisch, aber so läuft es hier. Welpen wachsen in Verschlägen auf und kommen in improvisierte Einzelzwinger, wenn sie das arbeitsfähige Alter erreicht haben. Interessanterweise wachsen diejenigen Tiere, die auf einer Farm bestehen, zu stabilen, freundlichen und selbstsicheren Tieren heran, die nicht gleich die Fassung verlieren, wenn sie in eine fremde Situation geworfen werden. Etwas derart Nervöses und Neurotisches wie die kontinentalen, rein auf Sport gezogenen Border Collies ist mir auf einer lokalen Farm noch nie begegnet - was nicht heissen soll, dass es die hier nicht gibt, sondern eher, dass diese schnell von der Bildfläche verschwinden. Die Bezeichnung 'Border Collie' ist hierzulande für jeden Schäfer, der etwas auf sich hält, sowieso eine Beleidigung. Border Collies sind die vom Kennel Club anerkannten Showhunde, die nichts mit den arbeitenden Tieren auf dem Bauernhof gemein haben. Hier hält man schliesslich 'Working Sheepdogs'.

    Bauern, die hier Hunde züchten, sind nicht mit FCI-Züchtern in Deutschland zu vergleichen. Die ISDS - falls die Hunde überhaupt registriert werden - möchtet seine Mitglieder doch gerne bitten, den geltenden Gesetzen zu entsprechen, nicht mit Hündinnen im Alter von einem Jahr zu züchten, nicht mehr als einen Wurf aus derselben Hündin pro Jahr zu ziehen und diese nicht häufiger als sechs Mal belegen zu lassen. Kommt man diesen Aufforderungen nicht nach, können Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Man empfielt gewisse Gesundheitstests, Pflicht sind sie jedoch nicht. Der an Wettbewerben wenig interessierte Bauer holt sich eben beim Nachbarn einen Hund oder verpaart seine Hündin mit einem Rüden, der seinen Job ebenfalls recht macht.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass es im reicheren Süden mittlerweile einige Spass-Hütehundler gibt. Hier im Norden ticken die Uhren aber noch etwas anders.