Moment... Moment.
Naja, irgendwas macht er ja "falsch". In dem Falle war es Leinenpöbeln und je nach Größe des Hundes spielt da einfach auch die eigene Unversehrtheit mit rein.
Der Hund macht nur aus menschlichem Verständnis heraus 'etwas falsch'. Der Hund tut, wonach ihm gerade ist - nur wir Menschen bewerten dies je nach unseren Erwartungen mit 'richtig' oder 'falsch'. Der Hund ist sich nicht bewusst, dass Leinenpöbeln 'falsch' ist. Kommt es dazu, dass er an der Leine tobt, habe ich drei Möglichkeiten:
a) ich manage: ich verhindere, dass es je wieder überhaupt dazu kommt. Das kann ich tun indem ich ihn nicht mehr ausführe, nicht mehr an der Leine ausführe oder nur noch da ausführe, wo es sicher nicht zur Leinenpöbelei kommt.
b) ich belohne den Hund bei 'richtigem' Verhalten. Ich trainiere.
c) ich bestrafe den Hund bei 'falschem' Verhalten. Auch hier trainiere ich.
Die Crux bei c) besteht nun nur darin, dass ich - genau wie bei der Belohnung - mit der Strafe meinem Hund häufig nicht einfach nur über ein einziges Mal beibringen kann, was genau er gerade falsch gemacht hat. Noch blöder: ich zeige ihm über Strafe auch gar nicht, wie es richtig wäre. Es bleibt dem Hund also nur überlassen herauszufinden, was denn genau meine strafende Reaktion auslöst. Bis er das herausgefunden hat, muss ich aber vielleicht fünf-, sechsmal strafen - immerhin kann der Hund ja nicht hellsehen, sondern muss sich langsam herantasten, an das, was er eben nicht tun soll. Das ist jeweils schön zu sehen bei Martin Rütter. Praktisch kein Hund ist beim ersten Besprühen mit Wasser mit seinem 'Fehl'verhalten 'bedient', weil er einfach überhaupt nicht verstanden hat, was da gerade passiert ist.
'Er weiss genau, was ich von ihm will' oder 'Er weiss genau, dass er das nicht soll', sind deswegen zwei der sinnlosesten Phrasen bei der Hundeerziehung, weil sie implizieren, dass der Hund nur etwas tut um uns zu ärgern. Wir beziehen sein 'Fehl'-verhalten direkt auf uns - und denken dabei nicht über unseren eigenen Horizont hinaus, nämlich, dass es selbst unserem Hund einmal um etwas anderes gehen könnte als nur um uns.
Arbeite ich über Belohnung, muss der Hund auch zuerst lernen, was die Belohnung auslöst - aber ich richte immerhin nicht so viel Schaden an wie bei Strafe. Wenn ich den Hund im falschen Moment belohne, trägt der Hund und sein Vertrauen in mich keinen Knacks davon. Strafe ich hingegen im falschen Moment, ist das durchaus möglich.
Was motivierender wirkt, kannst Du selber mit einem Partner (oder eben als Gedankenexperiment) ausprobieren: sag Deinem Partner, er soll Dich, wie beim Clickertraining shapen. Dann spielt ihr das gleiche Spiel, aber anstatt dass belohnt wird, wird bei 'Fehlverhalten' nur gestraft. Kein Wort darf gesprochen werden. Dieses Spiel ist in meinen Kursen häufig sehr wirksam. Und kann durchaus das eine oder das andere Aha-Erlebnis bescheren.
Wenn man nie mehr als ein verbales Donnerwetter braucht wird ja auch keiner auf die Idee kommen, den Hund massiv zu strafen, wenn es nicht sein muss.
Menschen kommen leider auf die merkwürdigsten Ideen. Nicht bei jedem fängt Strafe bei Donnerwetter an und hört auch da auf. Leider.
Und wenn man die Möglichkeit hat, monatelang an einer sanfteren Methode zu arbeiten und damit genauso Erfolg hat, dann kann derjenige das ja super umsetzen.
Ich trainiere häufig über positive Verstärkung gerade weil ich keine Lust habe, monatelang an einer 'sanfteren Methode' herumzumachen. Ich bin ein ungeduldiger Mensch und will Erfolge. Schnelle. Die habe ich bei rein über Strafe aufgebautem Verhalten noch nie dauerhaft beobachten können. Ich war gerade bei Leinenpöbeleien mit positiver Verstärkung um einiges schneller, hatte zuverlässigere Resultate und sogar noch zufriedenere, vertrauensvolle Hunde.